Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Kreditlaufzeiten & Zahlungsmittel, was: Rechtliche ...

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

Listenarchiv

Re: [AG-GOuFP] Kreditlaufzeiten & Zahlungsmittel, was: Rechtliche ...


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Kreditlaufzeiten & Zahlungsmittel, was: Rechtliche ...
  • Date: Mon, 23 Apr 2018 11:40:36 +0000

Hallo Gerhard,

du schreibst:

moneymind schrieb:
- Zahlungsmittelflüsse (Einzahlungen/Auszahlungen) - Nettogeldvermögensflüsse (Einnahmen/Ausgaben) - Nettovermögensflüsse (Erträge/Aufwendungen)
Das Suffix '-flüsse' impliziert eine räumliche Analogie. Dies ist jedoch
irreführend. Die Strenge buchhalterischer Logik impliziert jedoch die
Abnahme des Bestandes auf dem Quellkonto und die Zunahme des Bestandes
auf dem Zielkonto, welche gleichzeitig erfolgt.

Ja, die "Fluß"-Metapher ("Wasser") ist - obwohl gebräuchlich ("Liquidität" = "Flüssigkeit", usw.) - hier irreführend, da Buchung und Gegenbuchung gleichzeitig erfolgen. Stützel sieht dies klar, und schlägt deswegen vor, eher wie Copeland eher eine Analogie zu elektrischem "Strom" (ebenfalls eine Metapher) zu verwenden - wenn man überhaupt Metaphern verwenden will.

Dies wusste auch schon Morris Copeland, der in [1] schrieb:
5) The process of payment is instantaneous in the sense that no paying transactor loses title to a penny of cash until title is acquired by the payee – all the currency and deposit liabilities of the banking sector are always owned by someone. (p 236 Ch. 12)
Auch Stützel referenziert Copeland in der Fußnote zu Beginn des 2.
Kapitels der Saldenmechanik. Grundsätzlich hat Stützel die
'Zeitlosigkeit' der Zahlung verstanden, scheint aber noch in einer
räumlichen Analogie verhaftet zu sein, wenn er von geschlossenen
Röhrensystemen spricht.

Er ist sich aber klar dessen bewußt, daß es sich hier nur um Metaphern handelt und Buchung/Gegenbuchung genau gleichzeitig erfolgen, siehe z.B. "Volksw. Saldenmechanik", 2011, S. 58, FN 58.

Die wesentliche Ergänzung von Schmitt und
Cencini besteht in der 'Nichtlokalität' von Geld. Dies erlaubt die
Unterscheidung in der Zahlung selbst (Angabe von Quelle, Ziel und
numerische Form des Zahlungsbetrages) und dem Resultat der Zahlung, den geänderten Depotbeständen im Verrechnungssystem bei Quelle und Ziel.

Kann man so sehen, aber man kann es m.E. auch klarer ausdrücken. Es wird dabei nichts transferiert. Sondern es ändern sich rechtswirksam gerichtlich durchsetzbare Verpflichtungsbeziehungen zwischen Rechtpersonen (und deren darauf bezogene Erwartungen).

Jetzt wird auch deutlich, was bei der Lohnzahlung passiert: Aus der
unspezifizierten numerischen Form im Bankdepot des Unternehmers ist
Geld-Einkommen im Bankdepot des Lohnempfängers entstanden. Die
schuldrechtliche Beziehung zwischen Lohnempfänger und Unternehmer ist
finalisiert.

Kann man so sehen, Rechtsbeziehungen bestehen aber zwischen (1) Lohnempfänger und Bank und (2) Bank und Unternehmen. Die Bank fungiert als Intermediär in der Gläubiger-Schuldner-Kette zw. Lohnempfänger und Unternehmen.

Das Geld-Einkommen auf dem Konto des Lohnempfängers
begründet den Anspruch auf seinen Anteil am gesamtwirtschaftlichen
Output.

Rechtlich zwar nicht, de facto & praktisch jedoch schon (wenn wir mal von einer hyperinflationären Situation absehen).

Die heterogene Sphäre der Güter und Dienstleistungen ist jetzt
homogenisiert, die physische Analogie liegt daher in der Dimension Zeit,
da Löhne und Gehälter i.d.R. monatlich gezahlt werden. Mit anderen
Worten Geld quantisiert Zeit oder wie Cencini formuliert 'Geld
integriert Zeit'; kurzum Geld *ist* Zeit.

Das klingt für mich sehr vage und unpräzise, hat aber einen richtigen Kern. Zeit ist wichtig, weil Kredite definierte Fälligkeitstermine haben. Der Unternehmer muß daher seine Verbindlichkeiten nach Fälligkeit und seine Umlauf- und Anlagevermögen nach "Liquidität" sortieren, d.h. nach dem Zeitraum, den er erwartet zu benötigen, um einen Vermögensgegenstand gegen die Zahlungsmittel zu verkaufen, die er zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit braucht: das ist "unternehmerische Liquiditätsplanung".

Daher ja die goldene Finanzierungsregel, daß langfristig benötigte Gegenstände des Anlagevermögens per Eigenkapital finanziert sein sollten (das im Gegensatz zum Fremdkapital unbegrenzt zur Verfügung steht), mittelfristig benötigtes Umlaufvermögen per mittelfr. Krediten (Fremdkapital) und nur kurzf. benötigtes Umlaufvermögen (z.B. Einzelhandel - Lebensmittel) per kurzfr. Krediten.

Das ist der Hirnfick, dem man
erst einmal geistig verarbeiten muss und sich so sehr von unserer
Alltagsvorstellung unterscheidet. Wenn man sich aber darauf einlässt,
dürften sich etliche Paradoxien auflösen.


Mir scheint das recht trivial zu sein, wenn man es aus der Perspektive von BWL und Recht betrachtet, s.o. Den Eindruck, daß die Fristenstruktur der Verbindlichkeiten bei Stützel nicht die wichtige Rolle spielt, die es in der kaufmänn. Praxis spielt, habe ich aber auf meinem gegenwärtigen Kenntnisstand seines Werks aber auch. Da habe ich noch eine Reihe offener Fragen.

Eine unmittelbare Folgerung aus dieser Erkenntnis besteht darin, dass
sich jetzt die unreflektierte Anwendung mathematische Methoden die die
Zeitabhängigkeit in Form einer Exponentialfunktion formulieren, auf
Makroebene verbieten. Sobald man die Exponentialfunktion
<latex>e^x</latex> als Potenzreihe
<latex>\sum_{n=0}^\infty\frac{x^n}{n!}</latex> darstellt, was in der
reinen Mathematik eine simple Äquivalenzumformung ist, wird bei der
konkreten Anwendung mathemetischer Methoden zum Problem, wo man auch
Einheiten betrachten muss. Im ökonomischen Bezug auf Geld angewandt,
führt das zu einem unsinnigen Ausdruck sec + sec^2 +sec^3 …

In der Lehrbuchökonomie wurde dies formal durch die Unterscheidung in
nominal und real aufgelöst (klassische Dichotomie). Die aus der
Finanzmathematik bekannten Verfahren sind davon unberührt, ist es doch
Ziel dieser Verfahren, eine Folge zu ermitteln, in der Höhe und
Zeitpunkt von Zahlungen festgelegt werden.

Ok - hier fällt mir schwer, genau zu verstehen, worauf Du hinauswillst. Mich würde eher interessieren, wie man Fälligkeitsterminen von Krediten von vorneherein in die Definition von Liquidität und Zahlungsmitteln einbezieht und dann systematisch in ein Makro-Modell einbaut.

Grüße + danke für die Hinweise!
Wolfgang



Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang