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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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Re: [AG-GOuFP] Sind die dem Kapitalismus innewohnenden Widersprüche auflösbar ?(was:Thomas Piketty Das Kapital ist zurück)
Chronologisch Thread
- From: Rolf Müller <rolf.mueller9 AT t-online.de>
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- Subject: Re: [AG-GOuFP] Sind die dem Kapitalismus innewohnenden Widersprüche auflösbar ?(was:Thomas Piketty Das Kapital ist zurück)
- Date: Sat, 26 Apr 2014 16:32:32 +0200
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- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Privilegierte Minderheiten standen in der Menschheitsgeschichte in einer
Abfolge verschiedener Gesellschaftsformen einer unterprivilegierten
Mehrheit gegenüber. Die korrespondiernden Herrschaftsformen haben ihre
jeweils eigene Legitimation hervorgebracht die in der gesamten
überwiegend Gesellschaft akzeptiert wurde. Über etliche Epochen hatte
die Religion in diesem Zusammenhang eine dominante Rolle. Vom
Gegenwartsstandpunkt betrachtet erscheinen diese Legitimationen
irrational und muten absurd an. Es bedarf einer erheblichen Anstrengung
sich auch nur halbwegs in den Bewußtseinszustand der Individuen einer
Epoche hineinzuversetzen. Die "Selbst-Weltkonstruktionen" [
http://de.wikipedia.org/wiki/Radikaler_Konstruktivismus ] die jeweils
hervorgebracht wurden sind bloß artifiziell ohne mit einer objektiven
oder auch nur intersubjektiv über die (historische) Zeitdimension
vermittelbaren Wirklichkeit zu korrespondieren. Was liegt also näher als
sich heute die Frage zu stellen ob das vorgenannte auf uns, die
Individuen die im Kapitalismus leben, nicht ebenso zutrifft?
Womöglich hat ja das Zeitalter der Aufklärung hier eine neue Qualität
hervorgebracht. Obschon der Religion im engeren Sinne in der westlichen
Hemisphere keine dominante Rolle mehr zukommt, scheint mir die Antwort
der Kritischen Theorie ( http://de.wikipedia.org/wiki/Kritische_Theorie
) zutreffender. vgl. Dialektik der Aufklärung (
http://de.wikipedia.org/wiki/Dialektik_der_Aufkl%C3%A4rung ) : Die
Aufklärung ist im Ansatz steckengeblieben.
Jenseits ethischer Kategorien hat die eingangs genannte
Ungleichverteilung der Resourcen eine besondere Dynamik der
zivilisatorischen Entwicklung ermöglicht. Während die gesamte
Gesellschaft um das nackte Überleben und später die Befriedigung bloßer
physischer Bedürfnisse ringen mußte, gewann die Elite neben der Freiheit
zum Müßiggang und Hedonismus auch die freie Zeit sich über Gott und die
Welt Gedanken zu machen und eben auch Erkenntnisse zu erlangen welche
die Produktivkräfte entwickelte.
Wenngleich die Innovation Eigentum und später die darauf basierenden
kapitalistischen Produktionsverhältnisse einen Zugewinn an Freiheit in
der bürgerlichen Gesellschaft hervorgebracht hat, offenbart der
Widerspruch zwischen dem Umstand, daß einerseits erstmals in der
Menscheitsgeschichte der technologische Fortschritt die Überwindung der
materiellen Not der gesamten Menschheit ermöglicht hat und andererseits
im globalen real existierenden Kapitalismus Milliarden von Menschen in
bitterster Armut leben, daß der entwickelte Kapitalismus womögich mehr
schadet als nützt. Denn Eigentum beinhaltet immer auch den Ausschluß
aller Nichteigentümer vom Nutzungsrecht. Das kapitalistische System
erzeugt künstliche Knappheit in der elaborierten Eigentumslogik offenbar
in größerem Ausmaß als die Verwertungslogik vorgefundene Knappheit
beseitigen hilft. Beide, Eigentums- und Verwertungslogik, schränken die
Freiheit des Individuums für die Majorität in Ihrer jeweiligen Rolle als
Konsument oder Produzent massiv ein. Egal ob es nun schon unter die
Marktaustrittsschwelle gefallen oder noch nicht exkludiert wurde.
Eigentums- und Verwertungslogik lassen sich als Profitlogik zusammenfassen.
Arbeit ist für mich die Reaktion des individuellen Menschen auf seine
existentiellen Bedürfnisse.
[
https://www.grundeinkommen.de/content/uploads/2009/10/kwiderstrom_-_erich_fromms_verstandnis_von_arbeit.pdf
]
Während die Vernunft gebietet bei einer Optimierung dieser Arbeit der
Komplexität der dynamischen Bedürfnisstruktur Rechnung zu tragen und
somit anhand eines korrespondierenden vieldimensionalen Vektors dieser
Bedürfnisqualitäten im Stoffwechsel mit der Natur zu operieren, kennt
der Kapitalismus nur ein Skalar in der alle Qualitäten kollabiert sind.
Dies bringt ein immer Mehr von irgendwelchem Zeug hervor. Aber wovon und
wofür? Dieses Skalar wird als Kosten-Nutzen Relation akribisch erfaßt
und gesellschaftlich, zum einen in Form übertragbarer Forderungen (die
wir als Geld zu bezeichnen gewöhnt sind) und Verbindlichkeiten,
vermittelt.
Diese Reduktion wird nur aus einem einzigen Grund vorgenommen. Die
jeweiligen Optimierungsprobleme des vieldimensionalen Bedürfnisvektors
sprengen Komplexitätstheoretisch die Möglichkeiten der exakten
Berechenbarkeit.
Gleichwohl hat ebenso wie der Mensch bereits in archaischen
Gesellschaftsformen, auch jeder lebendige Organismus befriedigende
Lösungen der korrespondierenden Optimierungsprobleme in Form von
Heuristiken entwickelt. Wobei die übrige Natur evolutionär im Verlauf
der Äonen ungleich intelligentere Lösungen hervorgebracht hat. [
http://www.youtube.com/watch?v=fkHXBgWq0S0 (faszinierende Doku zur
Bionik 2:23 h, HD) ].
Die Politische Ökonomie Michal Kaleckis beschreibt Politische Zyklen
(Lange Zyklen in der Adaption Schulmeisters) in denen eine Ausweitung
der ungleichen Einkommensverteilung mit einer wachsenden
Unterkonsumption/Überakkumulation einer Dominanz der Finanz- gegenüber
der Realwirtschft und Machtverschiebung zugunsten des Kapitals und zu
Lasten der Arbeit einhergeht und umgekehrt. Da aber auch bei den
reparierenden staatlichen Interventionen Kapitalerträge niemals über
100% besteuert werden vollzieht sich der Prozess der Kapitalakkumulation
und damit einhergehend die Machtkonzentration unaufhörlich weiter.
Machtkonzentration wird also niemals zurückgebaut. Auf diese Art kann
also die Aufhebung des Zyklus nur mit dem totalen Sieg des Kapitals enden.
Höchst dringlich ist nach meiner Überzeugung also die Entwicklung einer
Utopie die abermals zivilisatorisch einen Sprung zu mehr Freiheit und
Emanzipation erlaubt.
Am 22.04.2014 11:38, schrieb thomas:
> Buchempfehlungsempfehlung:
>
> http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/buch-ueber-kapitalismus-kapitalrendite-schlaegt-wirtschaftswachstum-1.1940636
>
>
> Und was ist mit dem klassischen Einwand gegen alle sozialistisch
> inspirierte Theorie, den Leuten gehe es heute viel besser als vor
> fünfzig oder gar hundertfünfzig Jahren? "A rising tide lifts all boats",
> sagte John F. Kennedy im Jahr 1963, "eine Flut hebt alle Boote". Gemeint
> war damit, dass ein Wirtschaftswachstum zwar die einen mehr, die anderen
> weniger begünstige, am Ende aber alle etwas davon hätten. Thomas Piketty
> kann belegen, dass dieser Glaube in die Irre geht: Etwa sechzig Prozent
> des Zuwachses an Produktivität, der von den frühen Siebzigerjahren bis
> heute erreicht wurde, kam keineswegs denen zugute, die ihn
> hervorgebracht hatten, sondern wurde von Investoren und ihren Managern
> eingezogen. Pikettys Erfolg in den USA geht auf diesen Nachweis zurück:
> Er argumentiert nicht wie ein linker Moralist, der die Ungleichheit als
> solche anprangert. Stattdessen nimmt er den Idealismus der Rechten
> zumindest scheinbar ernst. Und dass sich mehr Leistung für die meisten
> Menschen nicht lohnen soll: Das rührt an die Grundlagen dieser Gesellschaft.
>
>
>
> noch eine schöne Grafik zur Einkommensverteilung:
>
> http://topincomes.g-mond.parisschoolofeconomics.eu/
>
--
instead of focusing on our differences,
we should look at what we all have in common...
http://www.youtube.com/watch?v=qLci5DoZqHU
- Re: [AG-GOuFP] Fwd: Re: Neue Projekte braucht das Land und erst recht die Partei, eurokrise, 21.04.2014
- <Mögliche Wiederholung(en)>
- Re: [AG-GOuFP] Fwd: Re: Neue Projekte braucht das Land und erst recht die Partei, eurokrise, 21.04.2014
- Re: [AG-GOuFP] Fwd: Re: Neue Projekte braucht das Land und erst recht die Partei, eurokrise, 22.04.2014
- [AG-GOuFP] Thomas Piketty Das Kapital ist zurück, thomas, 22.04.2014
- Re: [AG-GOuFP] Sind die dem Kapitalismus innewohnenden Widersprüche auflösbar ?(was:Thomas Piketty Das Kapital ist zurück), Rolf Müller, 26.04.2014
- [AG-GOuFP] Thomas Piketty Das Kapital ist zurück, thomas, 22.04.2014
- Re: [AG-GOuFP] Fwd: Re: Neue Projekte braucht das Land und erst recht die Partei, eurokrise, 22.04.2014
- Re: [AG-GOuFP] Fwd: Re: Neue Projekte braucht das Land und erst recht die Partei, Sascha Maus, 22.04.2014
- Re: [AG-GOuFP] Fwd: Re: Neue Projekte braucht das Land und erst recht die Partei, Rudi, 22.04.2014
- Re: [AG-GOuFP] Fwd: Re: Neue Projekte braucht das Land und erst recht die Partei, Sascha Maus, 22.04.2014
- Re: [AG-GOuFP] Fwd: Re: Neue Projekte braucht das Land und erst recht die Partei, Rudi, 22.04.2014
- Re: [AG-GOuFP] Fwd: Re: Neue Projekte braucht das Land und erst recht die Partei, Sascha Maus, 22.04.2014
- Re: [AG-GOuFP] Fwd: Re: Neue Projekte braucht das Land und erst recht die Partei, eurokrise, 22.04.2014
- Re: [AG-GOuFP] Fwd: Re: Neue Projekte braucht das Land und erst recht die Partei, Sascha Maus, 22.04.2014
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