Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Warum werden 97% aller Transaktionen in GR in bar abgewickelt?

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

Listenarchiv

Re: [AG-GOuFP] Warum werden 97% aller Transaktionen in GR in bar abgewickelt?


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Warum werden 97% aller Transaktionen in GR in bar abgewickelt?
  • Date: Sat, 01 Aug 2015 12:27:15 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Gerhard,

weitere Evidenz:

/*Barter booms in cash-strapped rural Greece for the first time since Nazi occupation (The Independent, Thursday 30 July 2015)*/
http://www.independent.co.uk/news/business/news/greece-debt-crisis-news-barter-is-booming-in-rural-areas-as-cash-dries-up-10427713.html

Hay for cheese? Barter booms in cash-squeezed rural Greece
Reuters, 29.07.2015
http://www.reuters.com/article/2015/07/29/eurozone-greece-barter-idUSL5N1083XJ20150729

Ich denke, wir sehen hier ein generelles Muster, das wir auch in anderen Entwicklungsländern gesehen haben, die sich dem IWF-Diktat und westlicher "Entwicklungspolitik" bzw. "Transformationspolitik" ("Schocktherapie") unterworfen haben.

Naomi Klein ("Schockstrategie") hat das zusammengefaßt. David Woodruff hat sich speziell mit Rußland beschäftigt und hat ein Buch dazu geschrieben:

"Money Unmade: Barter and the Fate of Russian Capitalism". Inhalt und Vorwort hier verlinkt:
http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Quellen/sortiert_nach_person#Woodruff.2C_David

Er betreibt dazu auch einen sehr interessanten Blog (ebenfalls oben verlinkt).

Caroline Humphreys hat sich ebenfalls mit der Situation im postsozialistischen Rußland beschäftigt, ihr klassischer Aufsatz dazu ist

*/'"Icebergs", Barter and the Mafia in Provincial Russia', Anthropology Today, vol 7 no 2, pp 8-13
/*

Auch hier veröffentlicht:
https://books.google.de/books?id=BeCE1L8-Iq8C&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false

Die Situation in Rußland ist natürlich anders in dem Sinn, als RU nicht Teil einer Währungsunion war. Gemeinsam hat es mit GR, daß kein verläßliches Zivilrecht und Steuerrecht existiert (in RU scheint sich das zu bessern, aber noch längst nicht auf westlichen Standards zu sein).

Damit fehlt die Basis für den privaten Geldschöpfungskreislauf (Monetisierung von Forderungen gegen Private durch die ZB, denen auf der Aktivseite des Schuldners Realvermögen = Eigentumsrechte gegenübersteht); bei nicht verläßlichem Steuerrecht fehlt auch die Basis für den öffentlichen Geldschöpfungskreislauf (Monetisierung von Staatsschulden durch die ZB, dem auf der Aktivseite der Staatsbilanz durchsetzbare Steuerforderungen gegenüberstehen).

Ergebnis: extrem hohe Inflationsraten mangels Vertrauen ins "Geld", das in mangelndem Vertrauen in den Leistungswillen der Kreditschuldner wurzelt. Das könnte nur entstehen, wenn die Schuldner bei Nichtleistung zuverlässig eine Zwangsvollstreckung erwarten müßten (Schuldner privater Gläubiger über eine Zivilklage ihrer Gläubiger, Steuerschuldner des Staats von Amts wegen angeordnet).

Keines der Reformprogramme für Griechenland sorgt dafür, daß diese Basis hergestellt würde, und auch Varoufakis schweigt über diese essentiellen rechtlichen Fundamente aller politischen Ökonomie. Keynesianer übersehen das, weil es von Keynes in den 30er Jahren nicht thematisiert werden mußte, sondern als gegeben vorausgesetzt werden konnte.

Das ist heute nicht mehr der Fall. Eine Clearing Union, die für ausgeglichene nationale Leistungsbilanzen bei nationalen Währungen und fixen, aber anpaßbaren Wechselkursen sorgen würde, könnte die Folgen solcher Mängel auf das jeweilige Land begrenzen, sodaß es die Folgen dieser Mängel alleine ausbaden müßte. Sie würde auch unterbinden, daß andere Staaten (wie heute D) meinen, davon profitieren zu können.

Soll aber die Eurozone zum Funktionieren gebracht werden, kommen wir nicht um ein zuverlässiges rechtliches Fundament herum. Wir brauchen ein europäisches Privat-, Handels.- und Steuerrecht, das eingebettet ist in eine Verfassung, die einen demokratischen, föderalen und sozialen europäischen Bundesstaat begründet. Dieser bräuchte natürlich auch eine europäische Armee.

Halbe Sachen bringen es da nicht. Entweder das - oder zurück zu Nationalstaaten mit eigenen Währungen und ab in die internationale Bedeutungslosigkeit.

ivl1705 schrieb:

moneymind schrieb:
Zwingt man nun den griechischen Staat zum Sparen, wäre zu erwarten, daß
in den informellen Beziehungen mangels Bargeld zu BARTER (Tausch Güter
gegen Güter) übergegangen wird. Läßt sich das empirisch verifizieren?
Das ist eine spannende Frage. Ich habe hierzu meine Mediensensoren
geschärft, zumal mich auch die Funktionsweise regionaler
Wirtschaftskreisläufe interessiert.

Auf die Schnelle habe ich zwei Geschichten einer solchen spontanen
Selbstorganisation auf lokaler Ebene in meinen Quellen gefunden.

Da wäre zunächst einmal die Initiative "O topos mou" ("Mein Ort") in
Katerini.
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechenland-revolte-gegen-das-nichtstun-1.1615451

oder die 'Farm der Solidarität' in Eion
http://www.br.de/mediathek/video/sendungen/quer/150709-quer-griechenland-102.html#tab=bcastInfo&jump=tab

ivl1705



  • Re: [AG-GOuFP] Warum werden 97% aller Transaktionen in GR in bar abgewickelt?, moneymind, 02.08.2015

Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang