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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- Subject: Re: [AG-GOuFP] Panama-Papers, Ölgeschäfte und das US-Bankensystem
- Date: Tue, 17 May 2016 20:44:11 +0000
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- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hallo Gerhard,
Als Lösung schlägt Hudson vor, Konzerne nach ihren weltweiten Einnahmen zentral zu besteuern um gleich darauf zu sagen, dass dies keine Lösung sein kann. Ein Politiker, der so etwas ernsthaft fordert, würde sich zum Einen mit ureigensten amerikanischen Interessen anlegen (Öl, Technologiemonopole) und hätte wahrscheinlich große Schwierigkeiten seinen Wahlkampf zu finanzieren.
Ja, die Amerikaner optierten ja schon 1944 für die Lösung, das Heft selbst in der Hand zu behalten, wie bei Gorg Zoche: WeltMacht Geld en detail anhand der Originaldokumente von Bretton Woods dokumentiert.
Die Lösung für dieses Problem wäre im Grunde recht einfach und stand
schon 1944 auf der Bretton-Woods-Konferenz zur Debatte: Die Verrechnung
internationaler Zahlungen über eine supranationale Bank, sozusagen als
Zentralbank aller Zentralbanken. Eine derartige Regelung hätte
gesamtwirtschaftlich durchaus wünschenswerte Effekte:
* Abhängigkeit der Weltwirtschaft von einer Währung wird vermieden.
* Internationale Zahlungen sind jederzeit nachverfolgbar
* Bilanzklarheit
Prinzipiell ja. Aber natürlich hätte auch eine globale Clearing Union die Probleme der EZB, eine technische Institution ohne dazugehörigen Staat mit legitimiertem und rechtsstaatlich-demokratisch kontrolliertem Gewalmonopol darzustellen. Wie in der EU dürften deshalb die dortigen technokratischen Akteure nationale Interessen bedienen, die des Hegemonen eben. Die EZB hat bekanntlich spanische Staatsanleihen nur gegen das Versprechen neoliberaler Reformen (Abbau der Sozialsysteme etc.) angekauft (was Norbert Häring dokumentiert hatte).
Auf globaler Ebene ein solches Verrechnungssystem einzuführen dürfte derzeit noch visionär sein.
Ja, da es wohl nur in Verbindung mit einem sehr unwahrscheinlichen Weltstaat funktionieren könnte (und von Keynes ja auch als Schritt auf dem Weg dorthin gedacht war, wie auch die EZB für Europa ja wohl auch zu diesem Zweck installiert wurde). Hier wird die juristische Perspektive essentiell und hilfreich.
Gerade auch, was Souveränitätskonflikte zwischen transnationalen Großunternehmen (v.a. der Finanzindustrie, aber auch der Realwirtschaft) und territorial begrenzten Nationalstaaten angeht. Dazu hat ein französischer Jurist, den wir in Bristol auf der WINIR-Konferenz Anfang April kennengelernt haben, schöne Aufsätze geschrieben:
Property and the World Power System (Link https://www.dropbox.com/s/np8kttfichzwgx4/WINIR_Symposium_2016_Jean-Philippe-Robe_191918_1458310408.pdf?dl=0)
Conflicting Sovereignties in the World Wide Web of Contracts (Link https://www.dropbox.com/s/1g0gq3ziis8prl9/Conflicting%20sovereignties%20in%20the%20world%20wide%20web%20of%20contracts.pdf%E2%80%8B?dl=0; runterladen, in Acrobat Reader im Menü Ansicht auf "im Uhrzeigersinn drehen" klicken).
Innerhalb der Eurozone sind aber die
institutionellen Voraussetzungen gegeben, mit wenigen Änderungen
(Verrechnung der Target-Salden zentral bei der EZB statt dezentral bei
den nationalen Notenbanken; die bürokratische Monströsität ESM wird
überflüssig und kann mit der EZB konsolidiert werden) auf regionaler
Ebene einen Stabilitätsanker zu etablieren, der auch weltwirtschaftlich
einiges an Gewicht hat.
Ja, sehe ich prinzipiell auch so, zumal die Eurozone Institutionen hat, die über einen bloßen Staatenbund schon hinausgehen und ein ganzes Stück in Richtung Staat entwickelt sind, ohne bereits einen solchen darzustellen (siehe z.B. diesen Auszug https://www.dropbox.com/s/erib8zd9dij1laq/K%C3%BChl%20et.al%20-%20Rechtsnatur%20der%20EU.pdf?dl=0 aus einer aktuellen Einführung in die ReWi (draufklicken/1 S. scan runterladen).
Leider werden da nicht nicht alle Regierungen mitspielen wollen, da sie es sich im derzeitigen Settlement recht komfortabel eingerichtet und dabei zum Teil Foul gespielt haben (Irland->Steuerdumping;
Deutschland->Lohndumping). Der Druck kann daher nur von der Strasse und damit der breiten Bevölkerung kommen.
Ja, die Konkurrenzparadoxa überwiegen, v.a. in einer deflationären Phase wie der gegenwärtigen. Um diese zu mildern, bräuchte es einen New Deal, wie Varoufakis mit DIEM25 ja ganz richtig anzielt. Ich hatte das hier ja auch mal vorgetragen oder auch hier kurz skizziert und zusammengefaßt https://www.dropbox.com/s/wf9nm2s2oex5wld/Europ.%20Strategie%20gegen%20GFC.pdf?dl=0 (3 S.), mit 3 Schritten: 1) New Deal, 2) Europäische Clearing Union und 3) Bundesstaat (Kern)Europa, aber (mit ca. 2 Ausnahmen) entweder ganz ohne Echo oder mit massiver Ablehnung, sodaß es bisher nicht zu detaillierterer Ausarbeitung kommen kam (auf jeden Fall müßte das Tandem Deutschland/Frankreich hier Zugpferd sein, doch gerade hier scheitert die Kooperation, v.a. auch an Schäubles in realitätsfremdem Ökonomieverständnis begründetet Austeritätsfanatik, die Hollande brav kopiert, wobei beide nicht merken, daß sie so die Basis für Kooperation durch deflationäre Verschärfung von Konkurrenzparadoxa gerade verschärfen und Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten gießen).
Schaut man historisch, wie Staaten aus Staatenbünden entstanden sind (z.B. mit Fukuyama: "Origins of Political Order https://books.google.de/books?id=eyEONn0WUmMC&lpg=PP1&hl=de&pg=PR7#v=onepage&q&f=false", 2011 und "Political Order and Political Decay https://books.google.de/books?id=j6hzAwAAQBAJ&lpg=PP1&hl=de&pg=PT4#v=onepage&q&f=false", 2014) , findet man meist Chaos und Krieg als Anlaß ("war makes the state and the state makes war"), und oft fand das auf despotischem Weg statt. Demokratische Ausnahmen lediglich: Schweiz und USA (siehe die Federalist Papers).
Ein europäischer Bundesstaat - Vereinigte Staaten von Europa - sind ja eine alte europäische Idee, die in einer Krise geboren und in Krisen immer mal wieder ausgegraben wird, unter unterschiedlichen Vorzeichen.
Ich bin eher pessimistisch, aber man muß sich für die Lösung der Vernunft einsetzen, so gut es geht, auch wenn sich letztlich ganz andere Triebkräfte durchsetzen und "Vernunft" eher hinterher als Legitimationsideologie benutzt wird.
Was soll man denn sonst machen, in dieser allgemeinen Verwirrrung, Verblödung und ideologischen Verhärtung auf allen Seiten? Mal wieder irre Zeiten, in denen wir leben - spätmoderne 1930s eben, wie Varoufakis sagt, in denen ja auch Verschwörungstheorien, 100%Money, oberflächliche Geldsystemkritik und vieles andere mehr stattfanden.
Gruß
Wolfgang
PS darf ich Dein Posting auch auf der anep-internen Mailingliste posten? (Anep: siehe anep-economics.org).
- [AG-GOuFP] Panama-Papers, Ölgeschäfte und das US-Bankensystem, Gerhard, 17.05.2016
- Re: [AG-GOuFP] Panama-Papers, Ölgeschäfte und das US-Bankensystem, moneymind, 17.05.2016
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