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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] EZB als Saldendokumentierer?

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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] EZB als Saldendokumentierer?


Chronologisch Thread 

Am 27.06.15 um 02:25 schrieb moneymind:
>
> Das von individuellem Verhalten unabhängige "framework" sind keine
> "laws of monetary economics", sondern schlicht buchhalterische
> Identitäten, logische Tautologien, wenn Du so willst.

Der Begriff logische Tautologien wird ja gern von der Mainstreamökonomie
verwendet. Das zentrale Element in der Doppik ist das abstrakte
Konstrukt eines Aktivum-Passivums, das ganz unterschiedliche Dinge
ausdrücken kann:

1. Im Moment der Zahlung veranlasst der Zahler einen
(Geld-)Vermögenstransfer zum Zahlungsempfänger, der von der Bank als
Treuhänder abgewickelt wird.

2. Zwischen zwei Zahlungen ändert sich der Wert im Depot nicht. Das
Aktivum-Passivum in der Bankbilanz drückt ein Schuldverhältnis zwischen
Depotbesitzer und Bank aus.

3. Schliesslich kann damit auch Sachvermögen abgebildet werden, das von
der Bank treuhänderisch verwaltet wird. Das Aktivum-Passivum bildet eine
Subjekt-Objekt-Relation ab, das als Eigentumsanspruch an den
Vermögensgegenstand angesehen werden kann. Dazu aber unten noch mehr.

Hier von Tautologie zu sprechen, zeugt imho eher von einem Unverständnis
des Prinzips der doppelten Buchführung. Eine Ökonomie, welche diese
konzeptionellen Unterschiede nicht berücksichtigt und in mathematische
Formeln giesst, vergleicht sprichwörtlich Äpfel mit Birnen. Die Formeln
mögen zwar in einem rein formalen Sinn korrekt sein, besitzen jedoch
kein inhaltliche Aussagekraft.

Es geht aber noch einen Schritt weiter. Mit dem Schmitt'schen Konzept
eines absoluten Tausches konstituiert sich ein Numeraire, der direkt aus
der Doppik begründet werden kann.

>> In der Quantumanalyse werden Zahlung, Finanzierung und
>> Kapitalbildung rein bilanztechnisch untersucht. Es wird streng
>> unterschieden zwischen Zahlung (einer Stromgröße) und dem daraus
>> resultierendem Guthaben in einem Bankdepot (eine Bestandsgröße).
>> Eine Rollenzuweisung der Akteure (Unternehmer/Arbeiter) und
>> Verwendungszweck (Konsum/Investition) ist eher zweitrangig. Die
>> wirtschaftlichen Akteure können ganz abstrakt als budgetbeschränkte
>> Entitäten betrachtet werden. Bei der Produktion wird der physische
>> Output und das monetäre Einkommen gleichzeitig geschaffen.
>
> Sobald Güter produziert werden, kommen auch subjektive, individuelle
> Bewertungsakte ins Spiel, so oder so.

Das ist ja soweit richtig. Entscheidend ist aber der eigentliche
Kaufakt, der Moment der Zahlung. In diesem Moment entscheidet der
Käufer, dass der Wert der Ware gleich dem dafür aufzuwendenden Einkommen
ist, mit anderen Worten in der Zahlung konstituiert sich die Identität.
Welche subjektiven Motive dahinterstehen, ist aus buchhalterischer Sicht
irrelevant.

>> An dieser Stelle seien diese Makrogesetze nur kurz angerissen. In
>> der Zahlung treffen nicht nur individuelles Angebot und Nachfrage
>> zusammen sondern auch makroökonomisches, d.h. in der Zahlung
>> realisiert sich die Identität von Angebot und Nachfrage.
>
> Identität nur auf der Ebene von Finanzvermögen (buchhalterische
> Identitäten). Nicht von (nominal variablem) "Realvermögen".

Den Unterschied zwischen Finanzierungskapital und Fixkapital habe ich ja
schon in meiner Antwort auf Axel erläutert. Cencini unterscheidet
explizit zwischen mikroökonomischer Ersparnis (das schwäbische
Hausfrauen Sparen) und makroökonomischen Sparen (die endgültige
Verwendung von Einkommen für Investitionsgüter). Das Makrosparen stellt
einen endgültigen Verzicht von Einkommen zugunsten der Bildung eines
Kapitalstocks, der der Volkswirtschaft als Ganzes für alle Zeit zum
Zwecke einer effizienteren Produktion[1] zur Verfügung steht. Nominal
ist der Wert des Kapitalstocks auf den hierfür notwendigen
makroökonomischen Aufwand fixiert.

Als Objekte der physikalischen Welt unterliegen im Laufe der Zeit die
Fixkapitalgüter natürlich Abnutzung und Verschleiß; auch kann eine
technologische Obsoleszenz auftreten, wenn eine Technologie komplett von
einer anderen verdrängt wird. Hier unterscheidet Cencini zwischen
Kapitalakkumulation und Kapitalamortisation. Unter Amortisation wird die
Produktion von Ersatzteilen und Instandhaltungsleistungen verstanden,
die notwendig ist, um ein einmal erreichtes Produktionsniveau zu
erhalten, erst wenn dieses Niveau überschritten ist, wird neues
Fixkapital akkumuliert. Ich bitte zu beachten, dass in dieser
Interpretation ein 'Wachstum' nicht mehr vorausgesetzt werden muss!

Wie sieht es bei den Produktionsprozessen aus, die institutionell als
Kapitalgesellschaften verfasst sind? Auch hier ist ein objektiv fixer
Wert festgelegt. Machen wir uns das am Beispiel einer Aktiengesellschaft
klar. Mit der Emission von Aktien wird bestehendes Einkommen der
Kapitalanleger in makroökonomisches Fixkapital transformiert. Die Höhe
ist durch Ausgabekurs x Anzahl der Aktien festgelegt. Hinzu kommen die
im Laufe der Lebenszeit der AG erzielten thesaurierten Gewinne. Die
Verwendung des erzielten Rohüberschusses wird dabei an die
Aktionärsversammlung delegiert. In der Regel wird hier der Vorstand
einen Vorschlag machen, welcher Anteil als Dividendeneinkommen an die
Aktionäre ausgeschüttet wird und was in der AG verbleibt. Ein
Aktienwert, der substantiell von dem so ermittelten Wert abweicht ist
ökonomisch nicht gerechtfertigt.

Das Charmante an der Quantumökonomik ist in meinen Augen, dass damit das
theoretische Rüstzeug für einen 'kooperativen' Kapitalismus gegeben ist,
der dem existierenden Konkurrenzkapitalismus konzeptionell überlegen
ist: es liefert eine realistische Beschreibung ökonomischer Phänomene,
setzt einem globalisierten Finanzkapital wirksame buchhalterische
Grenzen und lässt insgesamt eine ruhigere wirtschaftliche Entwicklung
erwarten, die von spekulativen Auswüchsen der letzten Jahre weitgehend
verschont bleibt. Die größte Schwierigkeit sehe ich darin, dieses Modell
'schwäbische Hausfrauen-kompatibel' runterzubrechen.

gerhard

[1] Cencini spricht auch nicht mehr von Investitionsgütern, sondern von
instrumentellen Gütern: Als Werkzeuge unterstützen sie lediglich den
Produktionsprozess; Sie stellen keinen eigenständigen Produktionsfaktor
dar, sondern sind lediglich 'produzierte Produktionsmittel'.











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