ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Mailingliste der AG Landwirtschaft
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- From: annette.berndt AT ewetel.net
- To: ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [Ag-landwirtschaft] Antrag Ferkelkastration
- Date: Fri, 19 Oct 2018 07:29:13 +0200
Moin Manuela,
Du hast Recht, in unseren pads steht darüber bisher nichts,
es gab nur die Antwort auf die niedersächsische Landwirtschaftsministerin mit dem Tenor, doch endlich mutig zu entscheiden:
https://piraten-nds.de/2018/09/21/piraten-niedersachsen-begruessen-entscheidung-des-bundesrates-zur-beendigung-von-betaeubungsloser-ferkelkastration/.
Ich denke, das Thema eignet sich allgemein eher für ein Positionspapier, zumal es sehr fachspezifisch ist und wobei wohl nur Du die meiste Ahnung davon hast. Und selbst in der Fachwelt (soweit ich mich eingelesen konnte) gehen die Positionen weit auseinander. Ich glaube, wir Piraten sind damit überfordert. Oder nur ich? Ich habe uns mal ein pad eingerichtet mit Deinem Text und den Quellen, damit wir diskutieren können.
https://landwirtschaft.piratenpad.de/Ferkel
Viele Grüße
Annette
Zitat von Manuela Langer <llarian AT llarian.de>:
Hallo Leute,
das Thema ist ja noch heiß, ich habe es in unseren Pads leider nicht
gesehen (vielleicht übersehen?).
Ich habe deshalb mal etwas gestrickt, das ich gerne als Antrag
einreichen würde - nicht für das Europaprogramm, da es ein Bundesthema ist.
Hier der Text:
....
Antrag Ferkelkastration
Die Versammlung möge beschließen, folgenden Text an passender Stelle im
Programm aufzunehmen:
(1)
Die Piratenpartei setzt sich dafür ein, dass im §5 Tierschutzgesetz eine
Ausnahme vom Tierarztvorbehalt für die Betäubung bei der
Ferkelkastration formuliert wird. Desweiteren setzen sich die Piraten
dafür ein, dass andere Betäubungsmittel und -formen als die bisher
einzig zugelassene Kombination aus Azaperon und Ketamin für diesen Zweck
zugelassen werden; sofern Betäubungsmittel in anderen Ländern bereits
zugelassen sind und erfolgreich eingesetzt werden, steht einem
verkürzten Zulassungsverfahren nichts im Wege. Als Beispiel ist die
Isofluranbetäubung durch den Halter zu nennen, die in der Schweiz
praktiziert wird.
(2)
Die Piratenpartei setzt sich dafür ein, dass eine Informationskampagne
über die Immunokastration mit Improvac durch die Bundesregierung
durchgeführt wird. Ziel der Kampagne muss sein, die Verbraucher über die
Natur und Wirkungsweise des Mittels umfangreich aufzuklären und
unbegründete Ängste abzubauen.
(3)
Die Piratenpartei lehnt die Aufzucht und Mast unkastrierter Eber als
nicht tierschutzgerecht ab, da das artgemäße Verhalten der Tiere bei
Eintritt der Geschlechtsreife zu schweren Verletzungen durch Rangkämpfe
führt.
Begründung:
Kurz vor Ende der Übergangsfrist für die betäubungslose Ferkelkastration
wurde die Frist nochmals um zwei Jahre verlängert. Anders als in den
Medien dargestellt, ist dafür jedoch nicht alleine das Risiko des
unangenehmen Geruchs bei Eberfleisch verantwortlich, genauso wenig wie
rein wirtschaftliche Interessen; vielmehr ist eine Betäubung in der
Praxis nach derzeitigem Recht nicht möglich, während gleichzeitig die
Aufzucht von unkastrierten Ebern schwere Tierschutzbedenken aufwirft.
Die Politik hat es leider in den vergangenen fünf Jahren versäumt,
andere Methoden zu ermöglichen - dies wird jetzt den Sauenhaltern
vorgeworfen.
Grundsätzlich wären vier Wege möglich:
* · Vollnarkose: Die Vollnarkose darf gemäß §5
Tierschutzgesetz nur durch den Tierarzt vorgenommen werden; einzig
zugelassen als Narkosemittel ist eine Injektionsnarkose mit Azaperon
und Ketamin. Dies ist aus mehreren Gründen nicht praktikabel:
o Es gibt in Deutschland nur ca. 5.600 niedergelassene Nutztierärzte
(davon ca. 4.600 als Nutz- und Kleintierärzte). Jährlich werden ca. 24
Millionen Eberferkel geboren; ein Tierarzt mit Helfer kann geschätzt
maximal 80 Tiere pro Tag kastrieren, also ca. 18.000 Tiere im Jahr
(unter Berücksichtigung von Wochenenden, Feiertagen und Urlaub). Dadurch
sind mehr als 1.300 Nutztierärzte zusätzlich erforderlich! Erschwerend
kommt hinzu, dass aufgrund von Hygienevorschriften jeder Tierarzt nach
Betreten eines Schweinestalls eine Quarantäne von 48 Stunden einhalten
muss, ehe er den nächsten Stall betreten darf. */(Bitte prüft meine
Schätzung! Ich bin kein Experte darin, wie schnell der TA schnippeln
kann.)/*
o Die Injektionsnarkose hat eine lange Nachschlafzeit von 3-4 Stunden;
Ferkel unter 7 Tagen müssen jedoch öfter als dies trinken und werden
durch die Narkose erheblich geschwächt. Bis zu einem Fünftel der Ferkel
stirbt direkt durch die Narkose oder an ihren Nachwirkungen. Ein so
hohes Risiko sehen wir als inakzeptabel an.
* · Örtliche Betäubung: Auch die örtliche Betäubung darf nur
durch den Tierarzt vorgenommen werden, was ebenfalls das oben
angesprochene Problem des Mangels an Tierärzten aufwirft.
Desweiteren ist derzeit kein örtliches Betäubungsmittel zugelassen,
und zusätzlich ist die Betäubung selbst schmerzhafter als die
betäubungslose Kastration, da das Mittel direkt in die Hoden
gespritzt werden muss.
* · Immunokastration mit Improvac: Diese Methode ist in
anderen Ländern bewährt und könnte auch in Deutschland durchgeführt
werden. Der Handel lehnt jedoch Fleisch von mit Improvac behandelten
Tieren ab, da Umfragen ergeben haben, dass Verbraucher dieses
Fleisch nicht kaufen würden aus Angst vor "Hormonfleisch". Es bedarf
einer umfangreichen Informationskampagne, um diese Angst abzubauen;
diese Kampagne kann nicht von den Landwirten kommen, da ihnen
Eigeninteresse unterstellt würde.
* · Eberaufzucht: Viele halten dies für den "Königsweg", da
die Tiere unverändert bleiben, ungeachtet des Ebergeruchs. Es gibt
jedoch schwere Bedenken in Bezug auf den Tierschutz, denn mit
Eintritt der Geschlechtsreife werden Eber territorial und aggressiv
gegen ihre Geschlechtsgenossen. Es kommt zwangsläufig zu
Rangkämpfen, bei denen sich die Tiere gegenseitig schwere
Verletzungen zufügen: Prellungen, Bisswunden, Knochenbrüche,
Penetrationsverletzung im Enddarm durch Aufreiten sowie
Bissverletzungen an den Genitalien bis hin zum Penisabriss sind
dabei die Regel. Bis zu 82% der unkastriert aufgezogenen Eber kommen
beim Schlachter mit schweren und schwersten Verletzungen an. Da es
sich um normales, artgemäßes Verhalten handelt, lässt es sich nicht
unterbinden. (Vgl. Verhalten von Wildschweinen: Eine Rotte besteht
aus einem ausgewachsenen Keiler, mehreren Bachen und deren
Jungtieren. Sobald die jungen Keiler geschlechtsreif werden, werden
sie vom Altkeiler vertrieben; er duldet keine anderen
geschlechtsreifen Männchen in der Rotte)
Quellen:
https://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/__5.html
https://www.bundestieraerztekammer.de/btk/statistik/
https://www.wir-sind-tierarzt.de/2015/02/vergleich-betaeubung-ferkelkastration/
http://www.animal-health-online.de/gross/2012/12/18/gang-bang-mit-tierwohllabel-arttypisches-eberverhalten-wird-zum-tierschutzproblem/23418/
http://www.animal-health-online.de/gross/2015/04/19/penisbeissen-schmerzschreie-blutungen-krummen-mehr-verluste-gravierende-tierschutzprobleme-in-der-ebermast-wissenschaftlich-dokumentiert/29847/
http://www.animal-health-online.de/gross/2012/11/21/tunnelblick-stinkefleisch-ist-nicht-das-einzige-problem-der-ebermast/22973/
https://www.topagrar.com/news/Schwein-News-Schwein-Improvac-besitzt-grosses-Skandal-Potenzial-4718044.html
http://www.animal-health-online.de/gross/2013/01/26/eberimpfung-mit-improvac-was-man-dazu-wissen-sollte/23843/
Achtung: Einige der Quellen enthalten Fotos von unkastriert aufgezogenen
Ebern mit den oben beschriebenen Verletzungen, nicht geeignet für
schwache Mägen.
.....
So, und jetzt: Feuer frei! Pflückt es auseinander, ergänzt es, sagt mir,
wo ich mit Schätzungen daneben liege. :)
Danke und liebe Grüße,
Manuela
--
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