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ag-bauen-verkehr - Re: [Ag-bauen-verkehr] Handbuchentwurf zur Bürgerbeteiligung bei Großprojekten

ag-bauen-verkehr AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Bundes-AG Bauen und Verkehr Diskussionsliste

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Re: [Ag-bauen-verkehr] Handbuchentwurf zur Bürgerbeteiligung bei Großprojekten


Chronologisch Thread 
  • From: Michael V <michaelv327 AT googlemail.com>
  • To: Bundes-AG-Bauen-und-Verkehr <ag-bauen-verkehr AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [Ag-bauen-verkehr] Handbuchentwurf zur Bürgerbeteiligung bei Großprojekten
  • Date: Wed, 18 Apr 2012 22:36:11 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-bauen-verkehr>
  • List-id: Bundes-AG-Bauen-und-Verkehr <ag-bauen-verkehr.lists.piratenpartei.de>

Hallo zusammen,

dass es bereits verschiedene Formen von Bürgerbeteiligung in der
Planung gibt, ist zwar richtig, dennoch teile ich A. Syrings positive
Einschätzung des Status quo nicht.

Was ist das Ziel des Handbuchs Bürgerbeteiligung? Planungsprozesse zu
beschleunigen und Entscheidungen der Planung gegenüber den Bürgern
besser durchzusetzen, indem Akzeptanz erhöht wird. In dem Handbuch
geht es überhaupt nicht um das, was uns als Piraten interessiert (oder
interessiert uns das Grundsatzprogramm nicht?)

Was sind Ziele der Piratenpartei (formuliert im Grundsatzprogramm)?
- Echte Teilhabe: "Deswegen ist es Ziel der Piratenpartei, die
direkten und indirekten demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten
jedes Einzelnen zu steigern und die Partizipation jedes einzelnen
Mitbürgers an der Demokratie zu fördern."
- Transparenz des Staatswesens: "Die Abkehr vom "Prinzip der
Geheimhaltung", der Verwaltungs- und Politikvorstellung eines
überkommenen Staatsbegriffs, und die Betonung des "Prinzips der
Öffentlichkeit", das einen mündigen Bürger in den Mittelpunkt
staatlichen Handelns und Gestaltens stellt"
- Freier Zugang zu Information: "Die Piratenpartei setzt sich dafür
ein, dass möglichst alle durch öffentlichen Stellen erzeugten oder mit
Hilfe öffentlicher Förderung entstanden Inhalte der breiten
Öffentlichkeit frei zugänglich gemacht werden."

Das alles sind Punkte, die die Planung betreffen. Und ich teile nicht
die Auffassung, dass in dieser Richtung in der Planung viel passiert.
Das Handbuch zeigt viel mehr, dass ein völlig anderes Verständnis von
Bürgerbeteiligung besteht, als wir es hier haben.

Wie läuft denn heute Bürgerbeteiligung in der Planung ab? Also die
formale Beteiligung, die eine gewisse Verbindlichkeit besitzt? Die
Planungen werden im stillen Kämmerlein durchgeführt. Der Bürger kann
sich dann an bestimmten Zeitpunkten zu den Planungen erklären und
Einwände einbringen. Die werden dann von den zuständigen Planern in
der Verwaltung gelesen. Es wird eine Begründung formuliert, warum man
es trotzdem anders macht. Und dann gehen die Stellungnahmen der Bürger
zu den Akten und es wird weitergemacht wie gehabt. Das ist vielerorts
die Realität (wie ich sie selber in meiner Arbeit im Planungsamt
kennengelernt habe).

Ich bin bei den Piraten, weil sie für ein anderes Politikverständnis
stehen. Wenn man dieses Politikverständnis auf den Bereich der
öffentlichen Planung anwendet, heißt das: Bürger sollten echten
Einfluss auf die Planung haben! Bürger sollten mitentscheiden können!
Und Bürger wollen auch bei grundlegenden Entscheidungen, die die
Öffentlichkeit betreffen, mitentscheiden. Genau das haben Stuttgart21
und Co doch gezeigt. (Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich bin
für Rechtssicherheit und für den Bau von Stuttgart21. Die Fehler
wurden bei dem Projekt viel früher gemacht. Aus diesen Fehlern muss
gelernt werden.)

All die anderen informellen Instrumente wie regelmäßige Info-Abende,
Workshops, Mediationsverfahren etc. sind zwar sicherlich Schritte in
die richtige Richtung, es sind sinnvolle Experimente. Aber sie sind
und bleiben informell und eben nicht verbindlich. Was nützt ein
vorbildliches Mediationsverfahren (Bsp. Frankfurter Flughafen), wenn
sich die Landesregierung, die Kommunalpolitik oder wer auch immer über
die Ergebnisse hinwegsetzt und einfach ihr eigenes Ding macht?

Was wir brauchen sind bessere verbindliche Verfahren der
Bürgerbeteiligung und direktdemokratische Elemente in der Planung.
Öffentliche Planung sollte von den Bürgern mitgestaltet werden und
nicht nur von Planern, die losgekoppelt in ihrem Elfenbeinturm
arbeiten.

Ja, viele Menschen sind träge. Ja, viele Menschen nutzen nicht die
vorhanden Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung. Aber das ändert doch
nichts daran, dass zumindest den Bürgern, die sich interessieren und
engagieren, die Möglichkeit gegeben werden sollte, dies vernünftig zu
tun.

Dazu bedarf es aus meiner Sicht folgender Maßnahmen:
- Mehr Transparenz und bessere (frühzeitige) Information. Denn genau
das ist aus meiner Sicht auch ein wichtiger Grund, weshalb
Bürgerbeteiligung nicht stattfindet. Viele Leute bekommen schlicht
nichts mit bis die Bagger da sind. Dazu gehören auch Punkte wie
einfacher Zugang zu Planungsunterlagen und anderen Materialien. Was da
vor allem online alles möglich wäre! Niemand kann vom
durchschnittlichen Bürger erwarten, dass er die Bekanntmachungen der
Verwaltung regelmäßig studiert.
- Wir brauchen echte Möglichkeiten, an Planungen mitzuwirken. Und zwar
frühzeitig! Es ist ja richtig, dass da viel gemacht wird mit
Workshops, Info-Veranstaltungen etc und das Handbuch schlägt da viele
sinnvolle Sachen vor. Aber das sind halt Vorschläge. Man sollte da
nicht nur auf den guten Willen der Verantwortlichen setzen.
Beteiligungsinstrumente müssen verpflichtend sein und die Ergebnisse
von Beteiligung sollten auch eine gewisse Verbindlichkeit besitzen.
Ansonsten kann man Bürgern auch nicht vorwerfen, die bestehenden
Beteiligungsinstrumente nicht zu nutzen. Warum sollten sie das tun,
wenn sie täglich die Erfahrung machen, dass es eh nichts bringt und
Bürgerbeteiligung von der öffentlichen Hand allzu oft als lästige
Pflichtaufgabe betrachtet wird?

Ich hoffe, ich habe euch mit diesem langen Beitrag nicht zu sehr
gelangweilt. Aus meiner Sicht wäre der Grundtenor einer piratigen
Stellungnahme zu dem Handbuchentwurf: Bestehende informelle
Instrumente können echte Partizipation nicht ersetzen. Deshalb
brauchen wir eine Reform des Planungsrechts, die auf mehr Transparenz
und umfassendere verbindliche Instrumente zur Partizipation von
Bürgern setzt.

Viele Grüße Michael

2012/4/18 a.syring <a.syring AT news.piratenpartei.de>
>
>
> Wie geht das denn jetzt weiter?
> Bin gerne bereit das auf einer A4 Seite zu formulieren.
> Kann das auch über unser Ingenieurbüro laufen lassen. Gibt der Sache
> vielleicht mehr Gewicht.
>
> --
> AG-Bauen-Verkehr mailing list
> AG-Bauen-Verkehr AT lists.piratenpartei.de
> https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-bauen-verkehr




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