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[Drogen- und Suchtpolitik] neuer Masterplan(??) Drogen als 2. Politik-Hauptthema, das polarisiert (neue Chancen zur übernächsten BTW)
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- From: Lorenz Lassek <lorenz.lassek AT web.de>
- To: ag-drogen AT lists.piratenpartei.de
- Subject: [Drogen- und Suchtpolitik] neuer Masterplan(??) Drogen als 2. Politik-Hauptthema, das polarisiert (neue Chancen zur übernächsten BTW)
- Date: Thu, 29 Jun 2017 20:55:06 +0200
Hallo
zusammen,
Ich habe seit dem Hype vor ein paar Jahren den Kontakt zur Piratenpartei verloren und habe jetzt eine Idee, wie man mit langem Atem vielleicht wieder zurück auf die politische Bühne kommen könnte. Mein persönlicher "Masterplan", den ich zur Diskussion stellen möchte. Zunächst allgemeines vorweg bevor ich zum Thema Drogen und meiner Idee dazu komme (Frage: wen könnte ich für die allgemeinen Ideen am besten kontaktieren?)
Klare realpolitische Ansage: keine Koalition möglich, aber neben Opposition gibt es noch die realpolitische Möglichkeit der Tolerierung einer Regierung!! Abgeordnete der Piratenpartei würden sich keinem Koalitionszwang ergo Fraktionszwang aussetzen (deshalb taugen die Piraten nur zur Tolerierung einer Regierung), sondern stattdessen sich an den Ergebnissen der liquid democracy Abstimmungen „orientieren“. Das bringt Bewegung in die Politik!! Die Etablierung eines funktionierenden liquid democracy-Abstimmungsmodell müsste oberste Priorität haben!!
So wie es die SPD gerade geschafft hat, ein (gesamtpolitisch betrachtet relativ) kleines Thema (Ehe für alle) durchzusetzen - zunächst mit der Ansage "Ohne 'Ehe für alle' keinen künftigen Koalitionsvertrag". Vergleichbar könnte man für eine Tolerierung einer Regierung durch Piraten (neben dem obligatorischen Verzicht auf Ministerposten) die Drogenlegalisierung verlangen (und vielleicht noch das Stellen des Datenschutzbeauftragten). Der Datenschutz ist in der öffentlichen Wahrnehmung insbesondere der Piratenpartei ja völlig in den Hintergrund gerückt - ist halt leider so; kann man versuchen entgegenzuwirken, aber das scheint zumindest momentan wohl kaum aussichtsreich. Zumal die derzeitige Opposition ja diesbezüglich auch nicht die allerschlechteste Oppositionsarbeit leistet. Daher braucht es ein neues heftiges "Push-Thema" für einen Schub!
Zur Drogenpolitik habe ich nun eine Idee, die vielleicht (weiß ich nicht) nicht so liberal ist wie es in der Piratenpartei bereits Konsens ist(?), aber liberaler als alles was derzeit ernsthaft zur Diskussion steht und m.E. mit der Riesenchance auf mediale Beachtung, auf die alle Piraten gewartet haben und mit der Fähigkeit zu einer gesellschaftlichen Mehrheit (auf lange Sicht):
Und dies möchte ich zur Diskussion stellen:
Bei der Diskussion um Drogen geht es m.M. viel zu oft (mehr oder weniger direkt) um das "Recht auf Selbstzerstörung" (oder vorsichtiger ausgedrückt: Selbstschädigung). Das ist gesamtgesellschaftlich vermutlich kaum vermittelbar. Was völlig außer Acht gelassen wird, ist, dass bei so gut wie allen(!) Drogen auch nicht-missbräuchlicher Konsum MÖGLICH ist! Dies hängt zusammen mit den Konsumgewohnheiten und damit mit den Konsummengen und die ließen sich im Zeitalter der Digitalisierung festlegen:
Mengen, die auf einen nicht-missbräuchlichen Konsum schließen lassen, können auf eine sogenannte "Drogen-Karte" rezeptfrei in Apotheken gekauft werden. Auf dieser Drogenkarte werden lokal (selbstverständlich ohne Speicherung irgendwo anders - geschweige denn in Datenbanken!!) die gekauften Drogenmengen gespeichert (ggf. Löschung von allen Einträgen älter als 12 Monate oder so). Sind in dieser Variante datenschutzrechtliche Bedenken bereits ausgeräumt???
(Wahrscheinlich
am besten dezentral möglich) gespeichert werden, bräuchte nur, WER
so eine Karte bereits besitzt – nix weiter. Zur Einstiegshürde in
den Drogenkonsum könnte man das Ausstellen dieser Karte sehr teuer
machen (so wie ja auch E-Zigaretten aufgrund des relativ hohen
Anschaffungspreises auch nicht zum Einstieg ins Rauchen
verleiten). Bei Gras könnte diese Menge z.B. bei 3 Gramm pro Woche liegen. Bei anderen Drogen kenne ich mich weniger gut aus - 2 Gramm Kokain im Quartal, 1 Dosis Heroin im Jahr, 3 Dosen Psylos im Jahr??? Darüber müsste man mit Drogenexperten (am besten welche mit eigenen Konsumerfahrungen) diskutieren. Wenn man für die Drogenkarte sehr viel Geld verlangt, könnte man das auch noch mit dem obligatorischen(?!?) Besuch eines Aufklärungsseminars über Risiken und v.a. safer use verbinden - sozusagen so eine Art Drogenführerschein...(optional?) Wer
anfällig für Risikokonsum ist, wird auch nicht sofort in den
Schwarzmarkt gedrängt, sondern wird versuchen, über wenig- oder
nicht-konsumierende Freunde und Bekannte mehr zu bekommen (Grund
für eine konservative Schätzung was nicht-missbräuchliche Mengen
betrifft!). Die Karte bräuchte vermutlich ein Foto, damit man
nicht so einfach die Karte von Bekannten benutzen kann. Wer damit
scheitert, muss auch noch nicht in den Schwarzmarkt, sondern hat
dann die Möglichkeit, sich vom Arzt mehr verschreiben zu lassen
(z.B. evtl. Methadon statt Heroin, wobei ich weiß, dass Methadon
umstritten ist...). Dort setzt dann die Suchtberatung an,
Therapieplätze werden angeboten etc. - Verschreibung von mehr
Drogen z.B. zur Überbrückung bis Therapiebeginn...
Eigenlob
stinkt, aber ich finde dieses Konzept trotzdem genial. Und bin auf
konstruktive Kritik gespannt! Selbstverständlich sind viele
Details noch nicht ausgereift.
Ich
habe von Problemen bei Methadon-Verkauf durch Apotheken in Wien
gehört, dass die oft (meist zu bestimmten Zeiten) völlig
überlaufen sind, was normale Kunden verständlicherweise
abschreckt. Es gab Apotheker, die deshalb ihren Standort
aufgegeben haben! Das ganze müsste also mit einem massiven Ausbau
der Apotheken-Infrastruktur geschehen. Weiterhin auch die
Weiterbildung der Apotheker zur Drogenberatung - nicht nur zum
Thema "safer use", sondern auch zum Thema "steigende Konsummengen"
- sprich: Sucht. Je
nach gesellschaftlicher Toleranz könnte man Apothekern
freistellen, aus Gewissensgründen keine Drogen anzubieten... Fraglich wäre weiterhin, ob auch online-Apotheken verkaufen dürfen sollten. Hier könnte man vielleicht obligatorische Aufklärungsvideos vor den Kauf schalten...
Weiterhin die Standard-Argumente für legalisierte Drogen, wahrscheinlich hinlänglich bekannt:
1.
Trockenlegung des Drogenmafia-Sumpfes mit all seiner gefährlichen
(oft tödlichen!) Kriminalität, wozu ja auch die
Beschaffungskriminalität gehört. Eine Nische für Schwarzmarkt
würde es (nach meinem Modell) weiterhin geben, aber (so hoffe ich)
nahezu verschwindend kleine Nischen!
2. Reiner weniger gesundheitsschädlicher Stoff statt unnötig gefährliche gepanschte Scheiße beim Dealer
3. Konsum minderndes „product design“. An die Stelle des Reiz des Verbotenen tritt eine pharmakologisch-medizinisch-sterile Aura der Drogen!
Usw. usf.
Letztlich auch das „Recht auf Selbstschädigung“ eines mündigen Bürgers.
Alle Argumente müssten gewichtet werden und aufzeigen, dass falls ein Argument eher schwach sein sollte (z.B.: „was ist mit den gesellschaftlichen Folgekosten des Rechts auf Selbstschädigung?“), es nicht gleich durch die Argumente gegen eine Legalisierung (welche überhaupt?!) ausgestochen wird. Es muss sehr deutlich gemacht werden, dass das Gesamtpaket an Argumenten betrachtet werden muss!
Liebe Grüße, oder sagt man ahoi? Lorenz
Lasek
PS: Ja, der Apothekenverkauf von Drogen soll alle Drogen betreffen, denn was die gefährlichsten aller Drogen (z.B. Chrystal Meth, Carfentanyl) betrifft, so gibt es diese erst durch die folgenden Anreize aufgrund der staatlichen Prohibition und sie werden wohl mit der Zeit der Legalisierung marginalisiert oder sogar ganz verschwinden:
(1) Produktion unerforschter Stoffe (legal highs), die häufig gefährlicher als existierende sind, um Verbote zu umgehen. (2)
Produktion synthetischer Stoffe, da mit geringerem footprint als
Pflanzenzucht möglich (Entdeckungsrisiko). (3) Produktion besonders stark wirkender Substanzen, um beim Schmuggel, Transport und Verkauf möglichst viel "bang" aufs Volumen zu bekommen. Zur Zeit der Alkoholprohibition kauften die Leute weniger Bier und Wein und stiegen auf Vodka o.ä. um.
PPS: Über eine Übertragung dieses Modells auch auf Alkohol in speziellen Liquor-Shops wie in einigen skandinavischen Ländern möchte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht diskutieren – könnte aber auf sehr lange Sicht auch interessante Perspektiven bieten... |
- [Drogen- und Suchtpolitik] neuer Masterplan(??) Drogen als 2. Politik-Hauptthema, das polarisiert (neue Chancen zur übernächsten BTW), Lorenz Lassek, 29.06.2017
- Re: [Drogen- und Suchtpolitik] neuer Masterplan(??) Drogen als 2. Politik-Hauptthema, das polarisiert (neue Chancen zur übernächsten BTW), Uwe Mayer, 30.06.2017
- Re: [Drogen- und Suchtpolitik] neuer Masterplan(??) Drogen als 2. Politik-Hauptthema, das polarisiert (neue Chancen zur übernächsten BTW), christine zander, 30.06.2017
- Re: [Drogen- und Suchtpolitik] neuer Masterplan(??) Drogen als 2. Politik-Hauptthema, das polarisiert (neue Chancen zur übernächsten BTW), Andreas Vivarelli (@Bestenfalls), 30.06.2017
- Re: [Drogen- und Suchtpolitik] neuer Masterplan(??) Drogen als 2. Politik-Hauptthema, das polarisiert (neue Chancen zur übernächsten BTW), Lorenz Lassek, 30.06.2017
- Re: [Drogen- und Suchtpolitik] neuer Masterplan(??) Drogen als 2. Politik-Hauptthema, das polarisiert (neue Chancen zur übernächsten BTW), Marie Gurke, 30.06.2017
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