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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] sachwertgebundenes regionales Vollgeld

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] sachwertgebundenes regionales Vollgeld


Chronologisch Thread 
  • From: Heinz-Ulrich Eisner <hueisner AT web.de>
  • Cc: ag Geldordnung <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] sachwertgebundenes regionales Vollgeld
  • Date: Fri, 24 Feb 2012 17:48:50 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Am 24.02.2012 01:22, schrieb Nicolai Haehnle:
Hallo Heinz-Ulrich,

erst einmal vielen Dank dafür, dass du hier so ein Konzept vorstellst.

Grundsätzlich finde ich Experimente zu alternativem Geld
unterstützenswert in dem Sinne, dass etwaige gesetzliche Hürden zu
deren Aufbau abgeschafft werden sollten. Ich sehe das so wie du, dass
eine Umwälzung des Systems von unten her zumindest ermöglicht werden
sollte. Ich bin eher skeptisch bezüglich der Frage, ob das wirklich
passieren wird, aber wer weiß...

Nun ein paar Kommentare ganz konkret zu Aspekten von deinem Vorschlag:

1. Der Kubik soll rein elektronisch existieren.
Da gibt es natürlich Bedenken, was die Privatsphäre angeht.
Die teile ich. Ich bin grundsätzlich für eine vielfältigere Geldlandschaft, es sollte in jedem Fall auch Bargelder geben - die sind für die Nutzer vermutlich etwas teurer.
Außerdem
gibt es ein gewisses Problem der Akzeptanz. Mit Papiergeld kann ich
eine andere Person zum Systemnutzer machen einfach indem ich ihm einen
Schein in die Hand drücke. Beim elektronischen System muss jeder
Kubik-Nutzer dem System explizit beitreten. Das ist eine Hürde, die
ich nicht vernachlässigen würde. Mit der Verbreitung von Smartphones
wird das womöglich unproblematischer, aber man muss das Problem in
jedem Fall ernst nehmen.

2. Rücktausch von Kubik in € ist nicht möglich.
Das sehe ich als Problem für die anfängliche Akzeptanz der
Alternativwährung. Was macht ein Unternehmen, das mehr Kubik einnimmt,
als es für Zahlung der Rechnung an die Stadtwerke gebrauchen kann?
Da der Kubik kein gesetzliches Zahlungsmittel ist, kann jeder selbst bestimmen, wieviel er/sie annimmt. Konkret stelle ich mir das so vor, dass jedeR NutzerIn zu seinem bestehenden €-Konto ein paralleles Kubikkonto einrichtet. Wenn ich mit der Kubikkarte bezahle, fragt die Software automatisch ab, wieviel % Kubik der Einzelhändler akzeptiert, und entsprechend wird die Zahlung zwischen den Konten gesplittet. Dementsprechend können alle Kubik-NutzerInnen jederzeit ihr Konto entsprechend einstellen. Wenn ein Arbeitnehmer der Stadtwerke, der sonst 30% Kubik annimmt, weiß, dass er demnächst in Urlaub fährt, stellt er seine Akzeptanz einfach für 2 Monate auf 0, damit er dann entsprechend € auf dem Konto hat.
Diese Bedenken könnte man womöglich zerstreuen, indem man in
Kooperation mit der Stadt die Kubiks auch für die Bezahlung von
Steuern einsetzbar macht.
Das ist in jedem Fall auch im Interesse der Stadt. Im gegebenen Konzept wird der Kubik von Stadt, KVV und Stadtwerken für alle Leistungen akzeptiert, also neben Wasser, Wärme, Gas und Strom auch Grundsteuer, Gewerbesteuer, Abwasser, ÖPNV etc.

3. Es wird sich ein Wechselkurs entsprechend Angebot und Nachfrage einstellen.
De facto fixieren zumindest zu Beginn des Systems die Stadtwerke den
Wechselkurs, indem sie den Preis für einen Kubikmeter Wasser in €
festlegen.
Da der Nutzer immer einstellen kann wieviel er annimmt, ist das nur ein Notfall-Szenario. Mir ging es dabei darum festzustellen, dass keine Zwangskurse (wie z.B. beim WIR-Franken) erforderlich sind. Natürlich wird sich der Preis immer in der Nähe des €-Preises für Kubik befinden. Wenn Leute das als krisensichere Sparmöglichkeit begreifen, steigt er vielleicht mal etwas höher (vgl. Konditionen für BRD oder CH-Staatsanleihen anfang des Jahres), wenn solche Sparanlagen aufgelöst werden, fällt er vielleicht darunter. Ich erwarte durch die reale Ankerung aber keine großen Ausschläge, zum Spekulieren taugt das mE nicht.

Hier zur Erklärung: Sagen wir, die Stadtwerke verlangen X € für einen
Kubikmeter Wasser (wenn man nicht in Kubik bezahlt). Wenn man auf dem
Devisenmarkt weniger als X € für einen Kubik bezahlt, dann werden die
Kunden, die keine Kubik haben, am Devisenmarkt Euro gegen Kubik
tauschen und dann mit diesen Kubik bezahlen. Dadurch sparen sie Geld,
und der Preis für Kubik auf dem Devisenmarkt wird teurer. Wenn man auf
dem Devisenmarkt mehr als X € für einen Kubik bezahlt, dann werden die
Kunden, die Kubik haben, ihre Stadtwerksrechnung mit Euro bezahlen,
nachdem sie ihre Kubik gegen Euro getauscht haben.

Diese Wechselkurskorrektur funktioniert natürlich nur so lange, wie
der Umsatz der Stadtwerke (plus Steuern der Stadt, falls die auch in
Kubik bezahlt werden können) relativ groß ist im Vergleich zu den
Umsätzen, die zum Bewegen des Devisenmarkts benötigt werden.

4. Das Dokument ist nicht konsistent was die Werterhaltungsfunktion
von Geld angeht. An einer Stelle schreibst du, dass jährlich 2%
Betriebskosten auf Guthaben erhoben wird. An anderer Stelle aber
schreibst du, dass der Kubik attraktiv sein soll, weil er mangels
Inflation seinen Wert besser behält. Da ist irgendwas nicht ganz
stimmig ;)
Ich halte es für zwingend, dass eine klare Trennung zwischen Zahlungsmittelkonten und Guthabenkonten exitiert. Die Betriebskosten werden nur auf die Zahlungsmittelkonten erhoben. Wenn ein Nutzer seine Kubik längerfristig spart, sprich auf ein Konto mit einer längeren Kündigungsfrist überweist, kann die Bank sie weiter verleihen (so wie sich die meisten Leute das vorstellen), und entsprechend zahlt der Kreditnehmer, der dann ja über das Zahlungsmittel verfügt, die Liquiditätsgebühr. Diese Trennung ist auch bei einem Vollgeldsystem wie von der Monetative vorgeschlagen erforderlich, sonst kann die Geldschöpfung durch die Banken nicht verhindert werden.

Abschließend würde ich noch sagen, dass ich die Preisfixierung via
Wasser deutlich sympathischer finde als die Preisfixierung via Gold,
und mir deine Idee auch von daher sympathisch ist.
Gold bleibt letztendlich immer ein spekulativer Wert - man muß es erst verkaufen, um dann mit dem erworbenen Zahlungsmittel seine Ausgaben zu bestreiten (dass reales Gold nochmal bei uns konkretes Alltagszahlungsmittel wird, halte ich für sehr unwahrscheinlich und auch nicht wünschenswert). Da Wasser ein konkretes Nutz-und Verbrauchsgut ist, ist es dem Gold auch unter Sicherheitsaspekten überlegen - du kannst damit deinen ganz konkreten eigenen Bedarf decken.
Noch besser finde
ich nur die Preisfixierung (bzw. genauer gesagt die
Preisunterschranke) via Arbeitsleistung, die den Kerngedanken der
sogenannten Job-Garantie ausmacht.

Schöne Grüße,
Nicolai





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