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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Populäre Irrtümer: Ware gegen Ware oder Ware gegen Geld

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Populäre Irrtümer: Ware gegen Ware oder Ware gegen Geld


Chronologisch Thread 
  • From: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
  • To: Nicolas Hofer <nicolas.hofer AT gmx.de>
  • Cc: "ag-geldordnung-und-finanzpolitik@lists piratenpartei. de" <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>, "AG Wirtschaft \(Achtung viele Mails am Tag!\)" <ag-wirtschaft AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Populäre Irrtümer: Ware gegen Ware oder Ware gegen Geld
  • Date: Tue, 18 Aug 2015 15:38:06 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>



Am 17.08.2015 um 18:32 schrieb Nicolas Hofer <nicolas.hofer AT gmx.de>:

Lieber Arne,
danke für Deine Mail!

Am 17.08.2015 um 15:31 schrieb Arne Pfeilsticker:

These: 

Zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte wurden Ware gegen Ware oder Ware gegen Geld getauscht, sondern immer Recht gegen Recht.

Vorschlag zur Ergänzung Deiner These:

Auf der Ebene der Bürger einer Gesellschaft, d.h. auf der Ebene des Privatrechts ("IOU") wurde in Verträgen immer (privates) Recht gegen (privates) Recht "getauscht", wenn man diese Formulierung verwenden möchte. Auf internationaler Ebene existiert hingegen nur die "family of nations", die in ihrer Kommunikation untereinander zwar das Vokabular der privaten Handeltreibenden ("Völkerrechtliche _Verträge_") nutzen, allerdings existiert keine Internationale Exekutive, die die Rechtsprechung einer internationalen Jurisdiktion durchsetzen könnte. Auf internationaler Ebene spielen Solidarität und vor allem Über-/Unterordnungsverhältnisse eine große Rolle.

Hallo Nicolas,
besten Dank für die vielfältigen Anregungen, auf die ich gerne eingehe.

Meine Anregung ist, dass wir deine „Filetierung“ des Sachverhaltes mit meinem Ansatz vergleichen. Was ich suche sind fundamentale Grundstrukturen, die in einer Art unabhängiger Dimensionen den diskutierten Sachverhalt aufspannen.


Begründung:

Waren sind beim Handel nur indirekt über die übertragenen Rechte betroffen.

Was im Tauschhandel oder Naturaltausch als Ware gegen Ware erscheint, ist bei genauer Betrachtung ein Tausch, d.h. eine Übertragung von Eigentumsrechten.

Findet Tausch innerhalb einer bürgerlichen Gesellschaft unter Bürgern statt, so ist Dir absolut zu zustimmen. 
Allerdings lässt sich unter den 207 Staaten weltweit kaum drei Dutzend Staaten finden, in denen die bürgerliche Gesellschaft so ausgebaut ist, wie wir das in Europa gewohnt sind.
Ach... Europa. Nicht einmal innerhalb der Eurozone sind in jedem Euroland die grundlegenden Voraussetzungen für eine bürgerliche Gesellschaft vorhanden (siehe z.B. Griechenland (Euro) oder Bulgarien (EU), Rumänien (EU)).


Jede andere Argumentation führt zu einem unüberbrückbaren Widerspruch:

Würden beim Handel Ware gegen Ware oder Ware gegen Geld getauscht werden, dann blieben in einer Gesellschaft mit Rechtsordnung auch nach dem Tausch der Verkäufer Eigentümer der Ware und der Käufer Eigentümer des Geldes. Und nur die jeweiligen Eigentümer könnten rechtmäßig über ihr Eigentum verfügen.

Einzig und allein durch den Tausch der entsprechenden Rechte (= Übertragung der Rechte) kann der gewünschte Effekt erzielt werden, damit nach dem Tausch der Käufer über die Ware und der Verkäufer über das Geld verfügen kann.

In einer Gesellschaft ohne Rechtsordnung gibt es kein Handel, weil jeder sich nimmt, was er aufgrund seiner Macht kann und will.

So ist es.
Wo es die IOU-Ebene nicht gut ausgebildet gibt, kommunizieren die Gesellschaften mehr über die anderen zwei Arten menschlicher Kommunikation:
I Own U (Ich besitze Dich: Über-/Unterordnungsrelationen jeder Art, z.B. sog. "Öffentliches Recht")
und
I Am U (Ich sehe mich in Dir: z.B. Mutter-Kind-Beziehung, Solidarbeziehung, ...).

Ende der Begründung.

Wer hält gegen diese These? - Einsprüche wie immer willkommen. :-)

Ich halte nicht dagegen. Es ist die Beschreibung der Kommunikation auf der IOU-Ebene.

Auf den Begriff „Kommunikation“ wäre ich an dieser Stelle nicht gekommen. 

Aus meiner Sicht gehört Recht zur Handlungsebene.

Recht beginnt, wo Kommunikation endet oder scheitert; wo Rechtssubjekte einer Rechtsordnung nicht Tun, Unterlassen oder Erdulden, was sie nach Recht, Gesetz oder Vertrag zu Tun, zu Unterlassen oder zu Erdulden haben.

Beim Recht geht es m.E. im Ergebnis gerade nicht um den Austausch oder die Übertragung von Informationen, sondern um die Durchsetzung von Verhalten. Es geht darum Adressaten des Rechts, das sind der oder die am anderen Ende der Rechtsbeziehung, zu einem bestimmten Tun, Unterlassen oder Erdulden zu bewegen. - Wenn nicht durch Einsicht, dann mit Gewalt.

Der Sinn und Zweck einer Klage vor Gericht ist die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils - eine Art Ticket für staatliche Gewalt zur Durchsetzung des als rechtmäßig anerkannten Verhaltens. 

Aber die IOU-Ebene ist nicht die Einzige Ebene auf welcher Kommunikation (auch ökonomische) statt findet.

Einverstanden.

Die drei (mir bekannten) Ebenen sind:
I Own U - "Staat", öffentliches Recht (IOwnU)
I Owe U - "Markt", privates Recht (IOU)
I Am U - "Menschen", Solidarität (IAmU)

Sicherlich macht es Sinn das öffentliche Recht und das private Recht zu unterscheiden. Aber das öffentliche Recht in einer Demokratie als ein „I own you“ (= Ich besitze dich.) zu bezeichnen, würde ich als das Scheitern der Demokratie bezeichnen. Bei einem Grundrecht „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ kann es kein „I own you“ geben. Weder von Seiten des Staates, noch von irgend einer anderen Seite. 

„I own you“ ist kein Recht oder Rechtsgrundsatz, sondern das nicht vorhanden sein von Recht. - Es sei denn man ist Mathematiker und versteht sich in der Kunst das NICHTS als den „Inhalt" der Leeren Menge zu betrachten.  :-)

Für mich ist „I own you“ auch keine Kommunikationsebene. - Die einzige Antwort die mir spontan auf ein „I own you.“ einfällt ist eine auf’s Maul. - Und wenn das nicht opportun erscheint, dann jede Form des Widerstandes. 

Und jede Form der Kommunikation ist in einem „I own you“-Kontext eine potentielle Gefahr für Leib und Leben für jeden, der am anderen Ende des „I own you“ hängt. Nicht umsonst betrachtet die US-Regierung „Waterboarding“ nicht als Folter, sondern als eine angemessene Form der „Kommunikation“.


Es bringt nichts so zu tun als _würde_ alle Kommunikation auf der IOU-Ebene statt finden.

Richtig, aber wir sollten reden (= Kommunikationsebene) und handeln (= Rechtsebene) unterscheiden.

Manche ein ökonomischer Theoretiker (z.B. sog. "Libertäre") tun so, als sollte - normativ - alle Kommunikation auf der IOU-Ebene statt finden. Der "Staat" (klassische IOwnU-Kommunikation, Über/Unterordnung)

Grundsätzlich ist alles Recht ein Über- und Unterordnen, weil jedes Rechte das eine Ende einer Rechtsbeziehung ist an deren anderem Ende eine Pflicht hängt. 

Der wesentliche Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Recht sehe ich darin, dass im öffentlichen Recht die Rechte und Pflichten kollektiv ausgehandelt werden und dann allgemeinverbindlich sind, während im Privatrecht in bilaterale Verträge Rechte und Pflichten vereinbart werden.

Der entscheidende Punkt ist dann, dass sich sowohl die Bürger, als auch der Staat an Recht, Gesetz und Verträge halten müssen. 

Zugegeben, das ist die Theorie, die Praxis sieht zum Teil deutlich anders aus.

etwa solle sich "ganz raus" halten, damit endlich der "Markt" all' seine Kräfte entfalten kann, ohne zu reflektieren, dass es die IOU-Ebene, den "Markt", ohne die öffentlich-rechtliche Über-/Unterordnung (Möglichkeit der "öffentlichen Vollstreckung privater Verträge") erst gar nicht gibt. Der "Markt" ist das "Kind" einer ganz bestimmten Anordnung, bzw. Ausstattung der IOwnU-Ebene.

Wenn diese These stimmt, dann hätte diese weitgehende Konsequenzen. Z.B. Es gibt kein „Waren“-Geld, sonder Geld war und ist ein Recht.

Ja, Geld war und ist ein Recht, das aus einer Heirat von öffentlichen und privaten Kräften entstanden ist. Ohne die Kräfte des Privaten, gäbe es kein Geld, ohne die Kräfte des Öffentlichen gäbe es schon gar kein Privates.

Ich denke Geld ist wie Eigentum ein sehr nahe liegendes Recht und wer’s erfunden hat, dürfte genau so schwierig wie die Frage sein, ob zuerst die Henne oder das Ei da war.

Der Traum des "reinen" Privatgeldes ist der Traum der sich selbst stabilisierenden Kommunikation auf der IOU-Ebene. Empirisch jedoch ist die Kommunikation auf der IOU-Ebene manisch-depressiv und zu Akkumulation neigend ("Spaltung der Gesellschaft") bzw. bzgl. Geld ganz konkret: Bankrun auf die private Emissionsbank.

Der Traum des "reinen" Staatsgeldes ist der Traum man könne per bloßer Rechtsetzung ("Das ist Geld") ein Geld erzeugen, das Private genauso nutzen wie dasjenige Geld, das von Privaten (nach Erzeugung der IOU-Ebene durch die IOwnU-Ebene per entsprechender Infrastruktur) untereinander freiwillig genutzt würde.

Über diese beiden Punkte und den Rest deiner Ausführungen möchte ich noch einmal nachdenken. 

Viele Grüße
Arne

Das heute weltweit am häufigsten als Rechengeld und Zahlungsmittel genutzte Geld, der US Dollar, ist eine Verbindlichkeit des Federal Reserve Systems, das seinerseits sowohl Forderungen gegen Private und gegen die Öffentliche Hand hält, sowie über einen impliziten Solvenz-Put verfügt, der der potenziellen Rekapitalisierungsfähigkeit des US-Nationalstaates entspricht. Das hat mit der Besteuerungsfähigkeit der USA zu tun (IRS).

Schatzamt (Finanzministerium)

Zentralbank
Potenzielle Besteuerungs-fähigkeit (IRS)
Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand, x%, x>0,

Forderungen gegen die öffentliche Hand, x%, x>0
Währung, 0%



Forderungen gegen Private

Solvenz-Put

Gold + anderes nichtfinanzielles Vermögen + Solvenz-Put
Eigenkapital

Wenn man die Potenz der IRS Steuern eintreiben zu können (ohne dabei offen Enteignen oder gar die Eigentumsinfrastruktur zerstören zu müssen) und so diesen Zusammenhang erkennt, so überrascht eigentlich nicht mehr, dass - trotz allem - der US-Dollar immer noch die meistgenutzte Währung der Welt ist, d.h. auch von Privaten, die nicht einmal der US-Jurisdiktion unterstehen. Der US-Dollar ist kein reines Geld der öffentlichen Hand, das per bloßem Dekret erzeugt wird ("einfach gedruckt..."). Das ist eine Übersimplifizierung, die die Heirat der rein privaten "Bank der Bankiers" und der reinen "Regierungsbank" zur modernen Zentralbank westlicher Prägung übersieht.
Eine der erfolgreichsten Zentralbanken, die Bank von England, war seit ihrer Geburt von dieser Heirat geprägt. In den USA erfolgte diese erst 1913.

Viele Grüße
Arne

Viele Grüße
Nicolas




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