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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Vorschlag eines Antrags zur Systemänderung (war: Freikarten)

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Vorschlag eines Antrags zur Systemänderung (war: Freikarten)


Chronologisch Thread 
  • From: Keox <piratkeox AT googlemail.com>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de, Alex Barth <alex.barth AT barth-ic.net>
  • Cc: Georg Cosmic Nägle <cosmic AT poetryclub.de>, Rudi <piratrudi AT gmx.de>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Vorschlag eines Antrags zur Systemänderung (war: Freikarten)
  • Date: Mon, 03 Sep 2012 02:51:03 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo,

Am 28.08.2012 14:38, schrieb Alexander Barth:


Eine Person bekommt „Kredit“ dafür, daß sie verspricht, eine konkrete
Leistung zu erbringen. So läuft das Gespräch normalerweise bei der Bank.
Die Bewertung der Marktfähigkeit der versprochenen Leistung (also der
Werthaltigkeit für andere Teilnehmer am System) und der Verlässlichkeit des
Schuldners macht die Bank. Diese Bank haftet dann auch für Ihre eigene
Fehlleistung bei dieser Bewertung. Damit haben die anderen Teilnehmer eine
erhöhte Sicherheit, daß der Schuldschein (oder Freikarte, nenn es wie Du
willst) des unbekannten und räumlich vielleicht gar nicht greifbaren
Leistungsnehmers verlässlich ist.



Bezahlt der Kreditnehmer dann mit seinem Kredit eine Leistung, wird sie zu
Geld, also einem Nachweis für erbrachte Leistung. Alle weiteren
Unterscheidungen zwischen Buchgeld und Zentralbankgeld sind reine
Epistemologie, und führen nur zu esoterischen Theorien.

Was meinst Du damit genau? Ich denke, dass ZB-Geld nebensächlich ist
(fast schon belanglos), weil es nachfragewirksam in Nichtbankenbesitz
lediglich materialisiertes Buchgeld (Geschäftsbankengeld) darstellt.
Bist Du da anderer Meinung?

Ganz entscheidend
ist nur, daß Kredit (und damit im zweiten Schritt Geld) ausschließlich zu
produktiven Zwecken, oder durch Beleihung von Sachwerten (Gold, Land, etc.)
entstehen darf.


Der Meinung bin ich auch, wobei ich dagegen bin, dass neues Geld geschöpft werden können sollte, um damit zu spekulieren, nur weil der Kreditnehmer über genügend Sicherheiten verfügt. Ich unterscheide zwischen echten Krediten (K-E - Verleihen von Geld durch Geldschöpfung) und Darlehen (Verleih von schon vorhandenem Geld/"Gespartem"). Echte Kredite erzeugen zusätzliche Kaufkraft/Nachfrage und verursachen Inflation, falls sie nicht für produktive Zwecke eingesetzt werden. Produktive (echte) Kredite erhöhen nicht nur die Gesamtnachfrage, sondern im Gegenzug auch das Angebot und sorgen dadurch für zusätzliche Einkommen mit denen die Schulden getilgt werden können. Darlehen dagegen stellen die Verlagerung von schon vorhandener Kaufkraft dar. Der Sparer verzichtet vorübergehend auf seine Kaufkraft, wodurch sie an den Darlehensnehmer verliehen werden kann, ohne dass dadurch die gesamte Nachfrage/Kaufkraft steigen kann.

Im fraktionalen Reservesystem sind die Kredite (K-FRS) der Banken aber
nicht zu 100% echte Kredite. Die K-FRS bestehen überwiegend aus
Darlehen, aber ein kleiner Teil sind echte Kredite. Im Einzelfall kann
nicht zwischen echten Krediten und Darlehen unterschieden werden. Aus
folgenden Gründen: Banken schöpfen zwar bei Kreditvergabe neue
Sichtguthaben. Aber es werden im selben Zeitraum auch alte Kredite mit
alten Sichtgtuhaben getilgt und alte und neue Sichtguthaben gespart,
wodurch parallel ständig auch Sichtguthaben vernichtet werden. Dadurch
verwischen die Grenzen. Trotzdem lässt sich anhand des Anstiegs der
Sichtguthabenmenge feststellen, wieviel zusätzliche Kaufkraft durch
Vergabe von K-FRS erzeugt wurde. Dieser Zuwachs lag in der Vergangenheit
zwischen 8% und 10% pro Jahr. Es wäre vielleicht möglich das fraktionale
Reservesystem aufrechtzuerhalten, indem den Banken Quoten für produktive
und unproduktive (spekulation + Konsum) Kredite vorgeschrieben werden.
Aber das wäre wohl zu beliebig, zu leicht rückgängig zu machen und zu
ungenau.

Deshalb halte ich ein 100%-Mindestreservesystem für die beste
Möglichkeit zu gewährleisten, dass neue Kaufkraft ausschließlich für
produktive Zwecke verwendet wird. Nebenbei werden die Schulden der
öffentlichen Hand in Deutschland um etwa 1.000 Mrd. halbiert. Nach Huber
(Monetative) oder Fisher (Währungsbehörde) soll eine staatliche
Institution bestimmen wieviel neues Geld von der Wirtschaft benötigt
wird und es dem Staat gutschreiben, damit es durch Staatsausgaben in den
Wirtschaftskreislauf gelangen kann. Dadurch könnte sicher gestellt
werden, dass neue Kaufkraft nicht für Spekulationen verwendet wird.
Falls die neue Kaufkraft zum Beispiel als Bürgerdividende verteilt wird,
würde sie überwiegend in den Konsum fliessen. Deshalb sollte man sich
überlegen, was getan werden kann, damit neue Kaufkraft nur für
produktive Zwecke eingesetzt wird. Der Staat könnte das zusätzliche Geld
zum Beispiel nicht ausgeben, sondern dafür sorgen, dass staatliche (KfW
oder IKB) oder öffentlich-rechtliche (Sparkassen) Banken es an kleine
und mittelständische Unternehmen verleihen.
Falls für den Verleih dieses neuen Geldes Zinsen verlangt werden, würde
der Staat die Seigniorage nicht einmalig realisieren, sondern eben nur
dauerhaft über Zinsen. Im Extremfall könnte er auch veranlassen, dass
die Kreditzinsen nur die Kosten der Banken abdecken, so dass kein Gewinn
(Seigniorage) entstände. Solche Verluste (entgangenge Seigniorage)
sollten aber durch höhere Steuereinnahmen kompensiert werden können.



Es ginge vielleicht aber auch anders. Inzwischen favorisiere ich
folgendes System:

- Einführung der 100%-Mindestreservepflicht auf Sichtguthaben. Dadurch
lassen sich die Schulden der öffentlichen Hand in Deutschland um die
Hälfte senken (etwa 1.000 Mrd. = jährlich etwa 30 Mrd. weniger Ausgaben
für die öffentlichen Haushalte)

- Vorübergehende Verstaatlichung aller Banken. Ab diesem Zeitpunkt dürften Banken keine spekulativen Investments mehr eingehen (kein Eigenhandel und auch keine Kredite an Spekulanten), sondern müssten sich auf das Kerngeschäft Kreditvergabe an die Realwirtschaft beschränken. Aber es gäbe eine Ausnahme: Mit Geld von Nichtbanken, die sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt hätten, dürfte weiter spekuliert werden. Die neuen Forderungen und Verbindlichkeiten aufgrund solcher Spekulationen müssten aber bilanziell von der gesamten alten Bilanz getrennt sein, damit beim Scheitern dieser Spekulationen nur noch jene Nichtbanken den Schaden tragen müssten, welche dieses Risiko ausdrücklich angenommen haben. Für diese neue separate "Spekulations-Bilanz" gäbe es keine Staatsgarantie. Dadurch sollten Rettungsmaßnahmen mit Steuerzahlergeld zukünftig ausgeschlossen werden. Neue normale Geschäfte im Zuge der Kreditvergabe an die Realwirtschaft würden in der alten Bilanz landen. Alle alten Bilanzposten die nichts mit der Kreditvergabe an die Realwirtschaft zu tun haben, müssten aus der alten Bilanz entfernt werden. Entweder durch Abschreibung oder schrittweisen Verkauf über einen notfalls langen Zeitraum. Sollte das Eigenkapital dadurch negativ werden, sollte der Staat über Vermögenssteuern genügend
Geld sammeln und natürlich sollten alle Forderungen aller Anteilseigner, Aktienbesitzer und Eigentümer gestrichen werden. Außerdem sollten die gesamten zukünftigen Gewinne der betroffenen Banken herangezogen werden, um ihre Verluste aus der Vergangenheit auszugleichen. Über eine Reprivatisierung kann diskutiert werden, sobald der gesamte Bankensektor alle spekulativen Forderungen aus seiner alten Bilanz entfernt hätte und über genügend positives Eigenkapital verfügen würde.

Nach dem gleichen Prinzip sollte mit den Versicherungen verfahren werden. Auch bei ihnen müssen alle alten Risiken, die auf der Versicherung von Spekulationen beruhen, aus der alten Bilanz heraus. Neue spekulative Risiken müssten in eine neue separate Spekulationsbilanz.

- Nun zur Unterscheidung zwischen produktiven, spekulativen und
Konsumkrediten: Alles was mit der Finanzierung und Ermöglichung von
Spekulationen zu tun hat, käme wie oben beschrieben in separate
Spekulations-Bilanzen.

Prof. Werner hat hier schon mal einige Arten von spekulative Krediten aufgelistet:

-- Margin loans (credit for financial speculation)

-- Loans to non-bank financial institutions

-- Credit for real estate speculation:
--- to construction companies
--- Mortgages, buy-to-let mortgages (Buy-to-let mortgage is a mortgage arrangement in which an investor borrows money to purchase property in the private rented sector in order to let it out to tenants)
--- real estate investment funds, other financial investors

-- Loans to structured investment vehicles

-- Loans to Hedge Fonds

-- Loans for M&A (Mergers & Acquisitions deutsch: Fusionen und Übernahmen)

-- Loans to Private Equity Funds

-- Direct financial investments by banks


Wie schon erwähnt ist es wichtig, dass nur schon vorhandenes Geld und auch nur Geld von Sparern oder "Investoren", welche ausdrücklich damit einverstanden sind und das volle Risiko tragen, zur Finanzierung von Spekulationen verwendet werden sollte. Beides sollte mit Einführung des 100%-Mindestreservesystems und den neuen Spekulationsbilanzen bei Banken und Versicherungen erreicht werden. Darüberhinaus könnte es weiterhin Finanzunternehmen ohne Banklizenz geben, welche Spekulationsgeschäfte durch Finanzierung ihrer Kunden tätigen. Weitere Maßnahmen zur Eindämmung von Spekulationen wären natürlich notwendig. Das sollte aber in anderen Anträgen formuliert werden. (z.B. Finanztransaktionssteuer, Verbot für Banken ihre Kreditforderungen zu verbriefen, Verbot für Banken Finanzprodukte als Sicherheiten zu akzeptieren usw.)

Konsumkredite sollten auch ausschließlich durch schon vorhandenes Geld von Sparern durch Banken vergeben werden. Da Konsumkredite nur nachfragewirksam sind, aber nicht das Angebot erhöhen ist es wichtig, dass kein neu geschöpftes Geld dafür verwendet wird. Dadurch wird gewährleistet, dass die Gesamtnachfrage gleich hoch bleibt, weil Konsumkredite nur möglich wären, wenn vorher ein Sparer auf seine Nachfrage durch sein Sparen vorübergehend verzichtet hätte. Bei Konsumkrediten durch neu geschöpftes Geld wäre das anders, weshalb so etwas auch vermieden werden sollte. Denn dadurch würde mit neuer zusätzlicher Kaufkraft nachgefragt werden, ohne das Angebot zu erhöhen. Die Gesamtnachfrage würde steigen, ohne dass das Angebot mitwachsen würde, was Inflation zur Folge hätte. Banken sollten Konsumkredite nur aufgrund ihrer Sparer vergeben dürfen. Die Zinshöhe würde der Markt bestimmen.

Produktive Kredite: Darunter fallen hauptsächlich Kredite an Unternehmen. Es wäre möglich den Banken (zumindest den öffentlich-rechtlichen) unbegrenzt zinslosen ZB-Kredit für die Vergabe von produktiven Krediten zu gewähren. Inflation sollte dadurch nicht entstehen, weil solche Kredite nicht nur die Nachfrage, sondern auch das Angebot erhöhen und für zusätzliches Einkommen sorgen, um die Kredite tilgen zu können. Bei Kredittilgung durch die Unternehmen würden die Banken mit dem Geld ihrerseits die ZB-Kredite tilgen, so dass das Geld dem Kreislauf wieder entzogen wäre. Kredite an Unternehmen durch Sparer wären weiterhin möglich, würden sich aber nur auf Banken oder Finanzunternehmen beschränken, die keine zinslosen ZB-Kredite bekämen.

Trotz der Geldmengenerhöhung durch produktive Kredite müsste die dauerhafte Grundgeldmenge über Seigniorage erhöht werden. Dafür wäre dann die ZB zuständig.

Problematisch sollte die scharfe Trennung zwischen produktiven, spekulativen und Konsumkrediten werden. Prof. Werner hat schon eine Liste von spekulativen Krediten erstellt. Unsere Aufgabe wäre es mit Hilfe von Experten (Werner, Otte, financewatch und anderen) eine möglichst vollständige Liste für alle drei Arten zu erstellen. Alle Kredite die sich nicht eindeutig zuordnen lassen, sollten automatisch in die Kategorie Konsumkredite fallen.



Was haltet ihr von diesem Vorschlag? Er enthält die Übertragung der Geldschöpfung in öffentliche Hände und auch ein Trennbankensystem. Ich würde dazu gerne einen Antrag formulieren und einreichen.


Gruß Keox







--
Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und
hat's gemacht.

http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik
http://wiki.piratenpartei.de/BE:Squads/Geldordnung
http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/ThemaGegenwaertigesGeldsystem
: wird noch erweitert.
http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/ThemaVollgeldreform:
wird noch erweitert.

Inhalt meines Trollfilters: Enter-Mario, Oliver aus der FDP,




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