ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
Listenarchiv
- From: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
- To: Winrich Prenk <info AT high-end-studio.de>
- Cc: AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Gerechtes Geld? Teil 4
- Date: Wed, 28 Oct 2015 10:28:10 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hallo Winrich,
was hällst du davon, wenn du deine Idee vom gerechten Geld in einer Diskussionsrunde im Mumble vorstellst?
Viele Grüße
Arne
Am 24.10.2015 um 17:35 schrieb Winrich Prenk <info AT high-end-studio.de>:Gerechtes Geld?6.) Anforderungen an gerechtes Geld6.1.) Stabile WährungWie zum Messen von Längen das Meter und zum Messen von Massendas Kilogramm als beständige Maßstäbe, so muss auch zum Messenvon Tauschmacht und Kaufkraft ein stabiles Maß zur Verfügung stehen,das sich nicht im Verlaufe der Zeit verformt. Ob sich dieWährungseinheit verformt, zeigt sich an dem Wert, den dasTauschmittel hat, das auf die Währungseinheit lautet.Wie aber soll eine Währung auf einen Wert ihrer Währungseinheitstabilisiert werden (Maßstab), wenn das Geld (Tauschmittel), andessen Tauschkraft sich die Stabilität der Währung erweisen muss,ein monetärer Zwitter mit einem eigenartigen doppelten Wert ist?Da das Geld bei Kassa-Geschäften einen anderen Wert hat als beiTermingeschäften, wird die Währungseinheit faktisch“auseinandergerissen”, und zwar mit Ablauf von Zeit. Deshalb ist dieAufgabe, die Währung zu stabilisieren, so lange logisch und technischnicht lösbar, wie nicht wenigstens das Geld, das auf dieWährungseinheit lautet, beim Ausgeben den gleichen Wert hat wiebeim Bereithalten oder Anlegen (bei Kassa-Geschäften den gleichenWert wie bei Termingeschäften). Solange das Geld einen nach Märktengespaltenen Wert hat, ist eine Divergenz in die monetären Prozesseeinprogrammiert (monetäre Schere), die es unmöglich macht, zugleichdie Währung stabil und die Wirtschaft im Gleichgewicht zu halten. Nurdann, wenn die bereitgehaltene oder angelegte Geldeinheit nicht mehrmehr wert ist als die ausgegebene, wenn angelegtes Geld demausgegebenen nicht mehr davon wächst, ist die Aufgabe, die Währungzu stabilisieren, wenigstens logisch konsistent lösbar. Wie dietechnische Lösung aussieht, steht auf einem anderen Blatt.6.2.) Geld als fairer TauschmittlerGeld darf im Wirtschaftsverkehr nicht länger dem, der es anbietet,einen durchschnittlichen Vorteil gegenüber dem anderen verschaffen,der Waren oder Dienstleistungen bietet. Zwar muss das Geld alsgeneralisiertes Tauschmittel der Joker unter den Tauschobjektenbleiben, wenn es seine Funktionen in der Wirtschaft erfüllen soll.Aber der monetäre Geldjoker muss so ausgestattet werden, dass ernicht nur die Jokervorteile bietet, die als Zugabe zum Nennwert zuBuche schlagen, sondern zugleich wirtschaftliche Nachteile mit sichführt, die zwar die Jokerqualitäten nicht beeinträchtigen, denwirtschaftlichen Nutzen aus dem Jokervorteil jedoch soweitausgleichen, dass per Saldo keine Zugabe mehr übrig bleibt.6.3.) VerteilungsgerechtigkeitDie Geldordnung darf nicht länger eine verdeckte Subventionsordnungsein, die zu einer beständigen und zunehmenden Umverteilung vonunten nach oben führt. Auch diese Umverteilung hört genau dann auf,wenn die Geldordnung dem Geldbesitzer nicht länger ermöglicht, dieVorteile monetärer Liquidität kostenlos auszubeuten.6.4.) Ökonomische Deutung der GerechtigkeitsanforderungenEs gibt eine treffende, kurze Formel für Geld, das im ökonomischenSinne “optimal” ist: Geld, heißt es, sei dann optimal, wenn in derbetroffenen Volkswirtschaft das Arbeitseinkommen gegen 100% desBruttosozialproduktes und wenn der Zinssatz gegen 0% tendiert.(15)Diese ökonomischen Kriterien für optimales Geld decken sich restlosmit den Anforderungen, die hier als monetäre Gerechtigkeitsmaßstäbeformuliert worden sind. Insoweit würde gerechtes Geld undökonomisch optimales Geld, wie anfangs versprochen, in der Tat aufdasselbe hinauslaufen.Ein weiteres Optimalkriterium der Ökonomen für Geld besagt, dass eskeine Transaktionskosten verursachen dürfe.(16) Unser derzeitigesGeld verursacht jedoch bei dem (zeitweiligen) Transfer aus den“Kassen ohne Bedarf mit Geld” in die “Kassen mit Bedarf ohne Geld”ganz erhebliche Kosten, und zwar durch die Zinsen, die eine Art privateBenutzungsgebühr für die Liquidität darstellen. Diese Zinsen sindKosten vom Typ der “Bestandhaltepreise” bzw. “Bestandhaltekosten”,und zwar Kosten, die wiederum Verteilungseffekte haben, welche dasTransferproblem vergrößern, bei dessen Lösung sie anfallen. Insofernkann nicht die Rede davon sein, dass unser derzeitiges Geld auch nurannähernd das Optimalkriterium der Transaktionskostenfreiheit erfüllt.Im gegenteil: Am Geld hängen geradezu pfründenartigeTransaktionskosten für transtemporale Liquiditätstransfers, die sichauf den Wirtschaftsverkehr nicht anders auswirken als privateBrückenzölle oder Verkehrssteuern.Soweit bei den Ökonomen die Meinung vertreten wird, Geld solle“neutral” sein, gilt Ähnliches: Das überlieferte Geld ist nicht neutral;ein Geld, das den Anforderungen an monetäre Gerechtigkeitentspricht, könnte sich durchaus als annähernd neutral in dem Sinneerweisen, dass die nicht-neutralen Wirkungen des bisherigenGeldes weitgehend entfallen würden.(15) Engels, W., oben Anm. 2.(16) Niehans, J., oben Anm. 1.7.) Gerechtes Geld7.1.) Theoretischer AnsatzWorum es bei dem Problem des gerechten Geldes geht, hat sich schonrecht genau abgezeichnet: Es gilt, ein Geld einzurichten, das keineDoppelwertigkeit mehr hat, bei dem also die “Zugabe” entfällt, die derGeldbesitzer bekommt, wenn er die Liquiditätsvorteile des Geldesnutzen kann. Dabei dürfen jedoch gerade diese Liquiditätsvorteile, diemit der Joker-Qualität des Geldes zusammenhängen, nicht beseitigtwerden.Wie aber soll man die Liquiditätsvorteile des Geldes abschaffen, ohnesie zu beseitigen? Auch das wurde schon angedeutet, nämlich, indemman den wirtschaftlichen Nutzen, der mit ihnen verbunden ist, durchentsprechende wirtschaftliche Nachteile kompensiert. Die Vorteile ausder Liquidität sind “Vorteile pro Zeiteinheit”; also müsste man mit demGeld zur Kompensation dieser Vorteil zugleich “Nachteile proZeiteinheit” verbinden. Dann würde der wirtschaftliche Nutzen vonLiquidität abgeschöpft und per Saldo bliebe ein “Geld ohne Zugabe”übrig.Wie man die Rendite bzw. den Eigenzins eines Wirtschaftsgutesbeeinflussen kann, lässt sich auch sehr gut aus einer Formel ablesen,die John Maynard Keynes(17) dafür angegeben hat:Eigenzins = Erträge minus Durchhaltekosten plus LiquiditätsvorteilSelbstverständlich kann diese Formal noch verfeinert werden, z. B.durch einen Posten für die Risiken des Wirtschaftsgutes; aber inunserem Zusammenhang kommt es darauf nicht an.Wendet man, wie Keynes selbst, diese Formel nun auf das Geld an,insoweit es seiner Liquiditätsvorteile wegen ein Wirtschaftsgut ist,dann ergibt sich: Geld als solches hat keine Erträge. Es verursachtauch keine Durchhaltekosten. Der Liquiditätsvorteil jedoch isterheblich und fällt ins Gewicht. Daher besteht der “Eigenzins” vonGeld im Wesentlichen aus dem wirtschaftlichen Wert desLiquiditätsvorteils (der je nach Knappheit von Geld schwankenkann). Soll nun der Eigenzins von Geld gesenkt oder abgeschafftwerden, ohne das der Liquiditätsvorteil in Frage gestellt wird, dannzeigt die Formel, wie das möglich ist. Man muss dem GeldDurchhaltekosten anheften.Genau das hat Keynes erwogen, und zwar im Zusammenhang mitseinen Überlegungen, den langfristig verhängnisvollen Auswirkungengegenzusteuern, die der Zins auf die wirksame Nachfrage hat. “JeneReformer” schreibt Keynes(18), “die in der Erzeugung künstlicherDurchhaltekosten des Geldes ein Heilmittel gesucht haben, z. B.durch das Erfordernis periodischer Abstempelung der gesetzlichenZahlungsmittel zu vorgeschriebenen Gebühren, sind somit auf derrichtigen Spur gewesen; und der praktische Wert ihrer Vorschlägeverdient diskutiert zu werden”. “Worauf es ankommt, ist dieDifferenz zwischen Liquiditätsprämie und Durchhaltekosten”.Keynes hat diesen Gedanken wohl deshalb nicht weiterverfolgt, weiler ihn in der damals vorgeschlagenen Form für undurchführbar hielt.Es gibt jedoch elegante geldtechnische Möglichkeiten, dieDurchhaltekosten auf Liquidität nicht länger als ein technischesProblem erscheinen lassen.(17) Keynes, J. M., Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinsesund des Geldes, 1936, S. 188 ff.(18) S. 196, 298 – 302. Bei den Reformern, die Keynes im Auge hat,handelt es sich um Silvio Gesell (dazu S. 28, 298 – 302, 313, 320)und um N. A. L. I. Johannsen (dazu J. M. Keynes, Vom Gelde,München o. J., 1931/32, S. 375).7.2.) Die geldtechnische LösungNach dem Greshamschen Gesetz verdrängt das schlechte Geld dasbessere aus dem Verkehr: Früher, als verschiedene Münzen imUmlauf waren, wurde beobachtet, dass die Menschen die nachGewicht und Feingehalt besseren Münzen zurückbehielten,während sie mit den nach Gewicht und Feingehalt schlechterenzahlten. Das kann man sich bei der Einführung von gerechtem Geldzunutze machen. Angenommen, ein Teil des umlaufenden Geldes,und zwar insbesondere die Banknoten mit hohem Nennwert,würden von der Bundesbank in Form von Banknoten ausgegeben,die periodisch gegen Gebühr abgestempelt werden müssten, umihren Nennwert zu behalten. Angenommen weiter,Geldschuldgläubiger mit Forderungen, die gleich hoch oder höhersind als der Nennwert der kleinsten mit Durchhaltekosten in Formder Stempelgebühren belsteten Banknoten, müssten solche Notenals gesetzliches Zahlungsmittel akzeptieren. Dann würde sichdiese Geld als das “schlechtere Geld” im Zahlungsverkehr überalldort, wo es um größere Zahlungen geht, durchsetzen, so dass sichder Zins nach der Keynesschen Formel richten würde. Je nachdem,wie die Durchhaltekosten dosiert werden, würden dieLiquiditätsvorteile des Geldes mehr oder weniger abgeschöpft undder Zins heruntergefahren. Das ist ein Weg zum gerechten Geld.Ebenso wäre denkbar, dass ein Teil des von der Bundesbank zurVerfügung gestellten Geldes in der Form von Giralgeldausgegeben wird, das mit Durchhaltekosten belastet ist. Auch indiesem Fall müsste sichergestellt sein, dass dieses Geld alsgesetzliche Zahlungsmittel anerkannt wird. Dabei würden sicheine Reihe von Problemen ergeben, die durchaus nicht unlösbarsind, und dann würde sich wiederum dieses “schlechtere” Geldim wirtschaftlichen Verkehr durchsetzen.Daneben wäre der restliche Teil des Geldes noch in Form der altenBanknoten und Münzen im Umlauf und stünde denjenigen zurVerfügung, die Automaten mit Münzen bedienen oder Zahlungentätigen wollen, die keine Spuren auf Konten hinterlassen. Für diesebesonderen Vorteile, die das nach wie vor nicht mitDurchhaltekosten belastete, anonyme und in Münzformgestückelte Geld bietet, müsste am Markt freilich ein Aufpreisgezahlt werden, dessen Höhe davon abhängt, wie viel von diesemkonventionellen Geld sich noch in den Kassen der Bürger befindet,und wie hoch sie es schätzen, eine Liquiditätsreserve in Form vonkonventionellen Banknoten oder einen Vorrat an Münzen zurbequemen Bedienung von Automaten zur Verfügung zu haben.Fortsetzung folgtLG Winnie
--
AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik mailing list
AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-geldordnung-und-finanzpolitik
- [AG-GOuFP] Gerechtes Geld? Teil 4, Winrich Prenk, 24.10.2015
- Re: [AG-GOuFP] Gerechtes Geld? Teil 4, Arne Pfeilsticker, 28.10.2015
Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.