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muenster - Re: [MS Piraten] Vermögenssteuern

muenster AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kreis Münster/ NRW

Listenarchiv

Re: [MS Piraten] Vermögenssteuern


Chronologisch Thread 
  • From: Michael Jochmann <michael.jochmann AT gmx.net>
  • To: Kreis Münster/ NRW <muenster AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [MS Piraten] Vermögenssteuern
  • Date: Thu, 28 Jun 2012 22:42:38 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/muenster>
  • List-id: Kreis Münster/ NRW <muenster.lists.piratenpartei.de>

Nochmal meine vorherige Mail ohne weitere Erörterung:

OK, ich hab der Thread verpasst - erledigt

Am 28. Juni 2012 21:35 schrieb Martin Schlüter <admin AT web-data-master.de>:




meinst du das jetzt wirklich ernst?   Hier ist eine Diskussion über eine mögliche Vermögenssteuer, und fachliche Beiträge zu dem Thema bezeichnest du dann mal pauschal als "ausserhalb jedes Diskussionstranges" ......

Ist es denn nicht das Ziel hier sachlich über eine Vermögenssteuer zu diskutieren?

Michael Jochmann schrieb:
Danke für den sachkundigen Einwand, der für mich leider außerhalb jedes Diskussionsstrangs liegt. War das eine persönliche Stellungnahme oder ein Versuch sich inhaltlich einzubringen?

Wenn letzteres der Fall ist, kann über entsprechenden AGs informiert werden - einfach noch einmal schreiben.

micha

Am 28. Juni 2012 00:07 schrieb Birgit Hemecker <emcgmbh AT aol.com <mailto:emcgmbh AT aol.com>>:


   Hallo,
   zunächst einmal eine grundsätzliche Überlegung zum Unterschied
   zwischen Vermögensteuer und Einkommensteuer:
   Die Vermögensteuer knüpft an eine Bestandgröße, nämlich das
   Vermögen, an, während die Einkommensteuer die Stromgröße Einkommen
   besteuert. Dies scheint zunächst so, als wenn es sich um völlig
   unterschiedliche Steuerarten handelt. Finanzmathematisch lässt
   sich jedoch jede Vermögenssteuer in eine gleichwertige
   Einkommensteuer umrechnen. So erzeugt z. B. bei einer EK-Rendite     von 5 % eine 1 %ige Vermögensteuer dieselbe Belastung wie eine 20
   %ige Einkommensteuer.
   Theoretisch wären also die beiden Steuerarten austauschbar, aber
   in der Praxis gibt es noch zwei wichtige Unterschiede zwischen der
   Vermögensteuer und der Einkommensteuer.
   Hierzu zitiere ich den Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Stefan
   Homburg (Homburg, Stefan (1997) Allgemeine Steuerlehre, München:
   Vahlen, S. 148 ff.):
        „Erstens belastet die Vermögensteuer im Unterschied zur
   Einkommensteuer nicht das /Isteinkommen/, also jenen Betrag, der

   dem Steuerpflichtigen nach Abzug erwerbsbedingter Ausgaben
   tatsächlich zufließt, sondern ein /Solleinkommen/. Hinsichtlich

   der Umverteilungswirkungen macht dies einen Unterschied, wenn
   Steuerpflichtige mit gleichem Vermögen unterschiedliche Einkommen
   erwirtschaften und erst recht, wenn man bedenkt, dass
   Steuerpflichtige mit höheren Vermögen aufgrund besserer Beratung
   regelmäßig höhere Renditen erzielen können. Jemand mit 100.000
   Vermögen besitzt vielleicht Wertpapiere, die 5 % Zinsen abwerfen,
   während ein gut beratener Anleger mit einem Vermögen von 10
   Millionen ertragreichere Anlageformen finden und Risiken besser
   diversifizieren kann. Insofern wirkt eine proportionale
   Vermögenssteuer im vertikalen Vergleich /regressiv/. Horizontal

   belastet die Vermögensteuer ungleich, wenn die tatsächlichen
   Renditen der Steuerpflichtigen zufallsbedingt oder systematisch
   voneinander abweichen. Im Hinblick auf das Ziel einer Besteuerung
   nach der Leistungsfähigkeit ist die an das Solleinkommen
   anknüpfende Vermögensteuer einer am Isteinkommen orientierten
   Einkommensteuer deutlich unterlegen.
   Zweitens leidet die Gleichmäßigkeit aller historisch bekannten
   Vermögensteuern an einem /falschen Vermögensbegriff/, der die oben

   geschilderte Äquivalenz zwischen Einkommen und Vermögen gründlich
   verkennt. Die der Vermögensteuer zugrundeliegende Steueridee
   besteht nämlich in der Belastung sogenannter /fundierter
   Einkommen/, zu denen vor allem die Einkünfte aus Kapitalvermögen,

   Grundvermögen und Unternehmertätigkeit gezählt werden. Hierdurch
   wird ein Vermögensgegenstand von immenser volkswirtschaftlicher
   Bedeutung, nämlich das /Humankapital/, ganz willkürlich aus der

   Bemessungsgrundlage herausgenommen, obwohl die Gleichwertigkeit
   von Einkommen und Vermögen selbstverständlich auch für
   Arbeitseinkommen und ihrem Barwert, eben das Humankapital, gilt.
   Der Terminus „fundiertes Einkommen“ soll eine höhere Sicherheit
   und damit eine höhere Belastbarkeit bestimmter Einkommensarten
   suggerieren und damit deren diskriminierende Besteuerung
   rechtfertigen. In Wirklichkeit ist es höchst fraglich, ob ein in
   Aktien angelegtes Vermögen oder eine Beamtenstelle auf Lebenszeit
   das „fundiertere“ Einkommen abwirft. Ein Beamter, der jährlich
   100.000 brutto verdient und noch sehr viele Dienstjahre vor sich
   hat, besitzt laut (Formel für das Ertragswertverfahren) ein
   Humankapital von knapp 2 Millionen, wenn man einen Zins von 5 %
   ansetzt. Dieses Humankapital unterliegt nicht der
   Vermögensbesteuerung, während ein Aktienkapital mit einem Kurswert
   von 2 Millionen durch eine 1 %ige Vermögensteuer mit jährlich
   20.000 belastet wird. Hierin liegt die gravierendste
   Ungleichmäßigkeit der Vermögensteuer. (Auf die vermögensteuerliche
   Behandlung des Humankapitals weist auch Schmidt (Schmidt, K.
   (1980) ....) hin, der eine solche Bevorzugung für besonders
   bedenklich hält „wenn das >>human capital<< gratis und franko von
   staatlichen Bildungseinrichtungen bezogen, das individuelle
   Vermögen aber aus hoch versteuertem Einkommen gebildet worden ist“.)
   Auch bestimmte andere Einkommen – wie beispielsweise Renten aus
   der Gesetzlichen Rentenversicherung – werden häufig aus der
   Vermögensbesteuerung herausgenommen. Die Vermögensteuer belastet
   deshalb im Gegensatz zu einer synthetischen Einkommensteuer nicht
   alle Einkommensarten, sondern nur bestimmte. Sie entspricht
   üblicherweise einer Steuer auf Kapitaleinkommen, Bodeneinkommen
   und Reingewinne. ...
   Abschließend sei erwähnt, dass die oben herausgestellte Äquivalenz
   der Einkommens- und Vermögensbesteuerung inzwischen auch vom
   Bundesverfassungsgericht in seinem wegweisenden Urteil vom 22.
   Juni 1995 ausdrücklich anerkannt worden ist: „Die Vermögensteuer
   darf deshalb zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur
   hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des
   Sollertrages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen,
   abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in die Nähe
   einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand
   verbleibt“. (Bundesverfassungsgericht (1995) Urteil vom 25. Juni
   1995. BStBl. 1995 II. 655 = EuGRZ 1995, 370.375. ...) Hiermit wird
   gesagt, dass eine mehrfache Belastung desselben Steuergegenstandes
   durch verschiedene Steuern zwar verfassungsrechtlich zulässig ist,
   diese Steuern aber in ihrem Zusammenwirken nicht auf eine
   Konfiskation hinauslaufen dürfen. Rechnet man eine 1 %ige
   Vermögensteuer wie oben geschehen in eine 20 %ige Einkommensteuer
   um und addiert man 50 % Einkommensteuer hinzu, so ergibt sich
   selbst bei Preisstabilität und Vernachlässigung der indirekten
   Steuern eine Gesamtbelastung von 70 %, die erkennbar nicht mehr
   „in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und
   öffentliche Hand“ verbleibt.“
        Eine Vermögenssteuer wieder einzuführen ist somit nicht
   zielführend und verfassungsrechtlich bedenklich. Wenn es eine
   Einkommensteuer gibt, kann und darf es nicht gleichzeitig eine
   Vermögensteuer geben. Was mit dem Vermögen erwirtschaftet wird,
   wird durch die Einkommensteuer erfasst und erst wenn ein Vermögen
   liquidiert wird, d. h. für persönlichen Konsum ausgegeben wird,
   dann wird es auch automatisch durch die Mehrwertsteuer besteuert.
   Nur so wird verhindert, dass Unternehmen durch Besteuerung
   gebundenen Kapitals in finanzielle Engpässe gebracht werden, denn
   eine passgenaue Erhebung von Vermögenssteuern, die gewährleistet,
   dass Unternehmen nicht unnötig in die Insolvenz getrieben werden,
   ist kaum möglich (Konzerne können ins Ausland ausweichen, kleinere
   und mittlere Unternehmen haben diese Möglichkeit nicht).
   Problematisch ist vor allem die Besteuerung von Kapitalvermögen,
   das international in der Finanzwelt gemacht wird. Die
   Vermögenssteuer ist eigentlich ein Überbleibsel aus einer anderen
   Zeit. Sie belastet nur die althergebrachten Einkommensarten,
   bietet aber keine „Tools“, um die neuen Gegebenheiten
   finanztechnisch adäquat abzubilden.
   Kurz und gut – ich persönlich bin generell gegen Steuererhöhungen.
   Steuererhöhungen schaden letztendlich jedem. Der Staat soll
   sparen. Wenn es überhaupt Steuererhöhungen geben muss, dann wäre
   ich für die Anhebung von Konsumsteuern ( z.B. MwSt u. andere
   Verbrauchssteuern ). Damit die unteren Einkommen nicht stärker
   belastet werden, müssten Grundnahrungsmittel u. ä.  komplett von
   der Besteuerung ausgenommen werden. Diese Steuern würden die
   geringsten Verzerrungen verursachen und die Steuererhebung würde
   deutlich preiswerter ausfallen.
        Grüße
   Birgit Hemecker

   --
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