ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Patrik Pekrul <patrik.pekrul AT hotmail.de>
- To: "ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de" <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: [AG-GOuFP] FW: Kapitalismus - Definition für Vision
- Date: Wed, 13 Aug 2014 12:54:45 +0200
- Importance: Normal
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
From: patrik.pekrul AT hotmail.de
To: pazeterno AT web.de
Subject: RE: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision
Date: Wed, 13 Aug 2014 12:50:15 +0200
> Date: Wed, 13 Aug 2014 11:51:32 +0200
> From: pazeterno AT web.de
> To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
> Subject: Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision
>
> Für mich ist Kapitalismus die Ideologie, nach der der Egoismus des
> Einzelnen IMMER zum Wohl der Allgemeinheit führt und damit gerechtfertig
> und erwünscht ist.
> From: pazeterno AT web.de
> To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
> Subject: Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision
>
> Für mich ist Kapitalismus die Ideologie, nach der der Egoismus des
> Einzelnen IMMER zum Wohl der Allgemeinheit führt und damit gerechtfertig
> und erwünscht ist.
Dies ist nicht die Grundannahme des Kapitalismus, sondern des Individualismus. Plakativ:
Sozialismus: Du bist nichts, die Gemeinschaft ist alles
(Sonderform Nationalsozialismus: Du ist nichts, die Volksgemeinschaft ist alles)
Individualismus: Du bist alles!
Es ist eben Kennzeichen unserer westlichen Gesellschaft, dass wir derzeit in einer Phase des ausgeprägten (und zunehmenden) Individualismus sind. Gefeiert wird der Egozentriker.
> Dass das auf eine berühmte Beobachtung/Erkenntnis von
> Adam Smith zurückgeht ist klar und der Fehlschluss (Fehler der logischen
> Distribution) auch:
>
>
> "Jeder will das beste für sich" folgt nicht unbedingt "allen geht es
> schlechter".
>
> ist nicht äquivalent zu
>
> "Jeder will das beste für sich" folgt "allen geht es besser".
>
>
> Ich glaube aber, dass Reduktionismus immer in der Ideologiefalle endet,
> allein schon weil nicht genügend Menschen zu logischem Denken in der
> Lage sind und das immer von Manipulatoren ausgenutzt werden wird.
> Adam Smith zurückgeht ist klar und der Fehlschluss (Fehler der logischen
> Distribution) auch:
>
>
> "Jeder will das beste für sich" folgt nicht unbedingt "allen geht es
> schlechter".
>
> ist nicht äquivalent zu
>
> "Jeder will das beste für sich" folgt "allen geht es besser".
>
>
> Ich glaube aber, dass Reduktionismus immer in der Ideologiefalle endet,
> allein schon weil nicht genügend Menschen zu logischem Denken in der
> Lage sind und das immer von Manipulatoren ausgenutzt werden wird.
Genau, ist dieser propagandistische Trick ist in der Zeit des kalten Krieges so weidlich ausgereizt worden, dass er nun für wahr gehalten wird. Hinzukommt die Faulheit der Leute, sich mal mit den Originalquellen zu beschäftigen anstatt einfach nur kolportiertes nachzuplappern.
Aber immerhin haben sich im Zuge der Finanzkrise doch ein paar mal wieder mit der Realität der Dinge auseinandergesetzt: http://www.zeit.de/2013/34/oekonomie-adam-smith/komplettansicht
"Historiker zeigen: Der Vater der Ökonomie war kein Prediger des freien Marktes. Er suchte nach Werten.
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Deutschlands bekanntester Häretiker ist der Wirtschaftsprofessor Peter Bofinger. In die Neuauflage seines Lehrbuchs Grundzüge der Volkswirtschaftslehre hat er nach der Finanzkrise eine Passage eingefügt, die man als Kampfansage an die Orthodoxen verstehen kann. Darin schreibt Bofinger, Smith habe gar nicht behauptet, dass Egoismus immer Wohlstand hervorbringe – sondern dass er dies nur dann tue, wenn das eigennützige Verhalten langfristig ausgerichtet sei. Kurzfristige Gewinnmaximierung wie vor der Finanzkrise führe hingegen zu "selbstzerstörerischen Effekten".
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Der Streit um die Deutungshoheit über Adam Smiths Werk trägt bisweilen unterhaltsame Züge, aber dessen Tiefen durchdringen sie nicht. Diese Tiefen loten, von der Öffentlichkeit unbemerkt, Forscher aus, die sich tatsächlich intensiv mit diesen Werken beschäftigen.
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Wie ist das zum Beispiel mit der unsichtbaren Hand? Generationen von Volkswirten haben dazu dieselbe Passage aus dem Wohlstand der Nationen zitiert. Irgendwann wirkte es, als sei das Konzept der Dreh- und Angelpunkt in Smiths Denken. Als Rothschild aber im Wohlstand der Nationen nachzählte, fand sie, dass Smith die Formulierung auf 1097 Seiten nur ein einziges Mal verwendete. Anders als oft behauptet, hatte er die unsichtbare Hand auch nicht erfunden. Als die Professorin Hunderte Bücher und Flugschriften aus Smiths Zeit wälzte, fand sie den Begriff immer wieder. Oft benutzten ihn Prediger, um Gottes Wirken in der Welt zu beschreiben. Warum sollte Smith, ein ausgesprochener Kirchenkritiker, so eine Formulierung übernommen haben? Rothschild glaubt: Das kann er nur ironisch gemeint haben.
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Es schien, als könne sich jeder seinen Smith nach Bedarf aussuchen: mal mit Schwerpunkt auf Eigennutz, mal auf Gemeinsinn. Doch inzwischen räumen Forscher mit dieser Beliebigkeit auf. Manche haben dafür sogar die Vorlesungsnotizen von Smiths Studenten ausgegraben. Die zeigen: Smith entwickelte die Ideen für seine beiden Bücher zur selben Zeit.
Deshalb ist Christopher Berry von der Universität Glasgow überzeugt: "Die Wirtschaftstheorie im Wohlstand der Nationen setzt das Menschenbild aus der Theorie der ethischen Gefühle voraus." Wenn Smith im Wohlstand der Nationen von Eigeninteresse spreche, dann meine er das aufgeklärte Eigeninteresse der schottischen Kaufleute im 18. Jahrhundert, nicht den Egoismus eines modernen Gordon Gekko, der im Film Wall Street sagt: "Gier ist gut."
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Alte Bücher wälzen, in Archiven stöbern, Fabeln lesen – so etwas tun moderne Ökonomen kaum. Sie beschäftigen sich lieber mit Statistiken, Modellen, Experimenten. "Die meisten meiner Kollegen präsentieren in ihren Vorlesungen keine Ideengeschichte, sondern eine Formelsammlung", sagt Birger Priddat, Wirtschaftsprofessor an der Universität Witten/Herdecke. Das hält er für einen Fehler. Die Ökonomen müssten sich die Ergebnisse der neuen Smith-Forschung aneignen und dann "mit Smith nach vorne denken".
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Eigennutz, Mäßigung, Liebe, Gerechtigkeit, Mut, Hoffnung, Glaube: Wenn diese sieben Tugenden in einer Gesellschaft zusammenkämen, argumentiert McCloskey, dann wirke der Markt tatsächlich wie eine unsichtbare Hand, die individuelle Entscheidungen und gemeinschaftliches Wohl in Einklang bringt.
Klingt ein bisschen wie in der Bibel. Aber wann kommen diese sieben Tugenden schon einmal zusammen? Eine Gesellschaft ganz ohne skrupellose Geschäftemacher, korrupte Steuerbeamte und gierige Manager wird es wohl niemals geben. Deshalb lässt sich von der unsichtbaren Hand immer nur ironisch sprechen: Den gesellschaftlichen Idealzustand kann der Markt wohl nie erzeugen."
Amen.
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, Patrik Pekrul, 13.08.2014
- [AG-GOuFP] Einschätzung Arbeitsmarkt CDU, thomas, 14.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Einschätzung Arbeitsmarkt CDU, Rudi, 14.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Einschätzung Arbeitsmarkt CDU, Patrik Pekrul, 14.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Einschätzung Arbeitsmarkt CDU, Rudi, 14.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, thomas, 13.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, Arne Pfeilsticker, 13.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, thomas, 13.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, Arne Pfeilsticker, 13.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, Arne Pfeilsticker, 12.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, moneymind, 12.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, Exile (O.Herzig), 17.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, Sascha Maus, 17.08.2014
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