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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- To: ML AG-Geld <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: [AG-GOuFP] China zur multipolaren Positionierung Europas
- Date: Sun, 23 Sep 2012 10:31:19 +0200
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- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
@ alle
In den vergangenen drei Wochen ist ein strategisches Konzept von
außerordentlicher Bedeutung in die Schlagzeilen geraten. Anlässlich
der Besuche von BK Merkel in Peking und des chinesischen
Ministerpräsidenten, Wen Jiabao, in Brüssel skizzierte China sein
Muster der „Multipolaren Positionierung Europas in der Welt“.
Die FAZ hat die Position Chinas dazu so zusammengefasst:
„Chinas wirtschaftspolitische Weltkarte ist ebenso einfach wie
bestechend. Danach ist die Zeit der einzigen Supermacht Amerika - und
ihrer Währung - abgelaufen. An ihre Stelle trete ein multipolares
System. Darin begreift China sich selbst als Führer in Asien und
Deutschland als Vormacht in Europa.
Langfristig werde es drei große Reservewährungen geben, den Dollar,
den Renminbi und - wer hätte das gedacht? - den Euro“ (FAZ, Merkel im
Reich der Mitte, 29.8.12).
Und weiter: „Seit Ausbruch der Finanzkrise seien sich die EU und China
ihrer wechselseitigen Abhängigkeit stärker bewusst denn je, sagte Van
Rompuy. Und Barroso bezeichnete die beidseitigen Beziehungen gar als
leuchtendes Vorbild für den Umgang in einer multipolaren Welt“ (FAZ,
Bitte bilden Sie einen Pol! 21.9.12).
Übersehen wurde in dieser Berichterstattung, dass die Weltbank bereits
im vergangenen Jahr ein empirisch satt s Strategiepapier zum
multipolaren Muster der Globalisierung vorgelegt hat [1]. In dieser
waren diese Grundthesen bereits zu finden.
Strategische Kernsätze der Weltbank besagten nämlich:
1. Die Entwicklung von Globalisierung und Machtblöcken
Aufstieg und Fall von Mächten gehen seit je mit der Globalisierung
einher. Macht hat sich dabei immer auf eine unterschiedliche Anzahl
von Machtpolen konzentriert.
In der ersten Hälfte des zweiten Milleniums waren China und Indien die
beiden dominierenden Wachstumspole. Die industrielle Revolution
brachte dann die westeuropäischen Industrieländer an die Spitze. Der
II. Weltkrieg ließ zwei Machtzentren übrig, die USA und die
Sowjetunion. Nach dem Zerfall der UdSSR waren dann die USA die
dominierende Macht in der globalen Ökonomie (auch Deutschland und
Japan nehmen eine führende Rolle ein).
In den letzten beiden Dekaden hat die Welt nun auch das Aufkommen
wachsender Schlagkraft der Schwellenländer gesehen. Auch das pflastert
den Weg für eine multipolare Welt.
2. „Multipolarität“ - die Abgrenzung der Weltbank
In der internationalen Politik wird unter „Multipolarität“ eine
nicht-polare Welt verstanden (kein einzelnes Zentrum dominiert mehr).
Im Zusammenhang mit den internationalen Wirtschaftsbeziehungen
bedeutet Multipolarität, dass es mehr als zwei dominante
Wachstumspole („global growth pole“) gibt. Multipolarität, so
abgegrenzt, hat es phasenweise also bereits früher in der
Globalisierung gegeben.
3. Multipolare Welt und internationales Management von Politik und Wirtschaft
In den kommenden Dekaden wird das globale Wirtschaftswachstum immer
stärker von den Schwellenländern generiert, die neben die entwickelten
Wachstumszentren treten (Abkehr von der US-zentrierten
Globalisierung). Diese neue globale Ökonomie macht den Kern der
künftigen multipolaren Welt aus.
4. Multipolare Welt und die Konsequenzen für das Weltwährungssystem
Bislang ist der US-Dollar noch immer die wichtigste Weltwährung.
Aber jetzt kommen Rivalen auf. Gegenwärtig ist der Euro noch die
wichtigste Alternative. Das Aufkommen der Schwellenländer mit hohem
Wachstum wird überdies den Weg für ein globaleres Geldsystem öffnen
(speziell der Renminbi wird eine größere Rolle spielen). Der Übergang
zu einem „Multiwährungssystem“ erfolgt noch vor 2025.
China hat sich also jetzt eng an das Weltbankkonzept angelehnt.
Keineswegs neu ist der Befund eines Abstiegs des USA Dollars; neu ist
allerdings die Empfehlung einer deutschen Vorherrschaft für Europa.
Die Abfolge des Musters (erst Weltbank, dann China) ist für die
Bewertung des Chinesischen Strategiemusters wichtig.
Die FAZ schlussfolgerte: „Für dieses Szenario sucht Peking Verbündete.
In Amerika sind sie in Zeiten des Wahlkampfs mit seinen vielen
China-kritischen Tönen kaum zu finden, in Deutschland schon“.
Es mag auf den ersten Blick als übersteigert erscheinen, ist auch
gewiss nicht ganz einfach, trotzdem: Die Piraten-Partei kommt
überhaupt nicht daran vorbei, sich zu diesem Schlüssel-Konzept selbst
zu positionieren. Ihm kommt schon jetzt ein zentraler Stellenwert für
die Politik zu. Die wichtigsten Weichenstellungen europäischer und
nationaler Politik hängen unmittelbar von der Beantwortung dieser
Frage ab. Auch alle geld- und finanzpolitischen.
Die Chinesen haben ihre Position bezogen. Welche Interessen
formulieren wir Europäer selbst?
Früher oder später werden sich alle Parteien dazu äußern müssen. Je
eher die Piraten dies tun, um so größeren Einfluss können sie auf
diese Schicksalsfrage europäischer Politik nehmen.
--
[1] The World Bank - Multipolarity: The New Global Economy
In: Global Development Horizons, Washington D.C., 2011
174 S., engl.
- [AG-GOuFP] China zur multipolaren Positionierung Europas, Karl Pitz, 23.09.2012
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- Re: [AG-GOuFP] China zur multipolaren Positionierung Europas, Pieter Hogeveen, 23.09.2012
- Re: [AG-GOuFP] China zur multipolaren Positionierung Europas, Gunnar Kaestle, 24.09.2012
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- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] China zur multipolaren Positionierung Europas, Pieter Hogeveen, 24.09.2012
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] China zur multipolaren Positionierung Europas, Pieter Hogeveen, 26.09.2012
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] China zur multipolaren Positionierung Europas, Pieter Hogeveen, 26.09.2012
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] China zur multipolaren Positionierung Europas, Pieter Hogeveen, 28.09.2012
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] China zur multipolaren Positionierung Europas, Pieter Hogeveen, 30.09.2012
- Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] China zur multipolaren Positionierung Europas, Pieter Hogeveen, 30.09.2012
- Re: [AG-GOuFP] Argumentationskette presentieren (was: China zur multipolaren Positionierung Europas), Gunnar Kaestle, 30.09.2012
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