ag-drogen AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik
Listenarchiv
Re: [Drogen- und Suchtpolitik] neuer Masterplan(??) Drogen als 2. Politik-Hauptthema, das polarisiert (neue Chancen zur übernächsten BTW)
Chronologisch Thread
- From: "Andreas Vivarelli (@Bestenfalls)" <vivarelli AT piratenpartei-nrw.de>
- To: ag-drogen AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [Drogen- und Suchtpolitik] neuer Masterplan(??) Drogen als 2. Politik-Hauptthema, das polarisiert (neue Chancen zur übernächsten BTW)
- Date: Fri, 30 Jun 2017 15:25:25 +0200
Hallo Christine, Lorenz, Liste,
ich Danke Christine für die Stellungnahme, sie spricht mir aus der Seele.
Dir Lorenz Dank für das Interesse an der piratigen Drogenpolitik.
Kurze Bemerkungen:
In Sachen LiquidFeedback1.0 kann ich nur sagen, dass mir dieses Tool bis
heute befremdlich ist, weil es mehr Chaos produziert, als dass es sich
als Meinungsfindungstool eignet. Schwarmintelligenz funktioniert leider
nur dann, wenn Mensch und Programm erkennt, dass nicht jeder zu jedem
Thema sachdienliche Hinweise kann. Anbei ein Vorschlag, der vielleicht
mal entwickelt wird:
https://github.com/KOLLEKTIV32/FixMyRepublic/wiki/Handout-F!xMyRepublic-(Langversion)
Unsere drogenpolitischen Programme zielen auf eine gesellschaftliche
Akzeptanz aller Drogenkonsumenten und eine objektive zum
selbstverantwortlichen, selbstbestimmten Leben ausgerichtete Aufklärung
mit Hilfe von Präventionsprogrammen ab. Niederschwelliger Zugang zur
Beratung/Hilfe bei problematischen Konsum, wenn gewünscht usw.
Sämtliche psychoaktiven Substanzen sollten aus dem klassischen
Einzelhandel in lizenzierten Fachgeschäften überführt werden.
Abgabemengen sind etwas individuelles und nicht vor zu geben. Ansonsten
trocknet nicht den Schwarzmarkt aus, die menschenverachtenden,
-unwürdigen bis tödlichen Folgen sind hinlänglich bekannt.
Unser Drogen- und Suchtprogramm
steht im Wiki, aber auch in den aktuellen Wahlprogrammen auf den Landes-
und Bundesseiten.
Viele der gelesenen Vorschläge sind tatsächlich als Rückschritt zu
betrachten und unser drogenpolitisches visionäres Neuland würde einen
berechtigten Imageschaden nehmen. Beachtenswert ist, dass die
"Opposition" bei uns bereits abgeschrieben hat....
Unsere Ideen fassen Fuß, ein Mosaik entsteht langsam, welches die lange
Zeit der Repression hinter sich läßt.
Wir treffen uns regelmäßig Dienstags im Mumble. 19:30 Uhr, schau doch
mal vorbei
Am 30.06.2017 um 13:55 schrieb christine zander:
> Hallo Lorenz,
>
> In der Diskussion geht es nicht um das „Recht auf
> Selbstzerstörung/Selbstschädigung“ sondern um das „Recht auf
> Selbstbestimmung“ Art.1 GG. Wie alle Substanzen besitzen sie ja nicht
> nur schädliche Wirkungen. Es kommt auf den Umgang damit an.
>
> Die Drogenprohibition erinnert mich immer an die Zeiten, als
> Homosexualität verboten und strafbar war und Homosexuelle als pervers
> galten. So grenzt man Menschen aus. Für rationelle Argumente war die
> Öffentlichkeit nicht zugänglich. Die Diskussion war ideologisch
> aufgeladen. Obwohl das Verbot seit 40 Jahren nicht mehr existiert, stößt
> man immer noch auf Vorurteile. Genauso widersinnig ist die
> Drogenprohibition.
>
> In unserer Gesellschaft ist nur der exzessive Konsum sichtbar, da Leute,
> denen ihr Leben und Ihre Freiheit wichtig sind, niemals ihren Konsum
> öffentlich machen werden – denn dann bist du gesellschaftlich tot. Die
> wenigsten Leute betreiben exzessiven Konsum. Die Gründe liegen dafür in
> der eignen Geschichte und haben weniger mit der Gefährlichkeit von
> Substanzen zu tun. Diese Menschen haben aufgrund ihrer eignen Geschichte
> einfach Probleme mit sich und der Gesellschaft klar zu kommen. Wenn man
> komplett zugedreht ist kann man nichts mehr fühlen. Da keine Droge
> Zauberkräfte besitzt, helfen sie natürlich nicht.
>
> Trotzdem halte ich nichts davon die Leute durch Karten zu gängeln.
> Beratung und Aufklärung müssen sein – aber jeder muss für sich selbst
> bestimmen können warum, wie und welche Drogen er konsumiert.
>
> Stell dir vor, du gehst mit einer Karte in den Supermarkt – und dir wird
> durch die Karte vorgeschrieben was du einkaufen sollst und wieviele
> Kalorien du essen darfst. Immer schön abgestimmt mit dem
> Body-Mass-Index. Wir müssen aufpassen, dass wir aus guten Motiven nicht
> das Falsche tun und alles überregulieren. Wichtig ist es, den Menschen
> ihre Selbstbestimmung zurück zu geben.
>
> LG, Christine
>
>> Am 29.06.2017 um 20:55 schrieb Lorenz Lassek <lorenz.lassek AT web.de
>> <mailto:lorenz.lassek AT web.de>>:
>>
>> Hallo zusammen,
>>
>>
>> Ich habe seit dem Hype vor ein paar Jahren den Kontakt zur
>> Piratenpartei verloren und habe jetzt eine Idee, wie man mit langem
>> Atem vielleicht wieder zurück auf die politische Bühne kommen könnte.
>> Mein persönlicher "Masterplan", den ich zur Diskussion stellen möchte.
>> Zunächst allgemeines vorweg bevor ich zum Thema Drogen und meiner Idee
>> dazu komme (Frage: wen könnte ich für die allgemeinen Ideen am besten
>> kontaktieren?)
>>
>>
>> Klare realpolitische Ansage: keine Koalition möglich, aber neben
>> Opposition gibt es noch die realpolitische Möglichkeit der Tolerierung
>> einer Regierung!!
>>
>> Abgeordnete der Piratenpartei würden sich keinem Koalitionszwang ergo
>> Fraktionszwang aussetzen (deshalb taugen die Piraten nur zur
>> Tolerierung einer Regierung), sondern stattdessen sich an den
>> Ergebnissen der liquid democracy Abstimmungen „orientieren“. Das
>> bringt Bewegung in die Politik!! Die Etablierung eines
>> funktionierenden liquid democracy-Abstimmungsmodell müsste oberste
>> Priorität haben!!
>>
>>
>> So wie es die SPD gerade geschafft hat, ein (gesamtpolitisch
>> betrachtet relativ) kleines Thema (Ehe für alle) durchzusetzen -
>> zunächst mit der Ansage "Ohne 'Ehe für alle' keinen künftigen
>> Koalitionsvertrag".
>>
>> Vergleichbar könnte man für eine Tolerierung einer Regierung durch
>> Piraten (neben dem obligatorischen Verzicht auf Ministerposten) die
>> Drogenlegalisierung verlangen (und vielleicht noch das Stellen des
>> Datenschutzbeauftragten). Der Datenschutz ist in der öffentlichen
>> Wahrnehmung insbesondere der Piratenpartei ja völlig in den
>> Hintergrund gerückt - ist halt leider so; kann man versuchen
>> entgegenzuwirken, aber das scheint zumindest momentan wohl kaum
>> aussichtsreich. Zumal die derzeitige Opposition ja diesbezüglich auch
>> nicht die allerschlechteste Oppositionsarbeit leistet. Daher braucht
>> es ein neues heftiges "Push-Thema" für einen Schub!
>>
>>
>> Zur Drogenpolitik habe ich nun eine Idee, die vielleicht (weiß ich
>> nicht) nicht so liberal ist wie es in der Piratenpartei bereits
>> Konsens ist(?), aber liberaler als alles was derzeit ernsthaft zur
>> Diskussion steht und m.E. mit der Riesenchance auf mediale Beachtung,
>> auf die alle Piraten gewartet haben und mit der Fähigkeit zu einer
>> gesellschaftlichen Mehrheit (auf lange Sicht):
>>
>>
>> Und dies möchte ich zur Diskussion stellen:
>>
>>
>> Bei der Diskussion um Drogen geht es m.M. viel zu oft (mehr oder
>> weniger direkt) um das "Recht auf Selbstzerstörung" (oder vorsichtiger
>> ausgedrückt: Selbstschädigung). Das ist gesamtgesellschaftlich
>> vermutlich kaum vermittelbar. Was völlig außer Acht gelassen wird,
>> ist, dass bei so gut wie allen(!) Drogen auch nicht-missbräuchlicher
>> Konsum MÖGLICH ist! Dies hängt zusammen mit den Konsumgewohnheiten und
>> damit mit den Konsummengen und die ließen sich im Zeitalter der
>> Digitalisierung festlegen:
>>
>>
>> Mengen, die auf einen nicht-missbräuchlichen Konsum schließen lassen,
>> können auf eine sogenannte "Drogen-Karte" rezeptfrei in Apotheken
>> gekauft werden. Auf dieser Drogenkarte werden lokal
>> (selbstverständlich ohne Speicherung irgendwo anders - geschweige denn
>> in Datenbanken!!) die gekauften Drogenmengen gespeichert (ggf.
>> Löschung von allen Einträgen älter als 12 Monate oder so). Sind in
>> dieser Variante datenschutzrechtliche Bedenken bereits ausgeräumt???
>>
>>
>> (Wahrscheinlich am besten dezentral möglich) gespeichert werden,
>> bräuchte nur, WER so eine Karte bereits besitzt – nix weiter. Zur
>> Einstiegshürde in den Drogenkonsum könnte man das Ausstellen dieser
>> Karte sehr teuer machen (so wie ja auch E-Zigaretten aufgrund des
>> relativ hohen Anschaffungspreises auch nicht zum Einstieg ins Rauchen
>> verleiten).
>>
>> Bei Gras könnte diese Menge z.B. bei 3 Gramm pro Woche liegen. Bei
>> anderen Drogen kenne ich mich weniger gut aus - 2 Gramm Kokain im
>> Quartal, 1 Dosis Heroin im Jahr, 3 Dosen Psylos im Jahr??? Darüber
>> müsste man mit Drogenexperten (am besten welche mit eigenen
>> Konsumerfahrungen) diskutieren. Wenn man für die Drogenkarte sehr viel
>> Geld verlangt, könnte man das auch noch mit dem obligatorischen(?!?)
>> Besuch eines Aufklärungsseminars über Risiken und v.a. safer use
>> verbinden - sozusagen so eine Art Drogenführerschein...(optional?)
>>
>> Wer anfällig für Risikokonsum ist, wird auch nicht sofort in den
>> Schwarzmarkt gedrängt, sondern wird versuchen, über wenig- oder
>> nicht-konsumierende Freunde und Bekannte mehr zu bekommen (Grund für
>> eine konservative Schätzung was nicht-missbräuchliche Mengen
>> betrifft!). Die Karte bräuchte vermutlich ein Foto, damit man nicht so
>> einfach die Karte von Bekannten benutzen kann. Wer damit scheitert,
>> muss auch noch nicht in den Schwarzmarkt, sondern hat dann die
>> Möglichkeit, sich vom Arzt mehr verschreiben zu lassen (z.B. evtl.
>> Methadon statt Heroin, wobei ich weiß, dass Methadon umstritten
>> ist...). Dort setzt dann die Suchtberatung an, Therapieplätze werden
>> angeboten etc. - Verschreibung von mehr Drogen z.B. zur Überbrückung
>> bis Therapiebeginn...
>>
>>
>> Eigenlob stinkt, aber ich finde dieses Konzept trotzdem genial. Und
>> bin auf konstruktive Kritik gespannt! Selbstverständlich sind viele
>> Details noch nicht ausgereift.
>>
>>
>> Ich habe von Problemen bei Methadon-Verkauf durch Apotheken in Wien
>> gehört, dass die oft (meist zu bestimmten Zeiten) völlig überlaufen
>> sind, was normale Kunden verständlicherweise abschreckt. Es gab
>> Apotheker, die deshalb ihren Standort aufgegeben haben! Das ganze
>> müsste also mit einem massiven Ausbau der Apotheken-Infrastruktur
>> geschehen. Weiterhin auch die Weiterbildung der Apotheker zur
>> Drogenberatung - nicht nur zum Thema "safer use", sondern auch zum
>> Thema "steigende Konsummengen" - sprich: Sucht.
>>
>> Je nach gesellschaftlicher Toleranz könnte man Apothekern freistellen,
>> aus Gewissensgründen keine Drogen anzubieten...
>>
>> Fraglich wäre weiterhin, ob auch online-Apotheken verkaufen dürfen
>> sollten. Hier könnte man vielleicht obligatorische Aufklärungsvideos
>> vor den Kauf schalten...
>>
>>
>> Weiterhin die Standard-Argumente für legalisierte Drogen,
>> wahrscheinlich hinlänglich bekannt:
>>
>>
>> 1. Trockenlegung des Drogenmafia-Sumpfes mit all seiner gefährlichen
>> (oft tödlichen!) Kriminalität, wozu ja auch die
>> Beschaffungskriminalität gehört. Eine Nische für Schwarzmarkt würde es
>> (nach meinem Modell) weiterhin geben, aber (so hoffe ich) nahezu
>> verschwindend kleine Nischen!
>>
>>
>> 2. Reiner weniger gesundheitsschädlicher Stoff statt unnötig
>> gefährliche gepanschte Scheiße beim Dealer
>>
>>
>> 3. Konsum minderndes „product design“. An die Stelle des Reiz des
>> Verbotenen tritt eine pharmakologisch-medizinisch-sterile Aura der Drogen!
>>
>>
>> Usw. usf.
>>
>>
>> Letztlich auch das „Recht auf Selbstschädigung“ eines mündigen Bürgers.
>>
>>
>> Alle Argumente müssten gewichtet werden und aufzeigen, dass falls ein
>> Argument eher schwach sein sollte (z.B.: „was ist mit den
>> gesellschaftlichen Folgekosten des Rechts auf Selbstschädigung?“), es
>> nicht gleich durch die Argumente gegen eine Legalisierung (welche
>> überhaupt?!) ausgestochen wird. Es muss sehr deutlich gemacht werden,
>> dass das Gesamtpaket an Argumenten betrachtet werden muss!
>>
>>
>> Liebe Grüße, oder sagt man ahoi?
>>
>> Lorenz Lasek
>>
>>
>> PS: Ja, der Apothekenverkauf von Drogen soll alle Drogen betreffen,
>> denn was die gefährlichsten aller Drogen (z.B. Chrystal Meth,
>> Carfentanyl) betrifft, so gibt es diese erst durch die folgenden
>> Anreize aufgrund der staatlichen Prohibition und sie werden wohl mit
>> der Zeit der Legalisierung marginalisiert oder sogar ganz verschwinden:
>>
>>
>> (1) Produktion unerforschter Stoffe (legal highs), die häufig
>> gefährlicher als existierende sind, um Verbote zu umgehen.
>>
>> (2) Produktion synthetischer Stoffe, da mit geringerem footprint als
>> Pflanzenzucht möglich (Entdeckungsrisiko).
>>
>> (3) Produktion besonders stark wirkender Substanzen, um beim
>> Schmuggel, Transport und Verkauf möglichst viel "bang" aufs Volumen zu
>> bekommen. Zur Zeit der Alkoholprohibition kauften die Leute weniger
>> Bier und Wein und stiegen auf Vodka o.ä. um.
>>
>>
>> PPS: Über eine Übertragung dieses Modells auch auf Alkohol in
>> speziellen Liquor-Shops wie in einigen skandinavischen Ländern möchte
>> ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht diskutieren – könnte aber auf sehr
>> lange Sicht auch interessante Perspektiven bieten...
>>
>>
>> --
>> ag-drogen mailinglist
>> ag-drogen AT lists.piratenpartei.de <mailto:ag-drogen AT lists.piratenpartei.de>
>> The list homepage: https://lists.piratenpartei.de/sympa/info/ag-drogen
>
>
>
>
>
>
>
>
>
> --
> ag-drogen mailinglist
> ag-drogen AT lists.piratenpartei.de
> The list homepage: https://lists.piratenpartei.de/sympa/info/ag-drogen
--
Lieben Piratengruß
Andreas Vivarelli
Drogenpolitischer Sprecher
der PIRATEN-Partei Deutschland
Telefon: 0 22 05 - 90 8 66 30
E-Mail: vivarelli AT piratenpartei-nrw.de
Nick: Bestenfalls
WiKi Profil:http://wiki.piratenpartei.de/Benutzer:Bestenfalls
Twitter: @Bestenfalls
https://www.piratenpartei.de/person/andreas-vivarelli/
- [Drogen- und Suchtpolitik] neuer Masterplan(??) Drogen als 2. Politik-Hauptthema, das polarisiert (neue Chancen zur übernächsten BTW), Lorenz Lassek, 29.06.2017
- Re: [Drogen- und Suchtpolitik] neuer Masterplan(??) Drogen als 2. Politik-Hauptthema, das polarisiert (neue Chancen zur übernächsten BTW), Uwe Mayer, 30.06.2017
- Re: [Drogen- und Suchtpolitik] neuer Masterplan(??) Drogen als 2. Politik-Hauptthema, das polarisiert (neue Chancen zur übernächsten BTW), christine zander, 30.06.2017
- Re: [Drogen- und Suchtpolitik] neuer Masterplan(??) Drogen als 2. Politik-Hauptthema, das polarisiert (neue Chancen zur übernächsten BTW), Andreas Vivarelli (@Bestenfalls), 30.06.2017
- Re: [Drogen- und Suchtpolitik] neuer Masterplan(??) Drogen als 2. Politik-Hauptthema, das polarisiert (neue Chancen zur übernächsten BTW), Lorenz Lassek, 30.06.2017
- Re: [Drogen- und Suchtpolitik] neuer Masterplan(??) Drogen als 2. Politik-Hauptthema, das polarisiert (neue Chancen zur übernächsten BTW), Marie Gurke, 30.06.2017
Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.