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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Info zum S&P Workshop

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Info zum S&P Workshop


Chronologisch Thread 
  • From: René Röderstein <rene.roederstein AT piratenpartei-nrw.de>
  • To: Enter-Mario <pirat AT ubema.de>
  • Cc: AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Info zum S&P Workshop
  • Date: Thu, 31 May 2012 11:56:03 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Die Frage nach dem Wert eines Ratings haben wir uns auch gestellt.
Auch wenn S&P sich selbst eine hohe Erfolgsquote bei der Vorhersage von Kreditausfällen attestiert, stellt sich immer das Problem, dass bei Prognosen Statistiken (also "alte" Zahlen) herangezogen werden. Aus Statistiken eine Funktion zu ermitteln und auf die Zukunft zu extrapolieren ist mathematisch nicht sehr kompliziert. Spannend wird es, wenn die Einflüsse von neuen Rahmenbedingungen in die Prognose mit einfließen sollen. Das ist dann der qualitative Teil des Ratings, in dem der Analyst seine persönliche Einschätzung mit einbringt (im Zweifel hast Du hier von X "Experten" vermutlich genauso viele unterschiedliche Meinungen).
Dass Ratings in Extremsituationen anscheinend nicht wirklich gut waren, haben wir ja bei der Lehman Pleite bzw. der Finanzkrise insgesamt gesehen. In der S&P Fehlerstatistik tauchen allerdings die Banken nicht auf, die es zwar aus eigener Kraft nicht geschafft hätten, dank Staatshilfe aber trotzdem nicht "ausgefallen" sind. Insofern: waren die Agenturen so weitsichtig, dass sie die Staatshilfe antizipiert und somit ein richtiges Rating abgeben haben ;-)?

Ob sich das BRD Rating bei zugrunde legen der "wahren" Zahlen ändern würde, keine Ahnung. Zum einen weiß ich nicht welche Daten einfließen. Zum anderen gibt das Rating ja nur eine relative Kreditausfallwahrscheinlichkeit wieder: d.h. wenn alle im gleichen Maße die Zahlen schönen, wären wir immer noch der Einäugige unter den Blinden und behalten unser AAA.

Grundsätzlich denke ich, dass der Wert eines Rating im Bewertungsprozess selbst liegt: wenn ich Schritt für Schritt nachvollziehen kann, was die Agenturen geprüft haben, welche Schlüsse sie an welcher Stelle gezogen und welche Teilergebnisse sie ermittelt haben, bekomme ich zumindest einen Überblick über die Zusammenhänge und kann im Zweifel zu einem eigenen Ergebnis kommen (Stichwort Transparenz).

Gruß - René.

Am 31.05.2012 11:05, schrieb Enter-Mario:
@René +1 ... vielen Dank für Deinen Bericht über S&P (Standard& Poors)!

Hieraus ergibt sich für mich (ehemaliger Börsenmakler zwischen 1985 - 1990)
folgende Frage:

Wenn sich z. B. das Rating von S&P auf VORHANDENE Daten (der Regierung bzw.
der Behörden) bezieht, diese Daten - siehe die völlig verschleierten Gesamtzahlen
in der BRD von der
Bundesagentur für Arbeit - aber komplett Statistikfälschungen unterliegen, wie können
dann deren Ergebnisse "richtig" sein.

Beispielsweise gibt es in Deutschland im Prinzip zwischen 11 bis 12 Millionen "Arbeitslose" nach
den Definitionen der "Arbeitslosigkeit" vor der Regierung "Schröder" (SPD). Also
in der Summe die ALG-I plus ALG-II plus die Sozialgeld-Empfänger, die Mini-Rentner, die
"Zuverdiener" und "Aufstocker" (halt alle "prekär Beschäftigten").

Die "Normal-Fälschungsstatistik" wirft aber "nur" ca. 3 Millionen "Arbeitslose" aus. Also
alle ALG-II sowie die "Umschüler", "Maßnahme-(Zwangs)-Teilnehmer usw. Statistik fälschend
herausgerechnet für Deutschland aus.

Wenn nun S&P (oder Moody´s etc.) die WAHREN, echten, Arbeitsmarktzahlen für Deutschland
zu Grunde legen würden (plus die WIRKLICHE "Verschuldung") WELCHE gravierende
VERSCHLECHTERUNG hätte denn dann unser Land vor den Augen dieser "Rater"?

Grüße

Enter-Mario



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ag-geldordnung-und-finanzpolitik-bounces AT lists.piratenpartei.de
[mailto:ag-geldordnung-und-finanzpolitik-bounces AT lists.piratenpartei.de] Im
Auftrag von René Röderstein
Gesendet: Mittwoch, 30. Mai 2012 18:07
An: AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: [AG-GOuFP] Info zum S&P Workshop

Ahoi,

gestern haben Rolf Müller und ich einen S&P Workshop in Berlin besucht, in dem
S&P ihre Arbeitsweise vorstellen wollte und für Fragen und Diskussionen zum Thema
Ratings zur Verfügung stand.
Von S&P Seite waren anwesend: Torsten Hinrichs, Moritz Kraemer, Tobias Mock
und Markus Schmaus. Neben Rolf und mir waren verschiedene Ministerialbeamte vom
Finanz- und vom Wirtschaftsministerium da, Vertreter einiger Bundestagsfraktionen
und ein Vertreter von Attac.
Mein Eindruck ist, dass sich S&P um Transparenz bemüht. Sicherlich auch als
Folge des öffentlichen Drucks, werden viele Details zur Rating-Methode und zu den
Rating-Ergebnissen auf der Web-Seite veröffentlicht, was nicht immer der Fall
gewesen ist. Einige unserer Nachfragen zu Details der Bewertungsverfahren, sollen
noch per Mail beantwortet und uns weitere Unterlagen zur Verfügung gestellt
werden.
Für die, die es interessiert, leiten wir die Infos gerne weiter.
Zur Erstellung eines Ratings, zieht S&P verfügbare Quellen heran, die z.B. vom zu
bewertenden Unternehmen / Staat stammen. D.H. es werden keine eigenen Daten erhoben
und die Qualität des Ratings hängt von der Qualität der verfügbaren Daten ab. Bei zu
schlechter Datenqualität (oder offensichtlich falschen Daten) verweigert S&P ein
Rating, was aber bei einem EU Staat noch nicht vorgekommen ist. Das Rating selbst
gibt dann die Einschätzung der Agentur wieder, wie die relative Wahrscheinlichkeit
eines Kreditausfalls ist. Ausfall heißt, dass ein Kredit nicht zum vereinbarten
Zeitpunkt in der vereinbarten Höhe zurückgezahlt wird.
Relative Wahrscheinlichkeit heißt, dass z.B. die Ausfallwahrscheinlichkeit
bei einem AAA Rating geringer ist, als bei einem AA Rating. Über die absolute
Ausfallwahrscheinlichkeit wird damit keine Aussage getroffen.
Nicht so offen war man in Puncto Aufwand und Kosten für ein Rating: z.B.
wieviel Personentage investiert S&P um einen Staat wie Griechenland zu
bewerten und was wird dafür in Rechnung gestellt. Diese Fragen wollte man nicht
beantworten.
Interessant war, dass Herr Hinrichs immer wieder betont hat, dass ein Rating nur eine
Meinung ist, auf die man sich nicht alleine verlassen sollte. Demzufolge plädiert S&P
auch dafür, die Rolle der Agenturen im Rahmen der Basel Gesetzgebung abzuschwächen und
den Banken wieder mehr Eigenverantwortung bei der Kreditprüfung zu übertragen. S&P
hätte sich schon bei der Erarbeitung der Basel II Richtlinien dagegen ausgesprochen, die
Rolle der Agenturen durch Aufnahme in die Gesetzestexte zu sehr aufzuwerten. Vermutlich
verzichtet S&P gerne auf etwas Einfluss, wenn sie dadurch weniger oft in die
Schusslinie kommen.
Rolf und ich hatten im Vorfeld darüber gesprochen, dass die Anforderungen an
Transparenz und demokratische Kontrolle mit dem Einfluss steigen muss, den
eine Handlung oder eine Institution hat. Im Falle von Staatenratings ist der
Einfluss sicherlich so groß, dass jede Berechnung und jede einzelne Annahme,
die letztendlich zu einer Bewertung geführt haben, offengelegt werden müssen.
Nach der aktuell gültigen Richtlinie können die Agenturen die Offenlegung von
Teilen des Verfahren, die sie als Geschäftsgeheimnisse deklarieren,
verweigern.
Hier sollten wir ein Maximum an Transparenz fordern.

Gruß - René.

--
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