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Betreff: Ag-umwelt mailing list
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- From: Volker Jaenisch <volker.jaenisch AT inqbus.de>
- To: ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [Ag-umwelt] Menschen lassen Gletscher immer rascher schmelzen
- Date: Tue, 26 Aug 2014 17:14:26 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
- List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>
Ahoi!
On 22.08.2014 22:52, Pirat Jens wrote:
> > Kein vernünftiger Wissenschaftler wird seine Ergebnisse für eine
> > unumstößliche Wahrheit halten.
>
> Exakt
>
> > Gibt es einen Beweis für die Kepplerschen Gesetze? Nein.
>
> Das ist der Punkt! Stände in dem Artikel, das Modell hätte eindeutig
> nachgewiesen, dass Keppler recht hatte, hätte ich exakt die gleiche
> email geschrieben. Wie du schon sagst, hat Wahrheit wenig mit
> Wissenschaft zu tun. Deshalb stößt es mir auf, wenn Wissenschaftler in
> dieser Form etwas bewiesen haben wollen.
Es gibt durchaus wissenschaftliche Beweise, auch ausserhalb der Mathematik.
Auch hat Wahrheit mit Beweisen wenig zu tun. Wahrheit ist ein abstrakter
Begriff, der wenig praktische Relevanz besitzt.
Ausser für die die sagen, solange Ihr (i.d.R. die Wissenschaftler) nicht
beweisen könnt, wie es in Wahrheit ist, dann machen wir gar nichts.
Die Frage nach der Wahrheit ist also nichts weiter als ein verbaler
Trick um wissenschaftliche Arbeit einfach diskreditieren zu können.
Da weder Du noch andere sogenannte Klimaskeptiker oder sonstwer die
Wahrheit kennt oder eine bessere Theorie oder bessere Modelle hat wie
denn wahrscheinlich
die Welt funktioniert, ist eine Kritik daran was die Wissenschaft
versucht über unsere Welt heraus zu finden hohl.
Die Wissenschaft versucht die bestmögliche Erklärung für das Verhalten
unserer Welt zu finden. Im besten Falle mag man dabei der Wahrheit
nahekommen,
sie aber sicher nie erreichen. Aber ob man die Wahrheit nun zu 20% oder
zu 90% kennt ist allemal besser als nicht zu wissen.
Wie ich schon sagte ist in der Klimaforschung momentan ein Stand
erreicht, dass etwa 75% der beobachteten Variabilität des Klimas durch
die Modelle nachgebildet werden kann.
Das bedeutet mal ganz flach argumentiert dass 3/4 der Wahrheit von der
Wissenschaft in diesem Gebiet verstanden sind.
Das klingt nach nicht viel. Man muss dazu aber bedenken, dass
Klimamodelle iterative Modelle sind. Sie errechnen von dem Zustand des
Klimas zu einem Zeitpunkt den nächsten Zeitpunkt.
Das ist in etwa so, wie wenn man Bauklötze übereinander stapelt. Der
jeweils nächste Zeitschritt baut auf dem vorherigen auf. Jeder der das
mal mit einer hinreichend großen Anzahl von Bauklötzen probiert hat,
merkt schnell, das winzigste Abweichungen der Genauigkeit in den unteren
Bauklötzen starke Auswirkungen auf die darüber getürmten Bausteine haben.
Oder anders formuliert Fehler schaukeln sich auf. (Dies führt s.u. dazu
dass die Unsicherheitsschläuche mit fortscheitender Zeit breiter
werden.) Wären also die Klimamodelle fehlerhaft, würde bei der
Reproduktion vorhandener Zeitverläufe (wie z.B. bei dem Gletscher-Paper)
das Modell mit forstschreitender Simulationszeit explodieren (Schon
geringste Ungenauigkeiten in den Startwerten würden zu riesigen
Schwankungen im Ergebnis fürhren. Dies würde nie erlauben 75% der
Variabilität zu reproduzieren.) Daher kann man zunächst als gesichert
annehmen, dass das Klimamodell an sich funktioniert.
Nun zur Schlußfolgerung der Gletscherforscher. Wie schon bei den
Klimasimulationen, die dem IPCC-Bericht zugrunde liegen wurden nun mit
dem Klimamodell zwei unterschiedliche Sorten von Szenarien untersucht:
1) Das Klimamodell wurde ohne Einfluß des Menschen (Kein antropogenes
CO2, keine Landnutzung, Keine anderen künstlichen Spurengase etc.)
laufen gelassen.
2) Das Klimamodell wurde mit dem Einfluß des Menschen (Antropogenes CO2,
menschliche Landnutzung, Anderen künstlichen Spurengase etc.) laufen
gelassen.
Natürlich werden für 1) und 2) nicht nur je eine Simulation gemacht,
sondern ein Essemble von vielen Simultionen mit leicht varirierten
Anfangesbedingungen oder Variation von Parameter-Werten innerhalb deren
Fehlergrenzen. Dies Essembles werden jeweils gemittelt und ergeben einen
mittleren Zeit-Verlauf und einen Schlauch von Unsicherheit der sich
ober- und unterhalb befindet. Es ergeben sich dabei also für 1) und 2)
jeweils zwei solcher Kurven mit den Unsicherheitsschläuchen dazu.
http://www.climatechange2013.org/images/report/WG1AR5_SPM_brochure_de.pdf
So ein Bild kann man schön auf Seite 16 sehen.
Zeichnet man nun in dieses Diagramm mit den zwei Unicherheitsschläuchen
die Kurve das bekannten gemesssenen Zeitverlaufs ein kann man sehen
welche Modell-Annahme 1) oder 2)
die "Wahrheit" besser reproduziert.
Es zeigt sich dass die Szenariengruppe 1) welche den menschlichen
Einfluß nicht berücksichtigen z.B. in dem IPCC-Bericht Seite 16 den
Temperaturverlauf der letzten 100 Jahre nicht erklären können. Anders
hingegen die Szenarien welche den menschlichen Einfluß mit
berücksichtigen, bei diesen liegt der "wahre" Zeitverlauf zumindest
immer noch im Bereich des Unsicherheitsschlauchs. Unter der
Vorraussetzung, dass das Klimamodell alle bekannten Einflußgrößen
richtig modelliert, erscheint es also das der menschliche Einfluß einen
entscheidenden Einfluß auf das Klima darstellt.
Für die Entwicklung der Gletscher wurde nun mit der gleichen Methode
gearbeitet. Zwei Modell-Szenanrien einmal mit und einmal ohne
menschlichen Einfluß.
Und es kommt das gleiche heraus wie bei der Betrachtung der Temperatur
oder anderer Observablen, die schon im IPCC-Bericht dargestellt wurden,
wie Meerestemperatur, Anstieg der Meeresspiegels etc. ohne den
menschlichen Einfluß können die Modelle die Entwicklung seit etwa 1955
nicht mehr erklären. Wichtig ist an dieser Stelle zu betonen, dass bei
der Szenarien den Temperaturverlauf der letzten 1200 Jahre sehr gut
erklären. Nur der Zeitraum in dem der Mensch in großem Maße Industriell
tätig geworden ist, kann nur von einem der beiden Szenarien erklärt werden.
Also liegt der Schluß doch nahe, dass wir Menschen für den Klimawandel
und damit natürlich auch für das Schmelzen der Gletscher verantwortlich
sind, oder?
Diese Argumentation ist natürlich kompliziert, natürlich geht sie von
vielen Modellannahmen aus und verwendet Parameter die nicht exakt
sondern nur mit einer gewissen Unsicherheit bestimmt sind. Aber trotzdem
erklärt diese Argumentation bisher am einfachsten und am schlüssigsten,
die Ursache für den Klimawandel.
Je mehr Einflußfaktoren in die Modellen in den letzten Jahrezehnten
hinzugefügt worden sind, besser Daten über Vulkane, Aerosole, Wolken,
Atmosphärenchemie, Stoffkreisläufe, Meeresdynaik etc. haben nur dazu
geführt, dass die Fehlerbalken kleiner geworden sind, nicht aber das
Ergebnis der Betrachtung sich geändert hätte.
Gerade wird daran gearbeitet, den Einfluß der Antaktis und der Tiefsee,
welcher von den Klimamodellen bislagn unzureichen erfasst worden ist in
die Modelle zu integrieren. Erste Veröffentlichungen zeigen, dass dies
die Abweichung des Temperaturverlaufs der letzten 10 Jahre vom
prognostizierten Verlauf erklären kann. Das Aufnehmen dieser
zusätzlichen Faktoren wird abernicht dazu führen, dass das Szenario ohne
menschlichen Einfluß auf einmal den Temperaturverlauf überhaupt erklären
kann.
Beste Grüße
Volker
--
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inqbus it-consulting Dr. Volker Jaenisch
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- [Ag-umwelt] Menschen lassen Gletscher immer rascher schmelzen, Hanns-Jörg Rohwedder, 20.08.2014
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- Re: [Ag-umwelt] Menschen lassen Gletscher immer rascher schmelzen, Pirat Jens, 21.08.2014
- Re: [Ag-umwelt] Menschen lassen Gletscher immer rascher schmelzen, Volker Jaenisch, 20.08.2014
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- Re: [Ag-umwelt] Menschen lassen Gletscher immer rascher schmelzen, ati, 20.08.2014
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