ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Pieter hogeveen <phogeveen AT msn.com>
- To: <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Wachstumszwang nach Binswanger
- Date: Wed, 18 Apr 2012 06:39:40 +0000
- Importance: Normal
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
From: CU_Mayer AT Menschen-gerechte-Gesellschaft.de
To: j.niccum AT me.com; ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Date: Wed, 18 Apr 2012 08:33:50 +0200
Subject: Re: [AG-GOuFP] Wachstumszwang nach Binswanger
Danke für den Text- ist viel wertvolles drin.
Wachstum muss aber nicht quantitativ sein und auf Kosten der Natur gehen. Es kann auch qualitatives Wachstum geben, das zu Nachhaltigkeit führt, wenn dies belohnt wird.
Zu dem Thema hab ich grad kürzlich Lösungen gepostet:
1. Das Werte-Siegel:
Im Markt kann der Käufer nur das als Kaufkriterium verwenden, das er auch sehen/ wissen kann.
Heute weiß der Konsument (und im "Geldmarkt" der Investor) größtenteils nicht, ob ein T-Shirt für 100€ nachhaltiger hergestellt wurde, als eines für 2€.
Es ist unbekannt, welche Löhne, welche Arbeitsbedingungen, welche Korruptionsgrade, welche Umweltverschmutzung, CO2-Emission usw. dahintersteht.
Um Werthaltigkeit und Nachhaltigkeit zu gewährleisten entstehen aber meist zusätzliche Kosten, z.B. Filteranlagen oder höhere Lohnkosten.
Aus diesem Grund haben langfristig die Unternehmen mehr Geld, Größe und Erfolg, die nur auf ihre Kosten und nicht auf Umwelt und Mensch Rücksicht nehmen (ja, diese Aussage ist zu verallgemeinernd, es geht hier um die Tendenz).
Sobald man aber transparent macht, unter welchen Bedingungen ein Produkt oder eine Dienstleistung entsteht, wird dies ein Kaufkriterium.
Und wenn man den Grad der Verwirklichung von Werten und Nachhaltigkeit mit einem Mehrwertsteuersatz verknüpft, wird auch der Marktpreis der nachhaltigen Produkte günstiger und nahezu jeder kauft die nachhaltigen Produkte.
Er würde ein Werte-Siegel in 3 Kategorien vergeben: Gold: 7% MWSt, Silber: 12% MWSt., Bronze: 19% MWSt, keine Kategorie erreicht: 50% MWSt.
Die Einteilung würde nach Kriterien erfolgen, hier ein Vorschlag dazu: http://www.menschen-gerechte-gesellschaft.de/index_htm_files/Werte-Ethiksiegel.xls
Eine kurze Einführung findet ihr auch unter:
http://www.menschen-gerechte-gesellschaft.de/werte-siegel.htm
2. Gemeinwohl-Ökonomie:
http://www.gemeinwohl-oekonomie.org/
Auch hier gibt es die Idee der Begünstigung von Unternehmen, die nach gesellschaftlichen Werten handeln, erfasst durch die "Gemeinwohl-Bilanz", auch hier ist eine Vergünstigung in Steuern aber auch bei Zoll, Finanzierung usw. vorgesehen.
Die „Gemeinwohl-Ökonomie“ beschreibt die grundlegenden Elemente einer alternativen Wirtschaftsordnung. Sie wählt dabei drei Zugänge:
* | Der Wertwiderspruch zwischen Markt und Gesellschaft soll aufgehoben werden. In der Wirtschaft sollen dieselben humanen Werte belohnt werden, die zwischenmenschliche Beziehungen gelingen lassen.
* | Verfassungskonformität. Die Wirtschaft soll mit den heute bereits in den Verfassungen westlicher Demokratien enthaltenen Werten und Zielen übereinstimmen, was gegenwärtig nicht der Fall ist.
* | Die wirtschaftliche Erfolgsmessung soll von der Messung monetärer Werte (Finanzgewinn, BIP) auf die Messung dessen, was wirklich zählt, die Nutzwerte (Grundbedürfnisse, Lebensqualitätsfaktoren, Gemeinschaftswerten), umgestellt werden.
Inhalte: http://www.gemeinwohl-oekonomie.org/wp-content/uploads/2011/11/GWOE_20-Punkte-Zusammenfassung.pdf
http://www.gemeinwohl-oekonomie.org/wp-content/uploads/2011/11/Matrix_3-0_final.pdf
3. Energiesteuer + Lenkungsfunktion + evtl. verknüpftes Grundeinkommen Der Vorschlag, die Steuereinnahmen durch Energiesteuer zu verbessern und dadurch sinnvoll zur Nachhaltigkeit zu lenken ist auch schon oft geäußert worden, bisher aber nur teilweise umgesetzt.
Ein ganz guter Vortrag hier:
http://www.rosalux.de/fileadmin/static/archiv_rls-bw/cms/files/vortrag_ludewig.pdf
Alwine Schreiber Martens hat vorgeschlagen, die Energiesteuern anzuheben und die so entstandenen Mehreinnahmen für ein Grundeinkommen zu verwenden.
So hätte jemand, der durchschnittlich verbraucht genausoviel in der Tasche wie vorher aber jemand der mehr verbraucht zahlt einiges mehr, die sparsamen haben einen geldwerten Vorteil. Hier das Konzept: http://www.sfv.de/lokal/mails/wvf/energieg.htm
4. Nachhaltigkeitsfond:
In jedem Wirtschaftsunternehmen werden neue Produkte entwickelt, die die alten ablösen. Diese Entwicklungen werden von den Einnahmen durhc die aktuellen Produkte finanziert. Diesen Mechanismus gibt es in unserer Volkswirtschaft so nicht.
Der Vorschlag ist also, auf nicht nachhaltige Technologien, Rohstoffe usw. eine Abgabe einzuführen (z.B. auf Öl), die in einen Fond fließt.
Diese Fondgelder werden dann verwendet, um die Entwicklung von Zukunftstechnologien auszuschreiben, zu finanzieren und umzusetzen (z.B. Wasserstoffgewinnung in Wüstengebieten aus Meerwasser, Aufbau Pipeline und Wasserstofftankstellennetz in Europa, ...).
Von: ag-geldordnung-und-finanzpolitik-bounces AT lists.piratenpartei.de [mailto:ag-geldordnung-und-finanzpolitik-bounces AT lists.piratenpartei.de] Im Auftrag von Jürgen Niccum
Gesendet: Mittwoch, 18. April 2012 00:45
An: AG-GOuFP
Betreff: [AG-GOuFP] Wachstumszwang nach Binswanger
Sehr interessante Lektüre! http://www.ivwl.uni-kassel.de/forschungskolloquium/binswanger-vortrag-0607.pdf
Auf diese Weise hält sich der Kapitalisierungs- und Wachstumsprozess mit Hilfe der Schulden, die zu Geld werden, selbst im Gange. Er wird zu einem perpetuum mobile. Indem sich der Wirtschaftskreislauf zu einer Wachstumsspirale ausweitet, entstehen die Gewinne, die nötig sind, damit sich diese Spirale immer weiter ausweiten kann. Das ist die Essenz der modernen Magie. (Bild: Die Wachstumsspirale)
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Allerdings hält sich der Kapitalisierung- und Wachstumsprozess im Sinne der Wachs- tumsspirale nicht nur selbst im Gange, sondern er muss auch immer weiter gehen, denn wenn nicht immer neues Kapital gebildet wird, also neue Investitionen aufgrund immer neuen Ausweitungen der Geldmenge erfolgen, die eine neue zusätzliche Nachfrage erzeugt, fällt die aus der letzten Investition nachrückende Angebotserhö- hung sozusagen ins Leere, d.h. es steht kein entsprechender Zuwachs der Nachfra- ge dem Zuwachs des Angebots gegenüber. Entsprechend sinkt die Gewinnrate. Wenn auch in Zukunft weitere Investitionen ausbleiben, sinkt die Gewinnrate schliesslich unter die Höhe, welche die Unternehmungen bzw. die Kapitalgeber im Minimum für das Eingehen des Investitionsrisikos erwarten. Das Risiko ist nicht mehr gedeckt. Dann werden die Unternehmungen nicht mehr für Ersatzinvestitionen sor- gen und so allmählich die Produktion auslaufen lassen. Ein immer grösserer Teil der
Daraus ergibt sich ein Wachstumszwang in dem Sinne, dass die Alternative zum Wachstum Schrumpfung ist. Das heisst: Stabilität und Null-Wachstum sind in der modernen Wirtschaft nicht möglich. Es darf kein Ende des Wachstums geben.
Das Problem ist aber: Wir leben in einer endlichen Welt, die nur begrenzte Ressour- cen liefert, und leben ausserdem nicht nur von den Gütern, die man kaufen kann, sondern auch von Gütern, die man nicht kaufen kann wie gesunde Luft, sauberes Wasser, Ruhe, schöne Landschaft, intaktes Klima usw. Wenn die Wirtschaft immer weiter wächst, nehmen die Ressourcenvorräte ab, und die Produktion käuflicher Gü- ter verdrängt die nicht käuflichen Güter, von denen wir als Lebewesen abhängig sind, so dass wir als Lebewesen verarmen, indem wir als Wirtschaftswesen reicher wer- den. Damit verschulden wir uns gegenüber der Natur, weil wir nehmen, ohne etwas dafür zu geben, und damit gegen uns selbst, weil wir auch Teil der Natur sind. Diese Verschuldung kann nicht unendlich weitergehen. Das ist die Kehrseite der modernen Magie.
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In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf die spezielle Rolle des Zinses einge- hen. Diese hat sich durch die Papiergeld- und Bankgeldschöpfung ohne Goldbindung völlig gewandelt. Der Zins ist nicht mehr ein Mittel, um die Geldbesitzer zu veranlas- sen, das Geld, das sie besitzen, für Investitionen freizugeben, es also zu kapitalisie- ren statt zu horten. Es ist heute vielmehr zur Einnahmequelle der Banken geworden. Diese bezahlen daraus - nach Abzug der Zinsen, die sie für die Spareinlagen bezah- len - die Produktionskosten des Geldes, nämlich die Kosten des Bankenapparats, auf dem der ganze Kredit- und Geldschöpfungsprozess beruht. Darüber hinaus zweigen sie einen Gewinn für sich ab. Einen Teil des Gewinns müssen sie in Eigen- kapital verwandeln. Dies führt zu einem gewissen Geldschwund, der das Ausmass der Geldschöpfung mindert.
Die Höhe des Zinssatzes ist weitgehend von der Zentralbank abhängig, also nicht vom Ausmass des Sparens, denn die Zentralbank kann ja beliebig eigenes Geld
Ich habe in meinem Buch "Die Wachstumsspirale" die minimale globale Wachstums- rate unter plausiblen Annahmen für die Höhe der genannten Grössen auf 1,8% ge- schätzt.
-- AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik mailing list AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-geldordnung-und-finanzpolitik
- [AG-GOuFP] Wachstumszwang nach Binswanger, Jürgen Niccum, 18.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Wachstumszwang nach Binswanger, CU_Mayer, 18.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Wachstumszwang nach Binswanger, Pieter hogeveen, 18.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Wachstumszwang nach Binswanger, Axel Grimm, 18.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Wachstumszwang nach Binswanger, alex, 18.04.2012
- <Mögliche Wiederholung(en)>
- Re: [AG-GOuFP] Wachstumszwang nach Binswanger, piraten, 18.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Wachstumszwang nach Binswanger, CU_Mayer, 18.04.2012
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