ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
Listenarchiv
- From: Gerhard <listmember AT rinnberger.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Wicksellsche Idealbank
- Date: Sun, 05 Oct 2014 09:30:32 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
- Newsgroups: pirates.de.talk.politik.geldordnung-finanzpolitik.ag-bereich
- Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver
Am 03.10.14 um 00:16 schrieb Keox:
> Hallo,
>
> https://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Wicksellsche_Idealbank
>
> hier gefällt mir eines nicht:
>
> "(50)Das Buchgeld der Idealbank kann auf unterschiedliche Art und Weise
> entstehen,
> ...
> oder durch Umwandlung von Spar- und Termineinlagen in Sichteinlagen."
Das ist anscheinend korrigiert.
Mumken hat von mir schon per Email zwei weitere Kritikpunkte bekommen,
betrifft Absätze (70)-(100).
> Wird in der Literatur erklärt weshalb eine Wicksellschen Idealbank
> Spareinlagen annehmen und verzinsen sollte? Wird überhaupt ernsthaft in
Hierzu muss man zuerst einmal bestimmen, wie Spareinlagen entstehen.
Davor muss doch erst einmal ein Einkommen vorhanden sein, aus dem diese
Ersparnis gebildet werden kann.
> Erwägung gezogen ein solches System in dieTat umzusetzen oder dient es
> lediglich als Gedankenexperiment um eine weitere Perspektive einnehmen
> und bestimmte Zusammenhänge besser verstehen zu können?
Es ist ein wunderbares Gedankenmodell, um darzustellen, wie Banken
'Wert' durch die Zeit transportieren.
> Außerdem sollten folgende Fragen noch beantwortet werden:
>
> 1. Sind in einem Land mit einer Wicksellschen Idealbank tatsächlich alle
> Formen von privaten Kreditgeschäften verboten oder wäre es erlaubt eine
> private Bank zu gründen die mittels eines Kontos bei der Wicksellschen
> Idealbank ihre Geschäfte durchführen darf?
Zuerst einmal halte ich es für hilfreich, sich die Wicksell'sche Bank
nicht als konkrete Bank vorzustellen, sondern als abstraktes
Rechenmodell, das dem Prinzip der doppelten Buchführung gehorcht.
Es ist sicher nicht sinnvoll und auch nicht praktikabel, sämtliche
Kreditgeschäfte zu kontrollieren. Schließlich stellt ein saloppes 'Komm
leih mir mal 'n Fuffi, kriegste nächste Woche zurück' zwischen zwei
Freunden auch ein Kreditgeschäft dar. Wenn ein solches Geschäft
allerdings gewerbsmäßig betrieben wird, so tut der Gesetzgeber gut
daran, ordnungsrechtliche Voraussetzungen zu formulieren, die der
Betreiber zu erfüllen hat. Dazu gehören z.B. eigenes Kapitalvermögen und
regelmäßige Berichtspflicht hinsichtlich des Liquiditätsstatuses.
Details hierzu hat Mumken in den Artikeln 'Liquidität bei Banken' und
'Kreditwesengesetz' näher erläutert.
> 2. Wer haftet für Verluste der Wicksellschen Idealbank? Das können doch
> wohl nur alle Besitzer der Sichtguthaben sein, denn Sparguthaben gibt es
> ja keine und so etwas wie Eigenkapital im Sinne von Fremdkapital auch
> nicht. Falls nicht die Passivseite die Verluste tragen müßte, wäre es
> eben die Allgemeinheit wegen Inflation.
Dies Frage möchte ich gerne ergänzen mit der Frage nach der
gesamtgesellschaftlich optimalen Organisationsform. Vergleichen wir
hierzu reine Kapitalgesellschaften (insbesondere Aktiengesellschaften),
welche nur in Höhe des gezeichneten Kapitals belangt werden können, mit
Personengesellschaften (Kreditverein auf Gegenseitigkeit,
Genossenschaftsbanken). Während bei letzteren die Inhaber notfalls mit
ihrem Privatvermögen geradestehen müssen, tauchen im ersten Fall zwei
deftige Probleme auf:
1. Haftungsbeschränkung auf das gezeichnete Kapital. Bei einer
Unterdeckung muss sofort die öffentliche Hand, also letztlich wir alle,
mit geeigneten Sicherungstiteln geradestehen.
2. Durch die strikte Trennung von operativen Betrieb durch den Manager
und der Eigentumsverfügung in der Hand einer anonymen Aktionärsmasse,
ist es m.E. nicht abwegig zu behaupten, dass hier größere Risiken mit
dem Versprechen auf Rendite eingegangen werden (Stichwort:
Principal-Agent-Problem).
Deine eigentliche Frage ist im Artikel nur rudimentär angerissen. Es
geht dabei letztlich um den Risikoausgleich bei vergebenen Krediten oder
anders formuliert, um die Homogenität der € (vgl. Absatz (170) ff.).
Hier kommt der Interbankenmarkt und die Vermittlerrolle der Zentralbank
ins Spiel, welche in gleicher Form zwischen den Geschäftsbanken
vermittelt, wie eine Geschäftsbank zwischen dem Publikum [vgl.
Abs.(70)]. Wenn die Risikoeinschätzung der Sparkasse nicht so
optimistisch ist, wie das der Volksbank, wird sie für ihren Kredit an
die Volksbank einen Risikoaufschlag in Form von Zinsen verlangen. Die
Volksbank kann nun versuchen, ihren Kredit bei einer anderen
Geschäftsbank günstiger zu bekommen, oder sich alternativ über die
Zentralbank zu refinanzieren. Im normalen Geschäftsbetrieb sollte das
ausreichen. Sollte sich eine Bank bei einem Kredit doch einmal kräftig
verhauen, so müsste sie in dem entsprechenden Geschäftsjahr einen
operativen Verlust hinnehmen, der von den Eigner mit ihrer Einlage zu
tragen wäre (That's business folks). Im Zeitverlauf würden sich jedoch
die operativen Gewinne und Verluste ausgleichen.
Eine Zwischenbemerkung: In einer kooperativ betriebenen
Organisationsstruktur eines Bankgeschäftes (z.B. Genossenschaft) ist ein
langfristig stabilerer Geschäftsbetrieb zu erwarten. Zum einen ist der
Druck Rendite zu erwirtschaften nicht so groß, wie bei einer anonymen
Kapitalgesellschaft. Als Geschäftszweck steht die Versorgung der
Mitglider resp. Kunden der Genossenschaft mit Kredit und damit
Liquidität im Vordergrund. Zum anderen dürfte die demokratische
Entscheidungskultur in einer solche Organisationsform sich eher
nachteilig auf riskante Kredite auswirken.
Dann gibt es noch den Fall der wirklich massiven ökonomischen
Verwerfungen, bei der Kredite reihenweise platzen. Das ist dann eine
Sache der 'Lender of Last Resort'-Funktion von Zentralbanken. Sie
stellen dann dem Bankensystem Sicherheiten zur Verfügung, um die
Zahlungsfähigkeit (=Liquidität) des gesamten Geldsystems aufrecht zu
erhalten. Mittlerweile sind die Zentralbanken aber schlauer als noch vor
hundert Jahren: Das Finanzierungskapital wird eben nicht mehr in Form
von Banknoten (das wäre die sprichwörtliche Druckerpresse) sondern in
Form von Bürgschaften der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt.
Dadurch wird zwar eine offene Inflation verhindert, weil die
Bürgschaften nicht sofort nachfragewirksam werden, das Fälligkeitsdatum
der Bürgschaften liegt ja in der Zukunft. Diese Bürgschaften werden
gemeinhin Staatsschulden genannt, sollten aber treffender als
'Souveränitätsschulden' bezeichnet werden.
gerhard (ivl1705)
- [AG-GOuFP] Wicksellsche Idealbank, Keox, 03.10.2014
- Re: [AG-GOuFP] Wicksellsche Idealbank, Rudolf Müller, 03.10.2014
- Re: [AG-GOuFP] Wicksellsche Idealbank, Gerhard, 05.10.2014
- Re: [AG-GOuFP] Wicksellsche Idealbank, Axel Grimm, 06.10.2014
Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.