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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vollgeld Kritik im Wirtschaftsdienst erschienen

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vollgeld Kritik im Wirtschaftsdienst erschienen


Chronologisch Thread 
  • From: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>
  • To: Peter Baum <p.baum AT posteo.de>, ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vollgeld Kritik im Wirtschaftsdienst erschienen
  • Date: Sun, 01 Feb 2015 19:24:57 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Peter,

hast Du die Folgeseite
http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Zahlungsverkehrsnetze_und_-systeme
auch bereits gelesen?

Theoretisch kann man Überweisungen unterscheiden nach dem Bruttoverfahren (z. B. Target2 der Bundesbank) und dem Nettoverfahren (z. B. EMZ der Bundesbank oder EBA-Clearing).
Die Nachteile des Bruttoverfahrens, hoher Liquiditätsbedarf der Banken, versucht man durch liquiditätssenkende Verfahrensschritte wie Pooling und Liquiditätssteuerung mit Warteschleifen für Überweisungen zu minimieren. Beim Nettoverfahren wird versucht eine möglichst hohe Sicherheit einer getätigten Überweisung zu realisieren, so dass die Grenzen zwischen beiden Verfahren immer undeutlicher werden. Eine Bruttoüberweisung bei der BuBa kostet jedoch immerhin ca. 80 Cent pro Überweisung, während die Überweisung im Massenzahlungsverkehr nur einen Buchteil eines Cent betragen.
Die Gesamtsumme im Massenzahlungsverkehr beträgt für Deutschland in 2013 2,7 Billionen €, bei 3.1 Millionen Überweisungen. Bei den Direktzahlungen im Individualzahlungsverkehr (Bruttoverfahren) beträgt die Gesamtsumme hingegen 152 Billionen € bei ebenfalls 3,1 Millionen Überweisungen.
Die private Plattform EBA wickelt laut Wikipedia im Massenzahlungsverkehr (Step2) 190.000 Aufträge mit einem Volumen von 840 Mill. € pro Tag ab, also auch ein minimaler Anteil an den Zahlen von Target2. Das Individualzahlungssystem Euro1 der EBA führt pro Tag 230.000 Überweisungen durch mit einem Volumen von 245 Mrd. €, also auch einem vielfachen des Massenzahlungsverkehrs.

Wie sich die Zahlungen zwischen den Gironetzen aufteilen weiß ich nicht. Es wird jedenfalls auch eine Mischung sein, je nach Vertrauen mit mehr oder weniger großem Anteil an
Brutttozahlungen. Die Schweizer Systeme sind mir bisher nicht bekannt gewesen.

Über diese Verfahren sind allgemein nicht besonders viele "lesbare" Informationen zu finden. Zudem stellen sie immer nur eine Zeitpunktbetrachtung dar, die sich sehr schnell ändern.

Beste Grüße
Rudi2

Am 01.02.2015 um 18:20 schrieb Peter Baum:
Hallo Rudolf,

Dank für Deine Erläuterungen und die Links.

Über die in der Wirklichkeit stattfindenden Transaktionen und Abläufe kann es
eigentlich keinen Dissenz geben.

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang die Beschreibungen des Swiss
Interbank Clearing (SIC):

http://www.snb.ch/de/iabout/paytrans/sic/id/paytrans_swiss_interbank_clearing#t1
http://www.snb.ch/de/mmr/reference/sic_system/source/sic_system.de.pdf
http://www.six-interbank-clearing.com/de/home/payment-services/sic.html

Soweit ich es verstanden habe, werden dort die Transaktionen zwischen den
Geschäftsbanken sofort in Echtzeit und auf Bruttobasis abgewickelt, Es ist
also nicht so, dass immer erst am Ende des Tages ein Clearing stattfindet und
lediglich der Saldo überwiesen wird.

Es wäre interessant zu erfahren, wie die Transaktionen bei den fünf Gironetzen
in Deutschland abgewickelt werden. Gibt es da nur das Clearing am Ende des
Tages mit der Netto-Überweisung per Saldo, oder finden dort auch
Bruttoüberweisungen in Echtzeit statt?

Das würde auch noch mal ein Licht auf die Grenzen der Kreditvergabe bzw.
Geldschöpfung der einzelnen Geschäftsbank werfen.

Mit bestem Gruß

Peter Baum


Am Sonntag, 1. Februar 2015, 16:44:53 schrieb Rudolf Müller:
Hallo Peter,

da immer wieder gleichklingende Fragen zu den Grundlagen des Geldsystems
hier auftauchen, habe ich im Piratenwiki mit einer
allgemeinverständlichen Darstellung dieser Grundlagen begonnen. Unter

http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Teilnehmer_am_Geldsystem
findest Du auch Deine Aussagen wieder, jedoch noch mit einigen Grafiken
verdeutlicht.

Am 01.02.2015 um 15:52 schrieb Peter Baum:
Hallo Arne,

Am Samstag, 31. Januar 2015, 23:20:55 schrieb Arne Pfeilsticker:

Arne Pfeilsticker
Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de
Und für das „Sparen" der Nichtbanken gilt: Alles
Geschäftsbankengiral-Geld, das eine Bank von einer Nichtbank
erhält - z.B. im Rahmen eines Sparvertrages - wird vernichtet. Wenn
der Sparer das gesparte Geld wieder auf seinem Girokonto gut
geschrieben bekommt, dann wird das hierfür benötigte Geld mit und
im Moment der Gutschrift von der Bank selbst hergestellt.
Diese beiden Sätze verstehe ich nicht. Wenn ein Sparer eine
Umbuchung von

seinem Girokonto auf sein Sparkonto vornimmt, entsteht in der
Bankbilanz

lediglich ein Passivtausch, die Verbindlichkeit verschwindet auf dem
Girokonto und entsteht auf dem Sparkonto. Beides ist Giralgeld der
Geschäftsbank, die Bilanzsumme ändert sich durch die Umbuchung nicht.
Völlig richtig.
Meine Argumentation hat sich ausdrücklich auf die Geldmenge
M1 (= Bargeld + Sichteinlagen) bezogen.
Unter Giralgeld versteht man nur die jederzeit fälligen sog.
Sichteinlagen.

Spareinlagen sind daher kein Giralgeld. Spareinlagen haben üblicherweise
entweder eine bestimmte Anlagedauer oder eine bestimmte Kündigungsfrist.
Im praktischen Umgang wird die Grenze zwischen Sichteinlagen und
Spareinlagen durch Finanzmärkte und die Praxis der Banken aufgeweicht.
Deshalb gibt es auch die unterschiedlichen Geldmengendefinitionen
M0, M1,

M2 und M3.
Ok, wenn du die Geldmenge meintest, wird Deine Formulierung verständlich.

In der Tat weisen die diversen Wirtschaftslexika dem Buchgeld
(=Giralgeld) als wesentliche Eigenschaft die tägliche Verfügbarkeit
zu. Das Schülerbuch

"Geld und Geldpolitik" der Bundesbank ist da nicht so eindeutig. Dort
heißt es unter 3.1 auf Seite 52:

--------------------------

Das „unsichtbare“ Geld wird in einer Art Kreislauf von Bankkonto zu

Bankkonto weitergegeben, weshalb es als Giralgeld (aus dem Italieni-

schen: giro = der Kreis) bezeichnet wird. Häufig spricht man auch von

Buchgeld, weil es nur in den Büchern der Banken erscheint.
Mittlerweile erfolgt diese Aufzeichnung fast ausschließlich in
elektronischer Form. Dabei handelt es sich vor allem um täglich
fällige Einlagen („Sichteinlagen“)

sowie Termin- und Spareinlagen von „Nichtbanken“, d. h.
Wirtschaftsunternehmen, öffentlichen Institutionen und Privatleuten.
Sichteinlagen können jederzeit abgehoben werden, beste-

hen für die Bank also nur „auf Sicht“. Sie werden überwiegend gering

oder gar nicht verzinst.

---------------------------

Diese Formulierung schließt die Spareinlagen mit ein.

Das halte ich auch für viel vernünftiger. Denn sowohl die
Sichteinlagen als auch die Spareinlagen sind Privatgeld der jeweiligen
Bank und können diese nicht verlassen, sondern nur dort als
Verbindlichkeiten entstehen und vergehen.

Das gilt auch für die Zentralbank, nur heißt das Buchgeld bei der
Zentralbank Zentralbankgeld oder Reserven. Es zirkuliert nur auf
Konten der Zentralbank.

Nach meinem Verständnis sind die folgenden Begriffsbestimmungen

sinnvoll:

Bargeld besteht aus Münzen und Banknoten, es ist gesetzliches
Zahlungsmittel und zirkuliert zwischen

- Nichtbanken,

- Nichtbanken und Geschäftsbanken,

- Geschäftsbanken und der Zentralbank.

Buchgeld erscheint hingegen nur als elektronischer Eintrag auf den
Konten der Geschäfts- und Notenbanken.

Giralgeld ist das auf den Giro- und Sparkonten bei den Geschäftsbanken

umlaufende Buchgeld, als Privatgeld der jeweiligen Geschäftsbank. Es
kann die

einzelne Bank nicht verlassen.

Der Begriff Giralgeld wird unterschiedlich gedeutet. Es existiert einmal
die Auslegung, dass nur die kaufkraftwirksame Buchgeldmenge der
Geschäftsbanken Giralgeld sei. Damit wäre es definiert als Geldmenge M1
abzüglich des umlaufenden Bargeldes.
Die Deutsche Bundesbank vermerkt in ihren FAQ hierzu jedoch:
*"Abgesehen vom Bargeld sind alle in den Geldmengenaggregaten M1 und M2
enthaltenen Komponenten Giralgeld."*

http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/FAQ_Listen/faq_zum_thema_geldschoepfung.html?docId=175760#175760
Zur Definition der Geldmengenaggregate erklärt die Bundesbank im
Schülerbuch dann einleitend:
*"Die Geldmenge lässt sich nicht eindeutig definieren*"
Es werden deshalb recht willkürlich Grenzen terminlicher Art zur
Abgrenzung von M1 bis M3 festgelegt.

Auf diesem wackligen Fundament werden dann Aussagen über die
"Geldschöpfung" der Geschäftsbanken generiert. Für mich eine
zweifelhafte Angelegenheit. Die Umwandlung von Sichtguthaben in
Termineinlagen ist dadurch zwingend mit einer "Geldvernichtung"
verbunden, da dieses Geld danach nicht mehr zu M1 sondern zu M2 zählt
(laut BuBa wäre es aber immer noch Giralgeld). Die Umwandlung einer
Termineinlage in Sichtguthaben erzwingt hingegen eine "Geldschöpfung".
M.E. ein zweckloser Versuch, die "Geldschöpfung" und damit verbunden den
"Geldschöpfungsgewinn" einer Geschäftsbank auf dieser Basis ernsthaft zu
untersuchen.
Zentralbankgeld ist alles Bargeld und das auf den Konten der Zentralbank

umlaufende Buchgeld.

kein Einwand:-)

Die Überweisung von "Giralgeld" zu einer anderen Bank, ohne Einschaltung
der Zentralbank, ist auf der Seite

http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Zweibankensystem
wiedergegeben. Arne bediente sich in einer seiner letzten Beiträge einer
ähnlichen Beschreibung.

Beste Grüße
Rudi2
Mit bestem Gruß

Peter









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