- From: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
- To: Hajo Köhn Neue Geldordnung <hajo.koehn AT neuegeldordnung.de>
- Cc: "ag-geldordnung-und-finanzpolitik@lists piratenpartei. de" <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [AG-GOuFP] NGO_Gudehus
- Date: Tue, 2 Feb 2016 19:06:40 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hallo Hajo,
ich habe mit großem Interesse das Kapitel 19 Neue Geldordnung von Gudehus gelesen.
Seine Einschätzungen teile ich in hohem Maße. Teilweise sehe ich die Dinge noch kritischer als er:
M.E. schränkt die Mindesreservequote die Geldschöpfung der Geschäftsbanken nicht ein, weil die Mindestreserver zum gleichen Zinssatz verzinst wird, wie deren Finanzierung. Im Endeffekt führt die Mindestreserve lediglich dazu, dass ein Teil der Sicherheiten der Geschäftsbanken bei der Zentralbank landen.
Münzen sind wie Banknoten verbriefte Inhaberschuldverschreibungen und damit „Passivgeld“. Die Passivposition müsste allerdings in der Bilanz des Bundes stehen, weil Münzen zinslose Inhaberschuldverschreibungen des Bundes sind, die an die Zentralbank verkauft werden und von dort über die Geschäftsbanken an die Nichtbanken weiterverkauft werden. Die Vorstellung, dass Münzgeld ein Eigentumsrecht an einer Sache ist, beißt sich mit dem Recht Münzen jederzeit in Banknoten oder Giralgeld umwandeln zu können.
Die Position Münzgeld stellt lediglich den Bestand an Münzen bei der Zentralbank dar und nicht die Umlaufmenge wie bei Banknoten. (Gudehus sieht das genau so.)
Primäre Geldschöpfungsgewinn entsteht bei der Zentralbank und Geschäftsbank bei der Giralgeldschöpfung auch dadurch, dass aktivierungsfähige Aktive erworben werden. Beispielsweise der Bau oder Kauf eines Bürogebäudes. Das Bürogebäude ist in diesem Fall der primäre Geldschöpfungsgewinn. Der kann allerdings wieder verloren gehen, wenn die Erträge aus der Nutzung des Gebäudes kleiner sind als der Aufwand einschließlich Abschreibung.
Aktiv-Geld im Sinne Gutehus wäre ein Eigentumsrecht an einer Sache. Die Konsequenz wäre, dass die Zentralbank nicht mehr für die Pflege des Bargeldes zuständig wäre und es auch keine Veranlassung gäbe einmal verkauftes Bargeld wieder zurückzunehmen.
Die besser Konstruktion scheint mir die zu sein, dass Bargeld als verbrieftes und Giralgeld als verbuchte Ansprüche auf Geld geführt werden.
Eine einmalige Realisierung des Geldschöpfungsgewinns (= primärer Geldschöpfungsgewinn) wäre auch bei „Passiv-Geld“ möglich, indem auf der Aktiv-Seite der Bilanz eine Position geschaffen wird mit dem Titel: Geld zum dauerhaften Verbleib im Geldsystem (GdV). Der Buchungssatz würde lauten: GdV an Girokonto Staat.
QE kann, wenn überhaupt nur einen sehr geringen Effekt auf die realwirtschaftliche Konjunktur haben, weil dadurch lediglich die Interbankenverschuldung in eine Zentralbank-Geschäftsbankenverschuldung verlagert werden kann.
Um einen Effekt zu erzielen müsste die Zentralbank direkt Kredite an Unternehmen und Haushalte geben, d.h. Haushalte und Unternehmen müssten Konten bei der Zentralbank haben.
Daher sehe ich die Wirkungskette der Abb. 19.4 so nicht und sie wird m.E. auch von Gudehus selbst relativiert:
Zitat Seite 429: "Geschäftsbanken verleihen an Nichtbanken kein Zentralbankbuchgeld sondern Giralgeld. Dazu sind sie jedoch nur bereit und in der Lage, solange kreditwürdige Kunden
zusätzlichen Geldbedarf haben."
In der Frage, was Geld sein sollte unterscheiden wir uns:
Gudehus schreibt auf Seite 436: Rechtlich ist das gesetzliche Geld eine unbefristete, jederzeit übertragbare staatliche
Lizenz zur Nutzung als Zahlungsmittel. Münzen, Banknoten, Kontostandangaben, elektronisches Geld und andere Erscheinungsformen des Geldes sind gesetzlich autorisierte
Informationsträger, die angeben, über welchen Nennwert der Besitzer einer Münze oder
Banknote bzw. über welche Geldmenge ein Kontoinhaber verfügen kann.
Da eine Lizenz auch ein subjektives Recht ist, besteht zumindest hierüber Einigkeit, dass Geld ein subjektives Recht ist und sein sollte.
Die Frage ist nur, aus welchen subjektiven Rechten macht man das beste Geld. Und hier scheiden sich vermutlich die Geister, aber diese Frage sollte im Detail diskutiert werden. Es ergeben sich m.E. Ungereimtheiten. Beispiel: Eine Kontostandsangabe ist kein Informationsträger, sondern eine Information und die Festplatte auf der diese Information steht ist der Informationsträger. Eine Lizenz ist ein Nutzungsrecht an einem anderen Recht. Dieses andere Recht, auf das sich die Lizenz bezieht, wäre demnach das Geld. Und nun stellt sich die Frage: „Was genau sollte dieses andere Recht sein?"
- Re: [AG-GOuFP] NGO_Gudehus, Arne Pfeilsticker, 02.02.2016
Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.