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ag-landwirtschaft - Re: [Ag-landwirtschaft] FOCUS-Artikel: Die Bio-Aussteiger

ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Mailingliste der AG Landwirtschaft

Listenarchiv

Re: [Ag-landwirtschaft] FOCUS-Artikel: Die Bio-Aussteiger


Chronologisch Thread 
  • From: Klaus Reuter <aachener42 AT googlemail.com>
  • To: ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Ag-landwirtschaft] FOCUS-Artikel: Die Bio-Aussteiger
  • Date: Sun, 10 Jun 2012 08:59:24 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-landwirtschaft>
  • List-id: <ag-landwirtschaft.lists.piratenpartei.de>

Hallo Det,

ich bin mir nicht sicher, ob die Bio-Verbände in der Pflicht sind, ihre Verträge offen zu legen. Und ich glaube auch weiterhin, das der Passus  „Die Parteien verpflichten sich, ... ihren Mitarbeitern auch über die Dauer ihrer Tätigkeit für die jeweilige Partei hinausgehende Geheimhaltungsverpflichtung aufzuerlegen.“ keinen Maulkorberlass für die Landwirte darstellt.

Wenn das Thema in der AG aber als so wichtig angesehen wird, sollte man die Sache klären. Daher schlage ich vor, das die AG Landwirtschaft in Person einer der Koordinatoren sich an den Präsidenten von Naturland wendet und um Stellungnahme zu diesem Passus bittet.

Da die Vermutung aufgestellt wird, dass die anderen Bio-Verbände ebenfalls ähnliche Aussagen ihren Verträgen stehen haben, sollte eine ähnliche Anfrage ebenfalls an die Präsidenten aller anderen Bio-Verbände gestellt werden.

Um der Sache auf den Grund zu gehen, könnte man die Verbände auch bitten, deren Verträge studieren zu dürfen. Ggf kann man strittige Passagen dann noch zusätzlich mit Juristen diskutieren.

Viele Grüsse, Klaus


Am 9. Juni 2012 18:56 schrieb Detmar Kleensang <detmar AT gmx.de>:
Moin! 

Vorab: ich glaube tendenziell (oder meinetwegen "tendenziös") eher Berufskollegen als Verbänden. Und die Aussagen der im Focus-Artikel interviewten wiegen schwer.

Der Skandal ist da, und daher sind jetzt, so meine ich, die Bioverbände in der Bringschuld, entsprechend lückenlos aufzuklären. Niemand sonst! Die Bioverbände sind jetzt in der Pflicht, all diese Verträge offenzulegen, zu veröffentlichen, ohne Kürzungen, ohne Zensur. Damit jeder nachlesen kann, dass die Vorwürfe ungerechtfertigt sind.

Der Maulkorb-Vertrags-Passus „Die Parteien verpflichten sich, ... ihren Mitarbeitern auch über die Dauer ihrer Tätigkeit für die jeweilige Partei hinausgehende Geheimhaltungsverpflichtung aufzuerlegen.“ wirkt in beide Richtungen. Man könnte ja noch sagen, dass ein Verbandsberater oder sonstiger Funktionionär oder Bediensteter nichts einzelbetriebliches an Daten veröffentlichen darf. 
Das aber den Bauern auch Verschwiegenheit abgefordert wird wundert mich schon sehr. Was haben die Bioverbände zu verbergen, dass es unbedingt einer beidseitig wirkenden Verschwiegenheitsklausel bedarf?
Die zudem ja auch noch äußerst rigoros gestaltet ist, da sie explizit die Verschwiegenheit auch noch über das Vertragsverhältnis und dessen Laufzeit hinaus fordert!

Nein, so etwas hat es nicht zu geben! Punkt. 

Die konventionelle Landwirtschaft ist eine weitestgehend gläserne Landwirtschaft. Weitestgehend, weil ich die industrielle Landwirtschaft davon ausgenommen sehe. Es gibt AFAIK nicht einen einzigen Datensatz über die konventionelle Landwirtschaft, der nicht irgendwo von irgendwem erhoben und veröffentlicht wird. Meist sogar redundant!

Von meinem Betrieb sind sämtliche Betriebskennzahlen veröffentlicht. Umsatz, Gewinn, Subventionen, Betriebsgröße, Ausrichtung, Art der Stallungen und der Haltungsform, wieviele Tiere welcher Art und in welchem Lebensstadium, welche Medikamente in welchen Mengen verwendet wurden, das selbe für Pflanzenschutzmittel, wieviel Diesel ich verbraucht habe, was für Maschinen ich habe, schlicht alles! 
Jeder Pfütze und jeder Busch auf meinem Land ist registriert und wird, wenn ich Pech habe, Dank Luftbilder als Teichanlage oder anderes Landschaftselement ausgewiesen und aus meiner Produktionsfläche herausgerechnet. 

Was also sollte ich noch verheimlichen? Es ist alles bereits bekannt!

Bei einigen Bioverbänden scheint dies aber nach Focus-Recherchen nicht so zu sein. Denn die haben offensichtlich "Verschwiegenheitsklauseln" in ihren Verträgen. Und so etwas gibt es in der gesamten konventionellen Landwirtschaft nicht! Ist mir nie zu Ohren gekommen.

Wie gesagt: in die Richtung, dass Berater nichts einzelbetriebliches veröffentlichen dürfen, könnte man solche Maulkorberlasse billigen. Aber doch nicht in der anderen Richtung, dass ein Bauer nichts über seinen Bioverband sagen darf. 

Auch, dass erworbenes Wissen, sofern es der Beratung, Wissenschaft, Weiterentwicklung des Bio-Anbaus förderlich ist, per Verschwiegenheitsklausel unterbunden nicht an Dritte weiterzuverbreiten erlaubt sein soll halte ich für "unpiratig". Als piratig galt doch, das erworbenes Wissen geteilt wird, um der Allgemeinheit zu nutzen. Und solange es nichts einzelbetriebliches angeht. 

Wenn die Zahl und die Gründe der vielen Rückumsteller von Bio zu konventionell hin offen diskutiert werden, warum habe ich davon dann noch nichts gelesen? Die im Focus-Artikel angesprochenen Bio-Verbände hätten doch schon längst eine Richtigstellung einfordern oder selber tätigen können. Ist mir da etwas entgangen oder hat es das bis dato nicht gegeben? 

Ich sehe ganz klar die Bio-Verbände in der Pflicht, ihre Verträge offenzulegen, damit diese schwerwiegenden Vorwürfe lückenlos aufgeklärt und ausgeräumt werden können. Solange von dieser Seite nichts kommt… Naja, wie gesagt, es schadet deren Ansehen deutlich. Denn in diesem Punkt haben stehen sie der übrigen konventionellen Landwirtschaft offenbar deutlich nach.

Nichts desto trotz meine ich generell, dass es diese Trennung zwischen Bio und konventionell möglichst nicht mehr allzu lange geben sollte. Denn es schürt in der Tat nur die Neiddebatte und unterschiedliche Vertragsausgestaltungen bringen, wie man hier sieht, noch mehr Ärger und Unfrieden in das System. Gleiches Recht und gleiche Pflichten für alle und wer dann freiwillig mehr tun möchte darf nicht behindert werden und muss seinen Mehraufwand auch am Markt erwirtschaften können.

Gruß, Det


Am 09.06.2012 um 14:21 schrieb Klaus Reuter:

Ahoi,

das muss nun aber doch widersprechen, weil der Artikel in seiner Gesamtheit sehr tendenziös ist und einige falsche Aussagen enthält.

Aber vielleicht fange ich mit dem letzten Absatz über den Passus im Naturland-Vertrag an, der als "umfassendes Redeverbot" dargestellt und den Stephan und Det unmöglich finden. Ich kenne den Zusammenhang nicht, in dem dieser Satz steht, aber die Aussage „Die Parteien verpflichten sich, ... ihren Mitarbeitern auch über die Dauer ihrer Tätigkeit für die jeweilige Partei hinausgehende Geheimhaltungsverpflichtung aufzuerlegen.“ bedeutet für mich als angestellter Berater eines Anbauverbandes zu allererst, dass ich auch nach einem Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber, zunächst mal nichts über das im Rahmen meiner Beratungstätigkeit erworbenen Wissen an Dritte weitergeben. Das ist für mich keine Ungeheuerlichkeit, sondern eine Sebstverständlichkeit, ohne die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Landwirt und Berater gar nicht möglich wäre. Auch Det wäre es vermutlich nicht recht, wenn sein Berater alles, was er bei ihm auf dem Betrieb hört und sieht an Dritte weitergibt. Um tiefer in diese Diskussion einzusteigen, müssten wir uns aber besser mit dem kompletten Vertrag ansehen. Deshalb wie Det es macht, im Bausch und Bogen alle Anbauverbänden zu verdammen, ist überzogen.

Nun zu einigen anderen Punkten.

1) "Mehr und mehr Ferkel verendeten: „Weil ich sie wegen der Bioverordnung nicht adäquat behandeln konnte.“ Deshalb entschied er sich auszusteigen." Das ist einfach falsch, weil nach EG-Öko-Vo alle in Deutschland zugelassenen Medikamente auch von den Öko-Landwirten eingsetzt werden dürfen. Zu beachten ist allerdings die doppelte Wartezeit und das bei manchen Verbänden einige Arzneimittelgruppen (z.B. Hormone) nur mit Ausnahmegenehmigung eingesetzt werden dürfen.

2) "Die Beibehaltung der Bioproduktion bringt noch mal zwischen 300 und 720 Euro – jährlich."
Die Beibehaltungsförderung liegt zwischen 131 €/ha Grünland in Brandenburg (bzw. 0 €/ha in Schleswig-Holstein) und 864 €/ha für Intensivobst in Sachsen. Details hätte der Autor hier http://www.oekolandbau.de/erzeuger/umstellung/foerdermittel/ nachlesen können. Aber interessanter ist es natürlich, etwas zu Neiddebatte beizutragen.

3) "Doch es gibt eine kaum minder beeindruckende Zahl, die nur eine Hand voll Experten kennt: 930 Betriebe haben allein im Jahr 2009 der Bewegung den Rücken gekehrt. Fragt man danach, sind die Verbände deutlich zugeknöpfter."
Über die Zahlen wird in der Szene überhaupt kein Geheimniss gemacht, sondern die Gründe für eine Rückumstellung werden offen diskutiert. Das der Strukturwandel in der Landwirtschaft auch den Ökolandbau erfasst hat, wird von niemanden bestritten. Die Zahlen sind öffentlich und keineswegs "nur einer Hand voll Experten" bekannt. Für den Einstieg findet man hier schon so einiges an Daten: http://www.oekolandbau.de/service/oekolandbau-in-zahlen/

Und das auch im Ökolandbau die Wirtschaftlickeit besser und die Erzeugerpreise nach oben gehen müssten, darüber sind sich die Landwirte fast alle einig. Deshalb tun sie auch etwas und organisieren sich wie z,B. hier: http://www.bioschweine-deutschland.de/  oder hier http://www.bke-verein.de/ oder hier: http://www.oekolandbau.nrw.de/fachinfo/tierhaltung/milchkuehe/bio-meg_2008.

Viele Grüsse, Klaus


Am 6. Juni 2012 19:17 schrieb Detmar Kleensang <detmar AT gmx.de>:
Ja, hatte ich auch schon mal hier gepostet.

Da haben diese Bio-Verbände dringendes Aufklärungs- und Besserungspotential, bevor sie von irgendjemandem wieder ernst genommen werden können.

Die konventionelle Landwirtschaft rühmt sich seit Jahrzehnten damit, eine "gläserne Landwirtschaft" (Polit-Kampagne wimre 80er Jahre) zu sein und bei Bio-Verbänden gibt es Verschwiegenheitsklauseln in den Verträgen?

So etwas ist echt das allerletzte! Geht gar nicht! Dringendes Moratorium betreffs Äußerungen der Bio-Verbände, bis solche Vertragsklauseln ausgemerzt sind!

Gruß, Det


Am 06.06.2012 um 18:28 schrieb Stephan Verbücheln:

> <http://www.focus.de/wissen/technik/tid-25909/forschung-und-technik-medizin-die-bio-aussteiger_aid_743729.html>
>
>
> Besonders in sich hat es der letzte Absatz:
>
>> Eine offene Diskussion um solche Erfahrungen findet jedoch kaum
>> statt. Wer beispielsweise bei Naturland eintritt, muss einen Vertrag
>> unterschreiben, der ein umfassendes Redeverbot regelt. „Die Parteien
>> verpflichten sich, ... ihren Mitarbeitern auch über die Dauer ihrer
>> Tätigkeit für die jeweilige Partei hinausgehende
>> Geheimhaltungsverpflichtung aufzuerlegen.“ Da würde noch vieles ans
>> Licht kommen, sagt einer der Ex-Biobauern, der lieber nicht genannt
>> werden will.
>
>
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>
> Gruß
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