Re: [Ag-umwelt] Menschen lassen Gletscher immer rascher schmelzen

[Volker Jaenisch <volker.jaenisch AT inqbus.de>]

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Ahoi!

On 21.08.2014 01:18, Pirat Jens wrote:
> Am 20.08.2014 20:42, schrieb Volker Jaenisch:
> > Modellierung hat rein gar nichts mit Theorie zu tun
>
> Das tut schon weh sowas zu lesen.
Und was willst Du damit aussagen?
>
> > sondern bildet mit den bekannten Gesetzmäßigkeiten der Natur
> > welche durch Messungen ermittelt wurden die Natur nach
>
> EXAT DAS IST THEORIE
Wer schreit hat recht? Nein, es ist die Anwendung von Gesetzmäßigkeiten.
Oder wenn Du Gesetzmäßigkeit lieber Theorie nennen magst,
so ist ein Computermodell die Anwendung der bekannten Theorien zu einem
wissenschaftlichen Thema.
Die Theorien, die hierbei zum Einsatz kommen sind das was man
umgangssprachlich als Naturgesetzte bezeichnet,
also Theorien, welche eigentlich nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt
werden.
>
> > Also hör bitte auf hier mit pauschalisierenden ein Satz-Statements
> > Desinformation zu betreiben.
>
> Hör du lieber auf ausschweifend am Thema vorbei zu fabulieren.
Ich fabuliere nicht, sondern ich erkläre. Das Thema "Modellierung ist
Scheiße" hast Du vorgegeben.
Ich erkläre ausführlich, weil Modellierung ein Thema ist, welches man
nicht einfach so mal schnell erklären kann,
vor allem nicht Menschen, welche evtl. kein Studium hinter sich haben,
aber trotzdem diese Liste gerne lesen
und sich informieren möchten.

> Ich
> weiß was ein Modell ist und wie diese funktionieren.
Aha. Und wo hast Du das gelernt? Was ist Deine Expertise? Wie viele
Modelle hast Du denn schon programmiert?
Ich arbeite seit 30 Jahren mit Computersimulationen, welche ich z.T.
selber programmiert habe. Mein letztes Simulationsprojekt war die
Mitarbeit an
einer Simulation des Energiebedarfs der Stadt Hamburg in den nächsten
Jahrzehnten. Bei dieser Agentensimulation wurden 4.5 Mio synthetische
Hamburger Bürger erzeugt, welche dann wie bei Simcity ihr Leben gelebt
haben, Kinder bekommen haben, zur Arbeit gefahren sind, ihre Kinder
in die Schule gebracht haben usw. Äusserst spannendes Projekt. Natürlich
kann so eine Simulation nur grobe Anhaltspunkte für die zukünftige
Entwicklung geben, weil das Menschliche Handeln gerade der Politik nicht
vom Modell selbst erschlossen werden kann. Daher wird dieses Projekt mit
einem Planspiel gekoppelt an dem die real verantwortlichen Personen
in Hamburg mit spielen. Nach jeweils einem Simulationsjahr bekommen sie
den Zustand von Hamburg präsentiert in Form einer fiktiven Bildzeitung.
Aufgrund dieser müssen sie dann die anstehenden Entscheidungen in From
von Fragebögen beurteilen (Investiere ich mehr Geld in Kindergärten oder
in Straßenbau).
Diese Entscheidungen fließen zurück in die Modellierung. Ein sehr
interessanter Ansatz.

> Ein Modell
> beweist aber nichts. Hast du dir dein Bsp. überhaupt durchgelesen, das
> taugt für deine Behauptung nämlich nicht und führt sogar selbst
> Skepsis zur Methodik an.
Meine Beispiele sind Beispiele aus der Praxis. Und das ich sekptisch die
Methodiken betrachte mit denen wir Wissenschaftler arbeiten
sollte ja wohl nicht gegen sondern für mich sprechen :-). Kein
vernünftiger Wissenschaftler wird seine Ergebnisse für eine
unumstößliche Wahrheit halten.
Da Du eine solche Wahrheit offenbar benötigst um durchs Leben zu kommen,
wirst Du mit der Wissenschaft sicher nicht viel Glück haben um Deine
Entscheidungsfindung zu vollziehen.

Ich vertraue einer Wissenschaftlichen Aussage so weit, wie ich sie
nachvollziehen kann und deren Fehlerbalken und Aussagegrenzen kenne.
Mir genügt, wenn mehrere Computermodell mit einer hinreichen großen
Wahrscheinlichkeit sagen, dass es einen antropogenen Klimawandel gibt um
diesen für Real zu erachten.
Vor allem wenn mir als Meteorologe klar ist, was für Auswirkungen es
hat, wenn wir unser Klima versauen. Denn es gibt keinen einfachen Weg
zurück, wenn man erstmal etwas so großes wie das Klima in Bewegung
gesetzt hat. Die Verweildauer von CO2 in der Atmosphäre beträgt über
1000 Jahre und die ganze Zeit bis es wieder abgebaut ist wirkt es in
eine Richtung.
Das ist ein gewaltiges Momentum was wir über die letzten 150 Jahre
aufgebaut haben und ich bin sehr sektisch ob die Weltgemeinschaft selbst
mit äusserster Anstrengung in der Lage ist den Klimawandel zu stoppen -
und von äusserster Anstrengung kann momentan wohl nicht die Rede sein.

>
> Ich rede hier von Kausalität und die mit einem Modell bewiesen wollen
> zu haben ist schon ordentlich mutig.
Wie will man eine Kausalität denn beweisen? In der Regel macht man ein
Experiment. Das geht prima solange man den Gegensand der
Betrachtung in ein Labor hinein bekommt. Bei einem Gletscher ist das
etwas schwierig. Daher geht man den Weg der Simulation. Man baut den
Gletscher
in klein nach, damit er ins Labor passt. So was hat man schon vor de
Erfindung der Computer gemacht z.B. um die
Strömungseigenschaften von Schiffsrümpfen zu ermitteln hat man kleine
Schiffsmodelle gebastelt und in einem künstlichen kleinen Kanal
schwimmen lassen.
Letzlich ist ein Compuermodell nichts anderes als so ein verkleinertes
Abbild des Gegenstands den man untersuchen möchte. Nur hat man bei dem
Computermodell
viel mehr Möglichkeiten eine bessere Simulation zu erzielen, da man z.B.
tatsächlich sehr große Dinge damit simulieren kann. Die Sache mit den
Schiffen scheiterte
nämlich daran, dass die Viskosität des Wassers auf unterschiedlichen
Größenskalen unterschiedliche Effekte hat.

>
> Man kann sagen, dass die Simulation konsistente Ergebnisse liefert,
> bewiesen ist damit aber rein garnichts.
Gibt es einen Beweis für die Kepplerschen Gesetze? Nein. Trotzdem dreht
sich die Erde um die Sonne und wir gehen davon aus, dass dies auch noch
eine Zeit lang so bleiben wird.
Allerdings gab es schon früh Zweifel an diesen Gesetzen. Ein König
setzte damals sogar ein Preisgeld aus um zu beweisen, dass das Weltall
stabil bliebe.
Die beste Antwort der Astromomen bis heute ist: Es wird wohl stabil bleiben.

Du suchst nach letztendlichen Wahrheiten und die gibt es in der
Naturwissenschaft nicht. Die einzigen die behaupten die letzen
Wahrheiten zu kennen sind Religionen oder sogenannte Klimaskeptiker.
Wissenschaftler suchen gar nicht nach der Wahrheit, sie suchen nach der
einfachsten Erklärung des Sachverhalts. Diese Erklärungsversuche nennt
man Theorien.
Kann eine Theorie mehr erklären als eine andere wird sie als besser
erachtet. Computermodelle helfen Theorien zu testen und auszuprobieren,
was man
damit erklären kann und was nicht. Und tatsächlich erklären die
aktuellen Computermodelle wie in meinem letzten Post schon ausgeführt
erstaunlich gut wie sich das Klima (oder Gletscher)
historisch verändert haben und wie sie sich wohl in gewissen Szenarien
wohl in Zukunft verändern werden.

> Heben wir mal darauf ab, dass Beweise ohnehin nur in der Mathematik
> geführt werden können, dann kann man das noch als umgangssprachliche
> Ungenauigkeit abtun, aber dafür ist eine Uni der falsche Ort.
>
>
> Ein Prof im Studium hatte da mal einen netten Spruch.
> "Das 11te Gebot für Physiker? - Du darfst nicht extrapolieren!"
Ja, Das ist ein toller Spruch. Aber er bringt einen leider nicht weiter,
wenn man z.B. vorhersagen soll, wo Flugzeuge morgen fliegen dürfen und
wo lieber nicht.
Oder ob wir noch mehr Kohle verbrennen sollen oder lieber nicht. In
diesem Fall muss man extrapolieren auch wenn man weiss, dass man die
Zukunft nicht exakt vorhersagen kann.
Es wäre Fahrlässig ein Werkzeug das einem wenigstens Hinweise auf die
Zukunft gibt nicht anzuwenden. Dies wäre gleichbedeutend mit Hände in
den Schoß legen oder den Kopf in den Sand stecken. INHO haben wir
Wissenschaftler daher die moralische Verpflichtung zu extrapolieren und
die Verantwortung die Ergebnisse der Extrapolation extrem kritisch zu
betrachten.

Beste Grüße

Volker


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