ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: "Christoph Ulrich Mayer" <CU_Mayer AT Menschen-gerechte-Gesellschaft.de>
- To: "'Patrik Pekrul'" <Patrik.pekrul AT hotmail.de>
- Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de, 'Thomas Schindler' <thomas.schindler2 AT gmx.de>
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?
- Date: Mon, 3 Sep 2012 22:40:51 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
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Von: patrik.pekrul AT googlemail.com [mailto:patrik.pekrul AT googlemail.com] Im Auftrag von Patrik Pekrul
Am 23. August 2012 10:17 schrieb Christoph Ulrich Mayer <CU_Mayer AT menschen-gerechte-gesellschaft.de>: Patrik schrieb:
So ist es, und dieses Ungleichgewicht wird es immer geben.
Das ist so nicht richtig. Stellen wir uns vor, das Unternehmen baut eine neue Fabrik für 100 mio.€ in einem 2-Jahreszeitraum. Mit dieser Fabrik verdient es fürderhin 10 mio.€
è Und was wäre, wenn das Unternehmen diese 10 Mio € - die es ja erwirtschaftet – selber bekommen würde? Jährlich 10 Mio Euro aus der Steigerung der Sachwerte, die durch das Unternehmen entstanden sind?
Selbst wenn sämtliches Geld an das Unternehmen und nicht an eine Bank ginge, bräuchte es dennoch ad hoc Kredite in Höhe von 100 Mio.€, woher sollen die kommen? Der Kreditbedarf hat nichts mit dem Zins zu tun, sondern ist einfach der Tatsache geschuldet, dass jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt mehr Geld braucht als er hat.
Der einzige Unterschied zwischen "Zinsen" und "Eigenkapitalrentabilität" ist das Risikoprofil. Währen die Kreditgeber i.A. einen konstanten (meist niedrigen) Satz über einen definierten Zeitraum kriegen - unabhängig von der Ertragslage - kriegen die Eigenkapitalgeber die Chance wesentlich mehr zu verdienen, aber auch zu verlieren.
Stellen wir uns vor, zwei Unternehmer bauen die Fabrik, A gibt 10 mio.€, B 90 mio.€. Nun vereinbaren sie folgenden Deal:
A kriegt von den Erträgen alles, B nichts.
Klingt ziemlich bescheuert, oder? Warum sollte B das tun?
Im allgmeinen einigt man sich wie folgt:
B wird als erster bedient und kriegt jedes Jahr 4 mio.€ A kriegt den Rest
Man kann nun der Ansicht sein, dass das ziemlich dämlich von A ist, aber
1. Ist das seine Sache 2. Zwingt ihn keiner es zu tun 3. Tut er es dennoch, wünsche ich ihm viel Glück dabei
Kredite werden von Unternehmen nicht aufgenommen, weil sie es "müssen", sondern weil sie es "wollen" - sie könnten den Laden nämlich auch einfach dicht machen, wenn sie keinen Sinn mehr darin sehen; auch dies ist eine unternehmerische Entscheidung. Wenn sich Unternehmen entscheiden, weiterzumachen, dann kann man wohl kaum von "Zwang" reden.
è Der Zwang entsteht wie gesagt systemisch, es ist ein Finanzsystem, in dem jeder Leistungserbringer erpresst wird, einen Ovolus an jemand zu geben, der keine Leistung bringt, der die Macht hat, Tätigkeiten zu erlauben oder zu verhindern, nicht mehr und nicht weniger. Denn Geldbesitzer besitzen keine realen Ressourcen sondern nur den Botenstoff Geld.
Ich weiss worauf du hinauswillst, aber letztlich ist die entscheidende Frage eine andere:
1. Ist Geld begrenzt oder zumindest knapp, wird es Zinsen geben 2. Ist Geld unbegrenzt verfügbar (bspw. zinslose Kredite von der Zentralbank an jeden, der es haben will) wird der Zins bei 0 liegen
Die Gefahr liegt darin, dass dann die Bereitschaft abnehmen wird, etwas für das Geld zu tun, um es zu bekommen, statt einfach mit der Kreditkarte zu bezahlen - unendlich oft, unendlich viel.
è Ja, man kann es nicht einfach so in Umlauf bringen, es darf letztlich nur für Leistung empfangen werden.
Volkswirtschaftliche Wertschöpfung entsteht aber nicht aus Geld, sondern aus Tätigkeit, und nur Wertschöpfung führt zu Wohlstand.
è 100% Übereinstimmung
Das "System" muss also in jedem Fall so gestrickt sein, dass "Tätigkeit" belohnt wird, und der Anreiz etwas zu tun anstatt sich einfach Geld zu holen nimmt bei Nullzins drastisch ab - nicht zielführend.
è Das ist eine Fehleinschätzung. Geliehenes Geld verursacht Tilgungsraten. Zins wird dabei nicht benötigt. è Wer nicht wertschöpfend tätig ist, dessen Vermögen verliert ja durch die Umlaufsicherungsgebühr an Wert. è Und es gibt auch alternative Wege: Das Wertschöpfungsentgelt belohnt immer nur reale Wertschöpfung, der Leistungsanreiz ist stärker als mit Zins, die Kapitalkosten sind aber weg. Falls es in diesem Modell noch Zins gäbe (der wird ja nicht verboten sondern soll marktwirtschaftlich verschwinden), dann sorgt das Wertschöpfungsentgelt dafür, dass der, der reale Wertschöpfung bringt, den Zins wieder kompensieren kann. Eine zusätzliche Inflation kann dann volkswirtschaftlich wieder für eine Neutralisierung (im Durchschnitt) des Vermögenseinkommens sorgen.
Wenn alle nur noch zinslos Geld leihen, in der Hoffnung, dass irgendein anderer "Depp" noch arbeitet, wird am Ende nichts mehr produziert und davon hat keiner real etwas. Alle haben unendlich viel Geld zur Verfügung, aber es gibt keine Waren mehr - doof das.
è Richtig, aber das ist es ja nicht, was wir vorschlagen.
Richtig, und die Regeln sollten sich an den Menschen und ihrem Verhalten orientieren.
Ok, mit Scheuklappen gesehen scheint das ein Argument zu sein. Gegenargument:
Deutschland nützt es zwar, wenn alle ihr Geld in den vermeintlichen sicheren Hafen verschieben, aber es passiert mit dem Geld realwirtschaftlich genausowenig wie vorher - oder ist die Investitionsquote in Deutschland signifikant gestiegen?
Die Idee der Umlaufsicherung beruht ja auf dem Glauben, dass dadurch realwirtschaftliche Aktivität befördert würde - tatsächlich ist das nicht der Fall. Deutschland ist zwar im Moment der Einäugige unter den Blinden, aber Wachstum ist etwas anderes - siehe Asien.
è Wir haben ja kein Umlaufsicherungsgeld sondern nur ein Vermögensverlustrisiko bei Investitionen in Aktien usw. Das ist ein ganz anderer Fall. Was hier bewiesen ist: Besteht ein Verlustrisiko, investier man auch für 0% Verzinsung. Vermögenserhalt ist halt besser als Vermögensverlust, diese Motivationsstruktur beweist sich allein schon aus der Logik und der menschlichen Psyche.
Daher die Brutto-Geld-Vermögenssteuer für hohe Geldvermögen.
Das kann man zwar als "Umlaufsicherung" interpretieren, wenn man will, tatsächlich ist aber der wesentliche Aspekt ein anderer: Nutzt man sie zur Entlastung der Arbeitskosten werden die (Vermögens-)Einkommen der Superreichen dadurch geschmälert, während die (Arbeits-)Einkommen erhöht werden. Dadurch entsteht mehr Nachfrage, und so mehr Wertschöpfung und in Folge mehr Wohlstand.
è Wenn man alle Schotten der Kapitalflucht dicht macht usw. – ist halt die Frage, inwieweit man das hinbekommt – und das auch noch ohne Schaden für die Volkswirtschaft und unter piratiger Wahrung der Freiheitsrechte. è Und wie gesagt gibt es auch andere Wege, z.B. das Umlaufsicherungsgeld…
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- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Christoph Ulrich Mayer, 04.09.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, alex, 04.09.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Christoph Ulrich Mayer, 05.09.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, alex, 05.09.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Rudi, 05.09.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, alex, 05.09.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, ukw, 04.09.2012
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