Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Krisenresistenz durch Energiewende [was: Zeitungsartikel]

[Gunnar Kaestle <gunnar.kaestle AT gmx.net>]

Moritz Richter schrieb:

> Die EU überdenkt die Subventionierung von Biosprit:
> http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/umstrittener-e-kraftstoff-eu-plant-bio
> sprit-reform-1.1464409

Der Erntefaktor für Biodiesel oder Bioethanol aus den gemäßigten Breiten 
liegt bei rund 1,5 und darunter, was sehr schlecht ist weil 
wissenschaftliche Schätzungen einem kleinesten Wert von 3 fordern, damit 
mit der überschüssigen Nettoenergie eine Minimal-Ökonomie am Laufen 
gehalten werden kann. Eine energetische Nutzung von Landflächen ist 
durch Biogas/Biomethan deutlich besser, der Wert liegt IMHO bei etwa ~6. 
Wenn man also Autos mit Verbrennungsmotor vom Acker aus betanken will, 
dann besser als CNG-Version.

> Schäuble bezeichnet die Energiewende als „Vorsorge für die Zukunft“,
> Deutschland sei „krisenresistenter“ geworden.
> http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2012/40496881_kw37_de_hh_bundes
> haushalt/index.html

Diese Argumentation ist aus meiner Sicht extrem wichtig. [1]
zeigt in Abb 2 ein Schema für eine Volkswirtschaft mit Energie- und 
Materialflüssen. Im Prinzip kann Materie durch Recycling wiederverwendet 
werden, dazu ist nur Energie notwendig, wenn man aus dem Müll 
(Unordnung) wieder nutzbare Rohstoffe (Ordnung) sortiert. Im 
thermodynamischen Sinne wird lokal die Entropie als Maß der Unordnung 
abgesenkt. Der stabilisierende Fluss in einer Ökonomie ist also der 
Energiefluss, der Materiefluss ist nur ein "Träger".

Wenn man sich die aggregierten Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und 
Energie [1] genauer anschaut, dann besteht Arbeit auch nur aus 
umgewandelten Nahrungsmitteln und Konsumgütern, die ebenso wie 
Investitionsgüter (=Kapital, d.h. Infrastruktur, langlebige Sachanlagen) 
nichts anders sind als kondensierte Materie- und Energieströme, die man 
über die Abschreibungszeit bzw. über die technische Nutzungszeit im 
Rahmen des ökonomischen Prozesses nutzt. Auf ganz abstrakte Weise 
formuliert ist auch ein ökonomisches System eine dissipative Struktur, 
das sich entlang eines Wertgefälles von Energie (niedrige Entropie wie 
chem. Brennstoffe und kurzwelliges Sonnenlicht -> hohe Entropie wie 
Abwärme und Abgase) aufbaut. Wenn man nicht möchte, dass diese Struktur 
an Komplexität verliert, sollte man einen Nutzenergiestrom auf 
bestehendem Level halten.

Es ist also ein zentrales Anliegen zur mittel- bis langfristigen 
Stärkung einer Volkswirtschaft, dass die bisherige energetische 
Infrastruktur (weder Kohle noch Sonnenlicht kann man direkt essen) 
erweitert wird. Dann sind jene Energieformen stärker zu nutzen, die 
nicht in Form einer Glockenkurve in den kommenden Jahrzehnten abnehmen 
werden.

Gruß,
Gunnar


PS. The Natural Philosophy of Work
www.mdpi.com/1099-4300/9/2/83/pdf
Die Abbildung 1 sieht mit der dünnen Linie (specific energy throughput) 
so ähnlich aus wie der Verlauf des Pro-Kopf-Verbrauchs an Energie aus 
den Olduvai-Thesen. http://dieoff.com/page234_files/image008.jpg

[1] The Need to Reintegrate the Natural Sciences with Economics
http://www.greatchange.org/hall,natural_sciences_with_economics.html

[2] Energie, Innovation und Wirtschaftswachstum
http://www.energiesteuer.net/artikel/pdf_artikel/energie,innov,wirtschaftswachstum.pdf

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