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- Subject: Re: [AG-GOuFP] Flassbeck
- Date: Tue, 21 Aug 2012 15:45:55 +0200
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Am 21.08.2012 15:40, schrieb Peter
Wittfeld:
Trennt euch!
Von Heiner Flassbeck
Wirtschaft und Markt, September
2012
Kennen Sie das auch? Man trifft
auf Paare, wo man schon nach fünf Minuten weiß, dass sich da
zwei Menschen miteinander quälen, die sich nichts mehr zu
sagen haben und auch sonst geistig längst getrennte Wege
gehen. Dennoch schaffen sie es nicht, sich und dem anderen
genau das einzugestehen. Würden Sie es tun, hätten vielleicht
beide noch einmal eine neue Chance auf ein bisschen Glück.
Auch könnten sie bis an ihr Lebensende gute Freunde bleiben
und die Jahre des Gegeneinanderlebens vergessen. Aber nein,
allzu oft gelingt das nicht, weil das Ende mit Schrecken doch
so schrecklich erscheint, dass der Schrecken ohne Ende
vorgezogen wird.
So ist das mit dem Euro. Stellen
wir uns vor, eines Freitags würde eine europäische
Gipfelkonferenz einberufen und am Sonntag Abend verkündete man
der überraschten Weltöffentlichkeit, dass man sich darauf
geeinigt hat, in Zukunft in aller Freundschaft getrennte Wege
zu gehen. Man werde am Montag die Grenzen für alle größeren
Geldüberweisungen so lange schließen und die Warenströme
einschränken bis es allen Ländern gelungen sei, die Einführung
einer nationalen Währung technisch sauber vorzubereiten, auch
wenn das mehrere Monate dauern könne. Man habe sich auch schon
auf neue Wechselkurse und andere Umstellungsmodalitäten
geeinigt und auf diese Weise dafür gesorgt, dass nach der
Rückeinführung nationaler Währungen alle Länder gleiche
Chancen auf dem Weltmarkt hätten, was natürlich bedeutete,
dass die neue D-Mark gegenüber den anderen Währungen kräftig
aufwerten müsse. Alle Politiker hätten sich in die Hand
versprochen, die Hetz- und Hämeattacken gegen Nachbarländer
sofort einzustellen und zu prüfen, wie weit eine
Zusammenarbeit in Zukunft im Rahmen der EU noch möglich und
sinnvoll sei, ohne dass es zu neuen Ausschreitungen dieser Art
kommt.
Machen wir uns nichts vor. Es hat
nicht sein sollen. Der Euro war eigentlich eine gute Idee, nur
zu wenige haben es verstanden. Normale nationale
Wirtschaftspolitiker können einfach nicht internationale
Währungsunion und die europäischen Verantwortlichen sind an
ihrer eigenen Wirtschaftsideologie gescheitert. Im Kern aber
ist dieser Versuch, ein solch anspruchsvolles System in Europa
aufzubauen, an der Unfähigkeit der Ökonomen gescheitert, ihr
eigenes Fach zu verstehen. Bis in die höchste Spitze der
Europäischen Zentralbank hinein – die ersten beiden
Chefvolkswirte, Otmar Issing und Jürgen Stark, verantwortlich
immerhin von den ersten Tagen bis 2011, waren zudem Deutsche –
haben Ökonomen gesessen, die nie verstanden haben, wozu eine
Währungsunion gut ist und welche Art von Politik sie von den
Einzelstaaten verlangt. Dass ausgerechnet die beiden heute
durch die Lande ziehen und lautstark die südeuropäischen
Länder für alle Probleme verantwortlich erklären, weil sie die
unsinnige deutschen Austeritätsorthodoxie nicht konsequent
genug anwendeten und Deutschland zum Zahlmeister machten,
gehört zu den Tollheiten der Weltgeschichte.
Aber, tempi passati, vergessen
wir’s. Niemand wird das mehr ändern und deswegen kann es jetzt
nur noch darum gehen, den Schaden zu begrenzen. Zu den
gewaltigen wirtschaftlichen Schäden, die der deutsche
Sparzwang produziert, kommt nämlich jetzt ein noch viel
größerer politischer Schaden. Deutschland verlangt etwas
Unmögliches von den Ländern mit Leistungsbilanzdefiziten. Es
verlangt, dass mitten in einer Rezession, in der die Privaten
mehr zu sparen versuchen, auch noch vom Staat Sparversuche
unternommen werden, die die öffentlichen Defizite reduzieren
sollen. Weil das objektiv nicht funktionieren kann, aber
Horden engstirniger deutscher Provinzpolitiker genau diesen
Zusammenhang nicht begreifen oder nicht begreifen wollen,
schütten sie Tag für Tag Kübel voller Häme und Gehässigkeiten
über den Südländern aus.
Dort kommt das naturgemäß als
Angriff auf die nationale Integrität und die Würde des eigenen
Volkes an. Das aber ist das Schlimmste, was in Europa
überhaupt passieren kann, weil das alte Ressentiments weckt
und neue Feindschaft erzeugt. Wenn es so weitergeht und
angesichts des irrsinnigen wirtschaftspolitischen Programms
muss es so weitergehen, riskieren wir die Demokratie und den
Frieden in Europa. Das genau ist die Währungsunion nicht wert.
Also kann man nur allen zurufen:
Trennt euch. Statt weiter an dem unverdaulichen Brei zu
würgen, den Deutschland den anderen Ländern verschrieben hat,
sollten sie (womöglich einige gemeinsam) alle Kraft darauf
verwenden, halbwegs geordnet auszusteigen. Weil das technisch
extrem schwierig und langwierig ist, muss man vorübergehend
mit Notstandsmaßnahmen europäische Oberziele, wie die Freiheit
des Kapital- und Güterverkehrs, aussetzen. Wichtigstes Ziel
aller aussteigenden Länder muss es allerdings sein, ihre
internationale Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen, was nur
mit einer massiven Abwertung der neuen Währung gegenüber den
neuen D-Mark oder der neuen Nord-Währung geht.
Auf Deutschland rollt bei diesem
Szenario ein wirtschaftlicher Tsunami der höchsten Kategorie
zu. Da inzwischen mit etwa 50 Prozent Exportanteil (am
Bruttoinlandsprodukt) extrem exportabhängig, wird eine starke
Aufwertung der deutschen Währung die Wirtschaft für viel Jahre
zurückwerfen und Millionen Arbeitsplätze kosten. Schlimmer
noch, Deutschland muss ein Modell der Wirtschaftspolitik
finden, bei dem die Wirtschaft auch mit
Leistungsbilanzdefiziten, denn die wird es geben, wachsen und
Arbeitsplätze schaffen kann. Das wird schwer. Wenn der
Exportjunkie von der Spritze genommen wird, bleibt zunächst
kein Stein auf dem anderen. Die gesamte politische Elite wird
abtreten müssen, um dahin zu kommen. Aber es gibt keinen
anderen Weg. Das einzige worauf wir hoffen und hinarbeiten
müssen, ist, dass auf dem Weg dorthin nicht das gesamte Volk
eine Abzweigung nach rechts nimmt und in einer Sackgasse
endet, die auch wieder nur dazu führt, dass die angestaute Wut
sich auf die anderen richtet, anstatt zu sehen, wie viele und
wie schwere Fehler das eigene Volk in den ersten Jahren des
neuen Jahrhunderts gemacht hat.
Ich möchte nur anmerken, dass ich die Ansicht von Herrn Flassbeck teile. Die Lösung der wirtschaftliche Tsunami mit dem www.bandbreitenmodell.de verhindert werden kann! Herzlichen Gruß, Peter Ein klasse Artikel von Flassbeck! Die Einleitung war mit etwas zu pathetisch aber dann kommt er wirklich zur Sache und alles wird gut. Das sollten sich viele Menschen durchlesen. Einmal, zweimal, dreimal... bis es wirklich JEDER verstanden hat. und dann entschlossen handeln! |
- [AG-GOuFP] Flassbeck, Peter Wittfeld, 21.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Flassbeck, ukw, 21.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Flassbeck, Christoph Ulrich Mayer, 22.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Flassbeck, Sascha Maus, 22.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Flassbeck, Patrik Pekrul, 22.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Flassbeck, Buzz, 22.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Flassbeck, Rolf Müller, 22.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Flassbeck, Pieter Hogeveen, 22.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Flassbeck, alex, 23.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Flassbeck, Sascha Maus, 23.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Flassbeck, Thomas Irmer / ID Concept, 28.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Flassbeck, Thomas Irmer / ID Concept, 28.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Flassbeck, alex, 23.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Flassbeck, Pieter Hogeveen, 22.08.2012
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