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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] AG-Gesundheitswesen Nachrichtensammlung, Band 5, Eintrag 48

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] AG-Gesundheitswesen Nachrichtensammlung, Band 5, Eintrag 48


Chronologisch Thread 
  • From: Jens Christoph Steltner <christoph.steltner AT googlemail.com>
  • To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] AG-Gesundheitswesen Nachrichtensammlung, Band 5, Eintrag 48
  • Date: Sun, 2 May 2010 16:51:36 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Ahoi,

Am 1. Mai 2010 17:53 schrieb Morgan le Fay <input.output AT freenet.de>:
>> Steigerung der Medizinstudentenzahlen ist problematisch, da die Studenten
>> auch am Patienten praktisch ausgebildet werden müssen. Das kommt bereits
>> heute aufgrund einer ungünstigen Studenten/Patientenzahl viel zu kurz.
>>
> Das ist für mich ein neuer Aspekt! Könntest Du das bitte mal genauer
> beschreiben? Bei uns Augenoptikern herrschte an Testpersonen kein Mangel,
> allerdings mussten wir auch keine Bäuche aufschneiden. :-D

das Problem ist für sich genommen kein neues, nur eines das von der
Politik bisher noch nie beachtet wurde. Zwar wurden immer fleißig mehr
Studenten gefordert, aber niemand hat sich ernsthaft angeschaut wie
denn die Situation im Studium aussieht...

Ich beschreibe mal kurz die Situation, wie ich sie als Student an der
Universität Marburg erlebe: Wir sind im ersten Semester mit fast 500
Studenten in die Vorklinik gestartet, davon sicherlich 1/4 nur mit
Teilzeitstudienplätzen, was bedeutet das man sich nach bestandenem
Physikum erstmal wieder neu bei den Universitäten bewerben muss. Von
denen hat übrigens kaum einer im Anschluss an das Physikum einen neuen
Studienplatz in Marburg gekriegt. Bereits in der Vorklinik waren
sowohl die personellen, als auch die räumlichen Möglichkeiten am
Anschlag, wir hatten kein einziges Seminar in dem wir unter 20
Studenten gewesen wären. In den Praktika sah es ähnlich aus, oftmals
hatten wir auch nur sehr alte und teilweise nicht mehr vollständig
einsatzbereite Versuchsgeräte.

Nach dem Physikum sind wir mit weniger als 250 Studenten in die Klinik
gestartet, wobei wir als komplettes Semester in zwei Kohorten
eingeteilt werden und nur jeweils ein Semester lang einen
Themenbereich abhandeln. Im fünften Semester war das für die eine
Kohorte Innere Medizin, für die andere Chirurgie - im sechsten dann
genau umgekehrt. Auch hier sind wir in praktisch keinem Seminar unter
20 Studenten, in den Praktika sind wir üblicherweise 5 bis 10 in einer
Gruppe Studenten. Was auch bedeutet, das eine individuelle Betreuung
einfach nicht stattfinden kann - falls doch, dann liegt das nur am
überdurchschnittlichen Engagement einzelner Dozenten. Mal abgesehen
davon, das man in solchen Gruppen den Stationsalltag empfindlich stört
und es den Patienten gegenüber sicher auch nicht angemessen ist. Und
das gilt für große Institute, kleine wie z.B. die Humangenetik sind
darauf angewiesen Seminare (!) mit 60 bis 80 Studenten zu
veranstalten, weil schlichtweg kein Lehrpersonal vorhanden ist. Oder
ein gesamtes Fach wie Pädiatrie wird in 10 Tagen mit jeweils 90
Minuten Seminar vollständig abgehandelt.

Hier in Marburg speziell kommt als Problem noch hinzu, das wir
zusammen mit Gießen als "Universitätsklinikum Gießen und Marburg"
privatisiert worden sind und an Rhön verkauft worden sind. Was für uns
Studenten bedeutet, das wir den üblichen Betrieb noch mehr stören als
dies eh schon der Fall ist und die Ärzte in der Regel keine Zeit mehr
haben, welche sie in die Lehre investieren können. Ob man da irgendwas
im Praktikum auf der Station lernt ist eher ein Glücksspiel, als eine
Gewissheit. Insgesamt also eine sehr unbefriedigende Situation, die
ich jetzt nicht weiter ausführen möchte...

Wir sind zwar nur eine kleine Universität, aber den großen wird es
sicherlich ähnlich gehen, die Studiengänge (grade auch Medizin) sind
bei Auslastungen von 100 bis 120%. Um mehr Studienplätze schaffen zu
können, müsste vor allem mal mehr Geld in die Universitäten fließen,
da hilft es herzlich wenig wenn irgendwelche Minister fordern man
müsste mehr Studienplätze schaffen. Die Situation ist jetzt schon kaum
auszuhalten. Und wenn man wirklich was lernen will, muss man das
selbst in seiner Freizeit übernehmen, denn die Uni schafft das einfach
nicht.

-- Christoph




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