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rlp-ag-wahlen - Re: [Rlp-ag-wahlen] Das BGE als Ziel neoliberaler Wirtschaft

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Betreff: Rlp-ag-wahlen mailing list

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Re: [Rlp-ag-wahlen] Das BGE als Ziel neoliberaler Wirtschaft


Chronologisch Thread 
  • From: Till Schauen <schauen AT tillschauen.de>
  • To: rlp-ag-wahlen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Rlp-ag-wahlen] Das BGE als Ziel neoliberaler Wirtschaft
  • Date: Tue, 19 Apr 2016 19:49:36 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/rlp-ag-wahlen>
  • List-id: <rlp-ag-wahlen.lists.piratenpartei.de>

Prima, Ivo.
Die Analyse bleibt aber an entscheidenden Punkten in der klassischen
Betrachtung hängen. Ich bin der Ansicht, dass die Löhne steigen werden,
weil all jene Jobs keiner mehr machen will, die heute unter
"Drecksarbeit" laufen. Die Unternehmen müssen sie also attraktiver
machen, denn genau diese Drecksarbeit lässt sich nicht automatisieren.
Ganz simpler Mechanismus.
Meiner Auffassung nach müsste das BGE eigentlich sogar der erfüllte
Wunschtraum aller Wirtschaftsliberalen sein, denn es bringt völlige
Freiheit in das System, das heute "Arbeitsmarkt" heißt. Nur eben
umgekehrt: Überleben wird nur das Unternehmen, das seine Arbeit
attraktiv macht und seine Mitarbeiter wirklich bei der Stange hält. Der
Witz liegt natürlich darin, dass die Wirtschafts- und besonders die
Neoliberalen NIEMALS einen ungeregelten Markt haben wollen (den sie
ständig predigen), denn das würde sie so schutzlos dastehen lassen wie
es derzeit die Arbeitnehmer sind.
Ein Müllmann, der BGE-gesichert vor vier Wochen hingeworfen hat, weil er
keine Lust mehr auf den Sch**ß hat, wird demnächst ganz unverhofft ein
bisschen Antrieb verspüren und langsam die Fühler ausstrecken nach einer
Tätigkeit, womöglich sozialversicherungspflichtig bezahlt, die ihm
Erfüllung bietet. Die Total-Rumlungerer, die von allerlei neoliberalem
Volk in voller Klassen-Herablassung prophezeit werden, die werden eine
absolute Randerscheinung bleiben. Unser Müllmann wird vielleicht
tatsächlich das Theater für sich entdecken. Schauspielern find ich aus
eigener Anschauung sehr wertvoll und im richtigen Kontext eine der
anspruchsvollsten Tätigkeiten überhaupt. Und tatsächlich auch in der
Lage, Sinn zu schaffen, weit jenseits der heutigen Sinn-Ersatzmittel.
Grüße, Till

Am 18.04.2016 um 00:46 schrieb cuauti:
> Das Bedingungslose Grundeinkommen passt nahtlos in eine neoliberale Politik.
>
> Unter Wettbewerb wird im Kapitalismus auf lange Sicht jeder Input zu
> Reproduktionskosten bezahlt. (Daher versucht jeder durch Patente,
> Copyright und Kleinigkeiten, dem Wettbewerb zu entkommen.) Sind die
> Preise höher, werden sie von Wettbewerbern solange unterboten, bis diese
> Grenze errreicht ist. Und Arbeit ist eine von vielen Inputs. Die anderen
> Inputs können in Arbeit und Vorprodukte zerlegt werden und die
> Vorprodukte in Arbeit und Vor-Vorprodukte, usw. Letztlich besteht jedes
> Produkt aus einer Summe von Arbeit, wobei frühere Arbeit natürlich
> verzinst werden muss. Der Preis der Arbeit ist vor allem international
> wichtig, um ausländische Anbieter zu unterbieten. Die dt. Gewerkschaften
> sind daher, im Vergleich zu südeuropäischen, ziemlich zahm. (Die meisten
> Militärdiktaturen bekämpfen Gewerkschaften und verarmen die Bevölkerung
> durch Inflation.)
>
> Mit offenen Grenzen ist Arbeit niemals knapp. Unter Wettbewerb – ohne
> Gewerkschaften – wird Arbeit immer auf Subsistenznivau bezahlt, zuweilen
> etwas darüber z.B. nach Kriegen. So schrieb Colin Clark (1878): „It is a
> dangerous mistake to extol competition, as such too highly, and regard
> all attacks upon it as revolutionary. … We do not eat men … but we do it
> by such indirect and refined methods that it does not generally occur to
> us that we are cannibals.”
>
> Da man so keine Professsur ergattern kann, schrieb Clark 1891 das
> Gegenteil: : "[W]hat a social class gets is, under natural law, what it
> contributes to the general output of industry." Dazwischen lag
> “Haymarket” am 1. Mai, an den heute noch erinnert wird: Weil sie einen
> Streikaufruf organisierten, bei dem eine Bombe hochging (wahrscheinlich
> gelegt von einem Polizeiagenten), wurden sie gehengt. Das war das Ende
> der Knights of Labour, der agressiven us-amerikanischen Gewerkschaften.
> (Der Preis für den besten us-amerikanischen Ökonomen unter 40 trägt
> angesichts dieser Anpassungsfähigkeit seinen Namen.)
>
> Mit dem Ende der UdSSR, die zusammenbrach, weil sie das Wettrüsten nicht
> wie die USA über Schulden bezahlen konnte, wurden soziale Rücksichten
> überflüssig. Die Konzerne spielten Staaten gegeneinander aus, die mit
> Steuersenkungen auf Vermögen und hohe Einkommen antworteten. Klar, dass
> die Spitzeneinkommen jetzt stiegen dank SPD.
>
> Mit den „working poor“, die nur mit mehreren Jobs über die Runden kamen
> und ihre Kinder vernachlässigen mußten, begann es vor Jahrzehnten in den
> USA. Auch bei uns ergeben viele prekäre Jobs kaum das Subsistenzniveau.
> Der Mindestlohn wird durch Werkverträge und unbezahlte Stunden und
> Tätigkeiten unterlaufen. Aber leider muss man weiter Subsistenz-Löhne
> zahlen.
>
> Das bessert sich mit dem BGE. Bisher stockte der Staat einige Löhne auf;
> das wird nun allgemein. Da der Staat die Grundsicherung bezahlt, können
> Löhne niedriger sein. Der Staat alimentiert die „überflüssige
> Bevölkerung“ und subventioniert Löhne, sollte man diese Leute mal
> brauchen. Früher sprach man von Tagelöhnern und Jornaleros. Die
> Vergangenheit hat uns eingeholt.
>
> Natürlich ist alles völlig anders, wenn die Höhe des BGE es erlaubt,
> über Monate arbeitsfrei zu leben. Dann verknappt sich Arbeit, die Löhne
> steigen. Das BGE wurde aber erdacht, weil technologischer Fortschritt
> Arbeit frei setzt. Eine Verknappung des Arbeitsangebots ist nicht zu
> erwarten. Hat da jemand frühzeitig aufgehört zu denken, weil das
> Evangelium des BGE so beseeligt?
>
> Für einkommensschwache Akademiker – darunter einige Piraten – ist das
> BGE die Erlösung: Sie können tun, was sie immer schon wollten, z.B.
> schauspielern. Ex-Arbeitern erlaubt diese Giesskanne an Einkommen das
> Überleben, gibt ihrem Leben aber keinen Sinn. Die dramatischen Folgen
> seien hier nicht ausgeführt.
>
> Ivo
>

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