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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - [AG-GOuFP] Aufruf von 120 französischen Ökonomen

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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[AG-GOuFP] Aufruf von 120 französischen Ökonomen


Chronologisch Thread 
  • From: matthias garscha <matthias_garscha AT yahoo.de>
  • To: "ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de" <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>, AG Wirtschaft <ag-wirtschaft AT lists.piratenpartei.de>, AG Europa <ag-europa AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: [AG-GOuFP] Aufruf von 120 französischen Ökonomen
  • Date: Sun, 7 Oct 2012 15:26:20 +0100 (BST)
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Le Monde: Paris;  02.Oktober. 2012


"Seit 2008 sieht sich die Europäische Union einer nie gekannten Wirtschaftskrise ausgesetzt. Anders als neoliberale Ökonomen glauben machen wollen, ist diese Krise keine Staatsschuldenkrise. Spanien und Irland sind heute den Attacken der Finanzmärkte ausgesetzt, obwohl diese Länder stets die Maastricht-Kriterien eingehalten haben. Der Anstieg der Staatsverschuldung ist eine Folge des Einbruchs der Steuereinnahmen(hervorgerufen teilweise durch Steuergeschenke an die Reichen), der staatlichen Hilfe für private Banken sowie der Inanspruchnahme der Finanzmärkte, um diese Schulden zu exzessiven Zinssätzen zu bedienen.
Die Krise entspringt auch dem völligen Fehlen einer Regulierung des Kredits und der Kapitalströme zu Lasten der Beschäftigung, der öffentlichen Dienstleistungen und der Produktion. Sie wird von der Europäischen Zentralbank (EZB) am Laufen gehalten, die bedingungslos die privaten Banken unterstützt und jetzt von den Staaten eine „strikte Konditionalität“ der Austeritätspolitik fordert, damit sie ihre Rolle als „Kreditgeber der letzten Hand“ wahrnimmt. Diese Krise wird des weiteren verschärft durch innereuropäisches Steuerdumping und durch das Verbot für die EZB, den Staaten direkt Kredite zur Finanzierung von Zukunftsausgaben zu gewähren – im Gegensatz zu anderen Zentralbanken auf der Welt wie etwa der amerikanischen Federal Reserve. Schließlich wird die Krise auch verschärft durch die extreme Schwäche des EU-Haushalts und seine Deckelung auf die lächerlich niedrige Schwelle von 1,24% des BIP.
François Hollande, der sich während der Präsidentschaftskampagne verpflichtet hatte, den Fiskalpakt neu zu verhandeln, hat keinerlei Veränderung bewirkt und hat sich dazu entschlossen, die Austeritätspolitik fortzusetzen, die von seinen Vorgängern begonnen wurde. Das ist ein tragischer Fehler. Die Ergänzung durch einen Pseudo-Wachstumspakt mit lächerlichen Summen verbrämt lediglich (?) eine von Merkel und Sarkozy durchgesetzte Schuldenbremse, die jegliche staatliche Finanzierung von Zukunftsausgaben verhindert und zu einem Programm drastischer Einsparungen bei allen öffentlichen Aufgaben führt.

Indem dieser Vertrag die Möglichkeit der Staaten, ihre Volkswirtschaften anzukurbeln, mehr als je zuvor einschränkt und indem er einen ausgeglichenen Haushalt vorschreibt, führt er unweigerlich in die Rezession und verschärft automatisch die bestehenden Ungleichgewichte. Staaten, die unter dem Zusammenbruch der Binnennachfrage leiden, müssen ihre staatlichen Ausgaben noch stärker zurückfahren. In mehreren EU-Staaten, die sich bereits in der Rezession befinden, bedroht diese Logik noch zusätzlich ihre Produktion und ihren Arbeitsmarkt – und damit ihre Steuereinnahmen, wodurch sich die Defizite am Ende noch vergrößern. So prognostiziert das Konjunkturforschungsinstitut OFCE aufgrund der Austeritätspolitik bereits jetzt 300.000 zusätzliche Arbeitslose in Frankreich für 2013. Auf mittlere und längere Sicht wird dadurch der soziale und ökologische Wandel, der beträchtliche Investitionen erfordert, in Frage gestellt.
Im Namen einer angeblichen „europäischen Solidarität“ schreibt der Fiskalpakt in Wirklichkeit die staatliche Garantie für große private Vermögen fest. Er meißelt automatische Austeritätsmaßnahmen in Stein, die die vom Volk gewählten Abgeordneten absegnen müssen, und erzwingt auf diese Weise Haushaltsentscheidungen, die von einer nicht vom Volk gewählten Instanz diktiert werden.
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), eine antidemokratische Institution par excellence, darf Kredite zu etwas geringeren Zinsen (5%) gewähren. Aber diese Kredite sind an die Durchführung einer drastischen Austeritätspolitik gebunden, die den Bürgern aufgezwungen wird! Die staatliche Bürgschaft für private Investoren ermuntert die Spekulation, statt ihr das Genick zu brechen, indem man ihr die öffentlichen Schulden entreißt. Es gilt uneingeschränkt festzuhalten: Austerität ist zugleich ungerecht, unwirksam und antidemokratisch.

Alternativen sind möglich. Die Zukunft Europas erfordert eine demokratische Debatte über die Auswege aus der Krise. Eine koordinierte Ausweitung der Produktion, der Beschäftigung und der öffentlichen Dienstleistungen in Europa wäre heute möglich.
Damit die EU eine solche Politik in Angriff nimmt, ist es dringend erforderlich, die europäischen Institutionen zu reformieren und zu demokratisieren. Ein Europäischer Fonds für soziale und ökologische Entwicklung unter demokratischer Kontrolle könnte diese Dynamik entfalten. Weiterhin könnte die EU eine Finanzkontrolle einrichten.
Die sozialen und ökologischen Herausforderungen sind immens. Es ist möglich, die düstere Bilanz der neoliberalen Politik in Frankreich mit 5 Millionen Arbeitslosen und 10 Millionen Armen aufzubrechen. Um sich dafür die Mittel zu verschaffen, muss man die Zwangsjacke der Finanzmärkte ablegen und sich nicht von ihnen abhängig machen. Deshalb lehnen wir die Ratifizierung des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalpakt) ab!"


lg
matthias



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