rlp-ag-wahlen AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Rlp-ag-wahlen mailing list
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- From: Pirat_Peter <Pirat_Peter AT hape-koenig.de>
- To: rlp-ag-wahlen AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [Rlp-ag-wahlen] Das BGE als Ziel neoliberaler Wirtschaft
- Date: Fri, 22 Apr 2016 11:23:35 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/rlp-ag-wahlen>
- List-id: <rlp-ag-wahlen.lists.piratenpartei.de>
Hallo Till ich sehe einen riesigen Umbruch im Sozialen und Erzieherischen Bereich entstehen. Dort liegt die höchste Krankenrate hauptsächlich im psychichen Bereich vor. Grund Überforderung. Momentan ist in diesen Bereichen Maximalergebnisse mit minimalsten Mitteln das politische Credo. Wenn das BGE auskömmlich gestaltet wird können diese Arbeitskräfte die Grenzen der Belastbarkeit in der jeweiligen Situation nachhaltig darlegen und auch durchsetzen. Wer heute die Systemgrenzen anspricht wird gebeten sich zu überlegen ob er am richtigen Arbeitsplatz eingesetzt ist und sich andernfalls nach einem anderen Arbeitgeber umzusehen. Gruß Peter Am 19.04.2016 um 19:49 schrieb Till
Schauen:
Prima, Ivo. Die Analyse bleibt aber an entscheidenden Punkten in der klassischen Betrachtung hängen. Ich bin der Ansicht, dass die Löhne steigen werden, weil all jene Jobs keiner mehr machen will, die heute unter "Drecksarbeit" laufen. Die Unternehmen müssen sie also attraktiver machen, denn genau diese Drecksarbeit lässt sich nicht automatisieren. Ganz simpler Mechanismus. Meiner Auffassung nach müsste das BGE eigentlich sogar der erfüllte Wunschtraum aller Wirtschaftsliberalen sein, denn es bringt völlige Freiheit in das System, das heute "Arbeitsmarkt" heißt. Nur eben umgekehrt: Überleben wird nur das Unternehmen, das seine Arbeit attraktiv macht und seine Mitarbeiter wirklich bei der Stange hält. Der Witz liegt natürlich darin, dass die Wirtschafts- und besonders die Neoliberalen NIEMALS einen ungeregelten Markt haben wollen (den sie ständig predigen), denn das würde sie so schutzlos dastehen lassen wie es derzeit die Arbeitnehmer sind. Ein Müllmann, der BGE-gesichert vor vier Wochen hingeworfen hat, weil er keine Lust mehr auf den Sch**ß hat, wird demnächst ganz unverhofft ein bisschen Antrieb verspüren und langsam die Fühler ausstrecken nach einer Tätigkeit, womöglich sozialversicherungspflichtig bezahlt, die ihm Erfüllung bietet. Die Total-Rumlungerer, die von allerlei neoliberalem Volk in voller Klassen-Herablassung prophezeit werden, die werden eine absolute Randerscheinung bleiben. Unser Müllmann wird vielleicht tatsächlich das Theater für sich entdecken. Schauspielern find ich aus eigener Anschauung sehr wertvoll und im richtigen Kontext eine der anspruchsvollsten Tätigkeiten überhaupt. Und tatsächlich auch in der Lage, Sinn zu schaffen, weit jenseits der heutigen Sinn-Ersatzmittel. Grüße, Till Am 18.04.2016 um 00:46 schrieb cuauti:Das Bedingungslose Grundeinkommen passt nahtlos in eine neoliberale Politik. Unter Wettbewerb wird im Kapitalismus auf lange Sicht jeder Input zu Reproduktionskosten bezahlt. (Daher versucht jeder durch Patente, Copyright und Kleinigkeiten, dem Wettbewerb zu entkommen.) Sind die Preise höher, werden sie von Wettbewerbern solange unterboten, bis diese Grenze errreicht ist. Und Arbeit ist eine von vielen Inputs. Die anderen Inputs können in Arbeit und Vorprodukte zerlegt werden und die Vorprodukte in Arbeit und Vor-Vorprodukte, usw. Letztlich besteht jedes Produkt aus einer Summe von Arbeit, wobei frühere Arbeit natürlich verzinst werden muss. Der Preis der Arbeit ist vor allem international wichtig, um ausländische Anbieter zu unterbieten. Die dt. Gewerkschaften sind daher, im Vergleich zu südeuropäischen, ziemlich zahm. (Die meisten Militärdiktaturen bekämpfen Gewerkschaften und verarmen die Bevölkerung durch Inflation.) Mit offenen Grenzen ist Arbeit niemals knapp. Unter Wettbewerb – ohne Gewerkschaften – wird Arbeit immer auf Subsistenznivau bezahlt, zuweilen etwas darüber z.B. nach Kriegen. So schrieb Colin Clark (1878): „It is a dangerous mistake to extol competition, as such too highly, and regard all attacks upon it as revolutionary. … We do not eat men … but we do it by such indirect and refined methods that it does not generally occur to us that we are cannibals.” Da man so keine Professsur ergattern kann, schrieb Clark 1891 das Gegenteil: : "[W]hat a social class gets is, under natural law, what it contributes to the general output of industry." Dazwischen lag “Haymarket” am 1. Mai, an den heute noch erinnert wird: Weil sie einen Streikaufruf organisierten, bei dem eine Bombe hochging (wahrscheinlich gelegt von einem Polizeiagenten), wurden sie gehengt. Das war das Ende der Knights of Labour, der agressiven us-amerikanischen Gewerkschaften. (Der Preis für den besten us-amerikanischen Ökonomen unter 40 trägt angesichts dieser Anpassungsfähigkeit seinen Namen.) Mit dem Ende der UdSSR, die zusammenbrach, weil sie das Wettrüsten nicht wie die USA über Schulden bezahlen konnte, wurden soziale Rücksichten überflüssig. Die Konzerne spielten Staaten gegeneinander aus, die mit Steuersenkungen auf Vermögen und hohe Einkommen antworteten. Klar, dass die Spitzeneinkommen jetzt stiegen dank SPD. Mit den „working poor“, die nur mit mehreren Jobs über die Runden kamen und ihre Kinder vernachlässigen mußten, begann es vor Jahrzehnten in den USA. Auch bei uns ergeben viele prekäre Jobs kaum das Subsistenzniveau. Der Mindestlohn wird durch Werkverträge und unbezahlte Stunden und Tätigkeiten unterlaufen. Aber leider muss man weiter Subsistenz-Löhne zahlen. Das bessert sich mit dem BGE. Bisher stockte der Staat einige Löhne auf; das wird nun allgemein. Da der Staat die Grundsicherung bezahlt, können Löhne niedriger sein. Der Staat alimentiert die „überflüssige Bevölkerung“ und subventioniert Löhne, sollte man diese Leute mal brauchen. Früher sprach man von Tagelöhnern und Jornaleros. Die Vergangenheit hat uns eingeholt. Natürlich ist alles völlig anders, wenn die Höhe des BGE es erlaubt, über Monate arbeitsfrei zu leben. Dann verknappt sich Arbeit, die Löhne steigen. Das BGE wurde aber erdacht, weil technologischer Fortschritt Arbeit frei setzt. Eine Verknappung des Arbeitsangebots ist nicht zu erwarten. Hat da jemand frühzeitig aufgehört zu denken, weil das Evangelium des BGE so beseeligt? Für einkommensschwache Akademiker – darunter einige Piraten – ist das BGE die Erlösung: Sie können tun, was sie immer schon wollten, z.B. schauspielern. Ex-Arbeitern erlaubt diese Giesskanne an Einkommen das Überleben, gibt ihrem Leben aber keinen Sinn. Die dramatischen Folgen seien hier nicht ausgeführt. Ivo |
- [Rlp-ag-wahlen] Das BGE als Ziel neoliberaler Wirtschaft, cuauti, 18.04.2016
- Re: [Rlp-ag-wahlen] Das BGE als Ziel neoliberaler Wirtschaft, Till Schauen, 19.04.2016
- Re: [Rlp-ag-wahlen] Das BGE als Ziel neoliberaler Wirtschaft, Bernhard Furch, 19.04.2016
- Re: [Rlp-ag-wahlen] Das BGE als Ziel neoliberaler Wirtschaft, Pirat_Peter, 22.04.2016
- Re: [Rlp-ag-wahlen] Das BGE als Ziel neoliberaler Wirtschaft, Bernhard Furch, 22.04.2016
- Re: [Rlp-ag-wahlen] Das BGE als Ziel neoliberaler Wirtschaft, Enavigo, 23.04.2016
- Re: [Rlp-ag-wahlen] Das BGE als Ziel neoliberaler Wirtschaft, Till Schauen, 19.04.2016
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