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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- Subject: [AG-GOuFP] Gerechtes Geld? Teil 4
- Date: Sat, 24 Oct 2015 17:35:11 +0200
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Gerechtes Geld?
6.) Anforderungen an gerechtes Geld
6.1.) Stabile Währung
Wie zum Messen von Längen das Meter und zum Messen von Massen
das Kilogramm als beständige Maßstäbe, so muss auch zum Messen
von Tauschmacht und Kaufkraft ein stabiles Maß zur Verfügung stehen,
das sich nicht im Verlaufe der Zeit verformt. Ob sich die
Währungseinheit verformt, zeigt sich an dem Wert, den das
Tauschmittel hat, das auf die Währungseinheit lautet.
Wie aber soll eine Währung auf einen Wert ihrer Währungseinheit
stabilisiert werden (Maßstab), wenn das Geld (Tauschmittel), an
dessen Tauschkraft sich die Stabilität der Währung erweisen muss,
ein monetärer Zwitter mit einem eigenartigen doppelten Wert ist?
Da das Geld bei Kassa-Geschäften einen anderen Wert hat als bei
Termingeschäften, wird die Währungseinheit faktisch
“auseinandergerissen”, und zwar mit Ablauf von Zeit. Deshalb ist die
Aufgabe, die Währung zu stabilisieren, so lange logisch und technisch
nicht lösbar, wie nicht wenigstens das Geld, das auf die
Währungseinheit lautet, beim Ausgeben den gleichen Wert hat wie
beim Bereithalten oder Anlegen (bei Kassa-Geschäften den gleichen
Wert wie bei Termingeschäften). Solange das Geld einen nach Märkten
gespaltenen Wert hat, ist eine Divergenz in die monetären Prozesse
einprogrammiert (monetäre Schere), die es unmöglich macht, zugleich
die Währung stabil und die Wirtschaft im Gleichgewicht zu halten. Nur
dann, wenn die bereitgehaltene oder angelegte Geldeinheit nicht mehr
mehr wert ist als die ausgegebene, wenn angelegtes Geld dem
ausgegebenen nicht mehr davon wächst, ist die Aufgabe, die Währung
zu stabilisieren, wenigstens logisch konsistent lösbar. Wie die
technische Lösung aussieht, steht auf einem anderen Blatt.
6.2.) Geld als fairer Tauschmittler
Geld darf im Wirtschaftsverkehr nicht länger dem, der es anbietet,
einen durchschnittlichen Vorteil gegenüber dem anderen verschaffen,
der Waren oder Dienstleistungen bietet. Zwar muss das Geld als
generalisiertes Tauschmittel der Joker unter den Tauschobjekten
bleiben, wenn es seine Funktionen in der Wirtschaft erfüllen soll.
Aber der monetäre Geldjoker muss so ausgestattet werden, dass er
nicht nur die Jokervorteile bietet, die als Zugabe zum Nennwert zu
Buche schlagen, sondern zugleich wirtschaftliche Nachteile mit sich
führt, die zwar die Jokerqualitäten nicht beeinträchtigen, den
wirtschaftlichen Nutzen aus dem Jokervorteil jedoch soweit
ausgleichen, dass per Saldo keine Zugabe mehr übrig bleibt.
6.3.) Verteilungsgerechtigkeit
Die Geldordnung darf nicht länger eine verdeckte Subventionsordnung
sein, die zu einer beständigen und zunehmenden Umverteilung von
unten nach oben führt. Auch diese Umverteilung hört genau dann auf,
wenn die Geldordnung dem Geldbesitzer nicht länger ermöglicht, die
Vorteile monetärer Liquidität kostenlos auszubeuten.
6.4.) Ökonomische Deutung der Gerechtigkeitsanforderungen
Es gibt eine treffende, kurze Formel für Geld, das im ökonomischen
Sinne “optimal” ist: Geld, heißt es, sei dann optimal, wenn in der
betroffenen Volkswirtschaft das Arbeitseinkommen gegen 100% des
Bruttosozialproduktes und wenn der Zinssatz gegen 0% tendiert.(15)
Diese ökonomischen Kriterien für optimales Geld decken sich restlos
mit den Anforderungen, die hier als monetäre Gerechtigkeitsmaßstäbe
formuliert worden sind. Insoweit würde gerechtes Geld und
ökonomisch optimales Geld, wie anfangs versprochen, in der Tat auf
dasselbe hinauslaufen.
Ein weiteres Optimalkriterium der Ökonomen für Geld besagt, dass es
keine Transaktionskosten verursachen dürfe.(16) Unser derzeitiges
Geld verursacht jedoch bei dem (zeitweiligen) Transfer aus den
“Kassen ohne Bedarf mit Geld” in die “Kassen mit Bedarf ohne Geld”
ganz erhebliche Kosten, und zwar durch die Zinsen, die eine Art
private
Benutzungsgebühr für die Liquidität darstellen. Diese Zinsen sind
Kosten vom Typ der “Bestandhaltepreise” bzw. “Bestandhaltekosten”,
und zwar Kosten, die wiederum Verteilungseffekte haben, welche das
Transferproblem vergrößern, bei dessen Lösung sie anfallen. Insofern
kann nicht die Rede davon sein, dass unser derzeitiges Geld auch nur
annähernd das Optimalkriterium der Transaktionskostenfreiheit
erfüllt.
Im gegenteil: Am Geld hängen geradezu pfründenartige
Transaktionskosten für transtemporale Liquiditätstransfers, die sich
auf den Wirtschaftsverkehr nicht anders auswirken als private
Brückenzölle oder Verkehrssteuern.
Soweit bei den Ökonomen die Meinung vertreten wird, Geld solle
“neutral” sein, gilt Ähnliches: Das überlieferte Geld ist nicht
neutral;
ein Geld, das den Anforderungen an monetäre Gerechtigkeit
entspricht, könnte sich durchaus als annähernd neutral in dem Sinne
erweisen, dass die nicht-neutralen Wirkungen des bisherigen
Geldes weitgehend entfallen würden.
(15) Engels, W., oben Anm. 2.
(16) Niehans, J., oben Anm. 1.
7.) Gerechtes Geld
7.1.) Theoretischer Ansatz
Worum es bei dem Problem des gerechten Geldes geht, hat sich schon
recht genau abgezeichnet: Es gilt, ein Geld einzurichten, das keine
Doppelwertigkeit mehr hat, bei dem also die “Zugabe” entfällt, die
der
Geldbesitzer bekommt, wenn er die Liquiditätsvorteile des Geldes
nutzen kann. Dabei dürfen jedoch gerade diese Liquiditätsvorteile,
die
mit der Joker-Qualität des Geldes zusammenhängen, nicht beseitigt
werden.
Wie aber soll man die Liquiditätsvorteile des Geldes abschaffen, ohne
sie zu beseitigen? Auch das wurde schon angedeutet, nämlich, indem
man den wirtschaftlichen Nutzen, der mit ihnen verbunden ist, durch
entsprechende wirtschaftliche Nachteile kompensiert. Die Vorteile aus
der Liquidität sind “Vorteile pro Zeiteinheit”; also müsste man mit
dem
Geld zur Kompensation dieser Vorteil zugleich “Nachteile pro
Zeiteinheit” verbinden. Dann würde der wirtschaftliche Nutzen von
Liquidität abgeschöpft und per Saldo bliebe ein “Geld ohne Zugabe”
übrig.
Wie man die Rendite bzw. den Eigenzins eines Wirtschaftsgutes
beeinflussen kann, lässt sich auch sehr gut aus einer Formel ablesen,
die John Maynard Keynes(17) dafür angegeben hat:
Eigenzins = Erträge minus
Durchhaltekosten plus Liquiditätsvorteil
Selbstverständlich kann diese
Formal noch verfeinert werden, z. B.
durch einen Posten für die Risiken des Wirtschaftsgutes; aber in
unserem Zusammenhang kommt es darauf nicht an.
Wendet man, wie Keynes selbst, diese Formel nun auf das Geld an,
insoweit es seiner Liquiditätsvorteile wegen ein Wirtschaftsgut ist,
dann ergibt sich: Geld als solches hat keine Erträge. Es verursacht
auch keine Durchhaltekosten. Der Liquiditätsvorteil jedoch ist
erheblich und fällt ins Gewicht. Daher besteht der “Eigenzins” von
Geld im Wesentlichen aus dem wirtschaftlichen Wert des
Liquiditätsvorteils (der je nach Knappheit von Geld schwanken
kann). Soll nun der Eigenzins von Geld gesenkt oder abgeschafft
werden, ohne das der Liquiditätsvorteil in Frage gestellt wird, dann
zeigt die Formel, wie das möglich ist. Man muss dem Geld
Durchhaltekosten anheften.
Genau das hat Keynes erwogen, und zwar im Zusammenhang mit
seinen Überlegungen, den langfristig verhängnisvollen Auswirkungen
gegenzusteuern, die der Zins auf die wirksame Nachfrage hat.
“Jene
Reformer” schreibt Keynes(18), “die in der Erzeugung
künstlicher
Durchhaltekosten des Geldes ein Heilmittel gesucht haben, z.
B.
durch das Erfordernis periodischer Abstempelung der
gesetzlichen
Zahlungsmittel zu vorgeschriebenen Gebühren, sind somit auf der
richtigen Spur gewesen; und der praktische Wert ihrer Vorschläge
verdient diskutiert zu werden”. “Worauf es ankommt, ist die
Differenz zwischen Liquiditätsprämie und Durchhaltekosten”.
Keynes hat diesen Gedanken wohl deshalb nicht weiterverfolgt, weil
er ihn in der damals vorgeschlagenen Form für undurchführbar hielt.
Es gibt jedoch elegante geldtechnische Möglichkeiten, die
Durchhaltekosten auf Liquidität nicht länger als ein technisches
Problem erscheinen lassen.
(17) Keynes, J. M., Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses
und des Geldes, 1936, S. 188 ff.
(18) S. 196, 298 – 302. Bei den Reformern, die Keynes im Auge hat,
handelt es sich um Silvio Gesell (dazu S. 28, 298 – 302, 313, 320)
und um N. A. L. I. Johannsen (dazu J. M. Keynes, Vom Gelde,
München o. J., 1931/32, S. 375).
7.2.) Die geldtechnische Lösung
Nach dem Greshamschen Gesetz verdrängt das schlechte Geld das
bessere aus dem Verkehr: Früher, als verschiedene Münzen im
Umlauf waren, wurde beobachtet, dass die Menschen die nach
Gewicht und Feingehalt besseren Münzen zurückbehielten,
während sie mit den nach Gewicht und Feingehalt schlechteren
zahlten. Das kann man sich bei der Einführung von gerechtem Geld
zunutze machen. Angenommen, ein Teil des umlaufenden Geldes,
und zwar insbesondere die Banknoten mit hohem Nennwert,
würden von der Bundesbank in Form von Banknoten ausgegeben,
die periodisch gegen Gebühr abgestempelt werden müssten, um
ihren Nennwert zu behalten. Angenommen weiter,
Geldschuldgläubiger mit Forderungen, die gleich hoch oder höher
sind als der Nennwert der kleinsten mit Durchhaltekosten in Form
der Stempelgebühren belsteten Banknoten, müssten solche Noten
als gesetzliches Zahlungsmittel akzeptieren. Dann würde sich
diese Geld als das “schlechtere Geld” im Zahlungsverkehr überall
dort, wo es um größere Zahlungen geht, durchsetzen, so dass sich
der Zins nach der Keynesschen Formel richten würde. Je nachdem,
wie die Durchhaltekosten dosiert werden, würden die
Liquiditätsvorteile des Geldes mehr oder weniger abgeschöpft und
der Zins heruntergefahren. Das ist ein Weg zum gerechten Geld.
Ebenso wäre denkbar, dass ein Teil des von der Bundesbank zur
Verfügung gestellten Geldes in der Form von Giralgeld
ausgegeben wird, das mit Durchhaltekosten belastet ist. Auch in
diesem Fall müsste sichergestellt sein, dass dieses Geld als
gesetzliche Zahlungsmittel anerkannt wird. Dabei würden sich
eine Reihe von Problemen ergeben, die durchaus nicht unlösbar
sind, und dann würde sich wiederum dieses “schlechtere” Geld
im wirtschaftlichen Verkehr durchsetzen.
Daneben wäre der restliche Teil des Geldes noch in Form der alten
Banknoten und Münzen im Umlauf und stünde denjenigen zur
Verfügung, die Automaten mit Münzen bedienen oder Zahlungen
tätigen wollen, die keine Spuren auf Konten hinterlassen. Für diese
besonderen Vorteile, die das nach wie vor nicht mit
Durchhaltekosten belastete, anonyme und in Münzform
gestückelte Geld bietet, müsste am Markt freilich ein Aufpreis
gezahlt werden, dessen Höhe davon abhängt, wie viel von diesem
konventionellen Geld sich noch in den Kassen der Bürger befindet,
und wie hoch sie es schätzen, eine Liquiditätsreserve in Form von
konventionellen Banknoten oder einen Vorrat an Münzen zur
bequemen Bedienung von Automaten zur Verfügung zu haben.
Fortsetzung folgt
LG Winnie
- [AG-GOuFP] Gerechtes Geld? Teil 4, Winrich Prenk, 24.10.2015
- Re: [AG-GOuFP] Gerechtes Geld? Teil 4, Arne Pfeilsticker, 28.10.2015
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