ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
Betreff: AG Gesundheit
Listenarchiv
- From: trophos <trophos AT news.piratenpartei.de>
- To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
- Subject: [AG-Gesundheit] Krankenversicherung aus piratischer Sicht (Datenschutz)
- Date: Wed, 01 Feb 2012 12:32:15 +0000
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
- List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>
- Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver
Hallo Zusammen!
Vorweg: Beobachte das Forum Gesundheit noch nicht so lange, bitte entschuldigt also, wenn ich ein Thema aufgreife, dass anderswo bereits ausführlich behandelt wurde und ich es über die Suchfunktion einfach nicht gefunden habe.
nun zunächst meine Beobachtungen: Ein zentraler Grundsatz des piratischen Selbstverständnisses scheint ein Recht auf sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe (als Voraussetzung für die Freiheit des Einzelnen), und eine Sicherstellung der Versorgung aller mit dem medizinisch Notwendigen gewissermaßen ein Aspekt dieser "sicheren Existenz" weswegen wahrscheinlich unter Piraten auch fast immer ein Konsens zu erzielen sein wird, dass es zumindest eine medizinische Basisversorgung geben muss die auch "solidarisch" finanziert werden sollte. Solidarisch wohl aber im weitesten Sinne, nämlich dass alle gesellschaftlichen Akteure (Arbeiter, Angestellte, Beamte, Selbstständige, Institutionen, Unternehmen) nach ihrer je individuellen Leistungsfähigkeit an der Finanzierung beteiligt werden sollten. Ab hier scheint es dann, wenn es konkreter wird, auseinander zu gehen, wie eine solche Finanzierung aussehen könnte (Stichwort: Reformer vs. Solidarier).
Was mich beschäftigt: ein weiterer zentraler Grundsatz (vielleicht sogar noch stärker ein Teil der piratischen Identität) ist ja immer der Datenschutz und die informationelle Selbstbestimmung als Voraussetzung für die Freiheit des Einzelnen. Unter diesem Aspekt müsste man gerade auch das Gesundheitswesen - wo es ja immer um hoch sensible persönliche Daten geht - so betrachten, dass immer die Prinzipien der Datenvermeidung bzw. Datensparsamkeit an höchster Stelle stehen.
eigene Schlussfolgerungen: Dies führt nun meines Erachtens dazu, dass eine Bürgerversicherung (so wünschenswert das kurzfristige Ziel einer gerechte Beteiligung aller an den Kosten der Gesundheitsversorgung ist) kein piratisches Modell der Finanzierung sein kann. Die Vorstellung ich müsste meiner Krankenkasse gegenüber regelmäßig meine Einkommensverhältnisse offen legen (wieviel verdiene ich durch Arbeit, selbstständige Tätigkeit, Vermietung, Börsengewinne, ...), damit diese dann meinen Beitrag festsetzen finde ich grauenhaft. Dort wird das dann gespeichert und jeder Sachbearbeiter kann das dann einsehen, nur eine von den über 130 KVen braucht da ein wenig lockere Einstellungen zum Datenschutz haben und plötzlich sind diese Daten von 1000en Versicherten online, und bei jedem Kassenwechsel muss ich wieder bei einer neuen Institution "die Hosen runter lassen".
Leider ist aus dem selben Grund auch ein privatwirtschaftliches System mit Zwangsversicherung bei einer privaten Krankenversicherung schwierig (Facebook, googleaus datenschutzrechtlicher Sich und Co beweisen ja täglich wieviel Verlass auf meine persönlichen Daten bei einem privaten Unternehmen ist), wer schon einmal einen privaten Versicherungsvertrag abgeschlossen hat weiss wieviel man da von sich preisgeben muss.
Meines Erachtens muss der piratische Weg einer Finanzierung eines Gesundheitssystems daher über die allgemeinen Steuereinnahmen erfolgen. Steuerdaten werden immer erhoben werden müssen (der Staat muss sich ja finanzieren), das lässt sich wohl nicht vermeiden. Ansonsten muss ich aber als Bürger die Freiheit haben mich dem Kontakt (und damit heutzutage der Zwangserfassung meiner Daten) mit irgendeiner Institution (Krankenversicherung, privates Versicherungsunternehmen) zu entziehen.
Meines Erachtens sollte es aus ähnlichen Beweggründen so sein, dass die o. g. medizinische Basisversorgung (Versorgung lebensbedrohlicher akuter Erkrankungen, Versorgung bestimmter schwerwiegenden chronischen Erkrankungen) jedem Bürger sogar mehr oder weniger anonym zur Verfügung steht (ich gehe in eine öffentliche Klinik oder zu einem regional festgelegten Arzt und werde behandelt, es werden nur die notwendigsten Daten erfasst und der Umgang mit den Daten streng überwacht (Datenschutzbeauftragter, ...)), wer darüberhinausgehende Leistungen in Anspruch nehmen möchte kann sich natürlich krankenversichern.
Das klingt jetzt vielleicht ein wenig Paranoid (habe gerade mal wieder Doctorow: little brother gelesen) und ist natürlich im Konkreten schwierig umzusetzen, weil völlig anderes System etc. aber wer wenn nicht die Piraten sollte über ein Gesundheitssystem nachdenken, dass nicht von den jetzigen Akteuren desselben ausgeht (Ärzte, Apotheker, Pflegekräfte, Manager) sondern von den Bürgern und seinem Recht auch in Gesundheitsangelegenheiten jederzeit Freiheit und Kontrolle über seine Daten zu haben.
Gruß
trophos
- [AG-Gesundheit] Krankenversicherung aus piratischer Sicht (Datenschutz), trophos, 01.02.2012
- Re: [AG-Gesundheit] Krankenversicherung aus piratischer Sicht (Datenschutz), haarbrandt, 01.02.2012
- Re: [AG-Gesundheit] Krankenversicherung aus piratischer Sicht (Datenschutz), trophos, 01.02.2012
- Re: [AG-Gesundheit] Krankenversicherung aus piratischer Sicht (Datenschutz), Wolfgang Gerstenhöfer, 02.02.2012
- Re: [AG-Gesundheit] Krankenversicherung aus piratischer Sicht (Datenschutz), trophos, 02.02.2012
- Re: [AG-Gesundheit] Krankenversicherung aus piratischer Sicht (Datenschutz), Wolfgang Gerstenhöfer, 02.02.2012
Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.