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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Patrick Siebert - Das Geld in der Neoklassik

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Patrick Siebert - Das Geld in der Neoklassik


Chronologisch Thread 
  • From: "Dr. Johannes C. Kerner" <jckerner AT googlemail.com>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Patrick Siebert - Das Geld in der Neoklassik
  • Date: Sun, 8 Apr 2012 20:48:16 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Nicolai,

Was ich mit dem Zitat

>> „Wieviel ist ein Euro wert?“ so stellt man eine ähnliche Frage wie: „Wie
>> lange ist ein Meter?“ (S. 98)

zum Ausdruck bringen wollte, ist, dass dass der Autor seine eigenen Erkenntnisse nicht verstanden hat. du, Nicolai, schon, wenn du schreibst:

Die Frage hat nur eine Bedeutung,
wenn du einen quantitativen Wertmaßstab hast.

In der Praxis verwenden wir aber immer Währungseinheiten als
quantitativen Wertmaßstab. Wie viel ist ein Euro also wert? Naja,
genau einen Euro eben. Das ist die korrekte Antwort, die aber keinen
Erkenntnisgewinn darstellt.

Dann wäre ein sehr viel besseres Beispiel: "Wieviel ist ein Euro wert?" ist eine ähnlich sinnfreie Frage wie "Wie schwer ist ein Meter?" - wobei dies immer noch nicht die Komplexität zum Ausdruck bringt. Vielleicht sollten wir zu "liebenswert" übergehen, wenn wir die vorwiegend sozialpsychologische Perspektive Herrn Sieberts übernehmen.

Naja, aber das viel interessantere ist deine (Nicolai) Frage,

Wie würdest du die Frage denn beantworten?

Da gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten: Erstens, zu erläutern, dass das eine blöde Frage ist, weil Geld nur das wert ist, was ihm der Durchschnitt der subjektiven Meinungen als Wert zugesteht, wie der Autor. Würde ich nicht machen.

Zweitens, und ich finde es sehr schade, dass der Autor das nicht macht,
zitiert man wie Siebert Aristoteles:

Darum trägt es auch den Namen Geld (Nomisma), weil es nicht von Natur, sondern durch das Herkommen gilt und es bei uns steht, es zu verändern und wertlos zu machen

Das heißt auf Deutsch, dass Geld genau das "wert" ist, was der, der es ausgegeben hat, sagt, dass es wert ist.

Beleg? Die Geldausgeber intrinsisch wertlosen (nicht-Edelmetall etc.) Geldes können jederzeit eine "Entwertung" bestimmen.

Das geht dann fließend zur dritten Antwortmöglichkeit über, meine Antwort, die eher philosophisch ist: Der Wert des Geldes reflektiert die emotionale Verbundenheit (durch Vertrauen oder Oppression) der Verwender des Geldes zur geldausstellenden Autorität.

In der Praxis spielen hier viel mehr Faktoren eine Rolle (vor allem Normen und Gewohnheiten), sodass keine der obigen Antworten als völlig korrekt bezeichnet werden kann. Insofern...

Der größere Erkenntnisgewinn ist, dass jemand, der die Frage ernsthaft
stellt, vermutlich selbst verwirrt ist

 finde ich die Verwirrung sehr verständlich.

Vele Grüße

Jo

PS: Nachdem ich das Ding nun nochmal überfolgen habe, hier die ausführliche Kritik:

Kurzfassung: Es geht um den Wert des Geldes. Dieser ist aber nicht quantitativ bestimmbar.

Das Ganze endet dann darin, dass die eingangs gestellte Frage

Was ist das Wesen des Geldes, kann man diese Frage verstehen und wenn ja, wie?

am Ende nicht beantwortet wird. Das sind die beiden Teile, die ich bei wissenschaftlichen Arbeiten zuerst lese: Worum es geht und was rauskommt. Aber nach eingehenderem Überfliegen hier ein paar Details:

Wie der Autor sehr elaboriert, aber nicht unbedingt gut auf den ersten 40 Seiten darlegt, seien Werte nicht objektiv, quantitativ messbar. Diese Darlegung (die ich für durchaus machbar halte) gelingt ihm vorwiegend durch semantische Unschärfe (d.h. totales durcheinanderwerfen verschiedener Wertbegriffe und abstruse, auf anderen als den diskutierten Wertbegriffen basierende Gegenbeispiele).

Im weiteren Verlauf der Arbeit hat der Autor 2 Punkte: erstens, dass Geld keinen intrinsischen Wert hat. Zum Beleg verwendet er in seiner vorgeblich philosophischen Arbeit, das ist der Knackpunkt, dann wirtschaftswissenschaftliche Quellen, die er, wie gerade dargelegt, ausserhalb ihrer Geltungsaxiome kritisiert. Dass führt dann zum zweiten Punkt, nämlich, dass eine rationale "Wert-bewertung" nicht möglich ist, was ihn dazu veranlasst, die gesamte finanzorientierte Wirtschaftswissenschat als unzureichend darzustellen. Er vergisst dabei, dass eine Wissenschaft (jede!) immer der *Versuch* ist, die Realität so gut es geht zu erfassen; nur sehr dämliche oder sehr unverständliche Wissenschaftler behaupten, dass sie das tatsächlich schaffen.

So ziemlich das hatte ich auch erwartet, weswegen ich ja schrieb, muss man nicht lesen. Für die zentralen Theoreme (instrinsischer Geldwert / objektiver Geldwert) gibt es sicher bessere Quellen.



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