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ag-drogen - Re: [AG-Drogen] AG-Drogen Nachrichtensammlung, Band 25, Eintrag 90

ag-drogen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik

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Re: [AG-Drogen] AG-Drogen Nachrichtensammlung, Band 25, Eintrag 90


Chronologisch Thread 
  • From: Stefan Blanke <webmaster AT webmop.de>
  • To: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Drogen] AG-Drogen Nachrichtensammlung, Band 25, Eintrag 90
  • Date: Thu, 27 Oct 2011 15:16:30 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
  • List-id: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>

Können wir uns bei der Betrachtung von Abhängigkeitspotential und psychischen Zusammenhängen auf eine gewünschte Betrachtungsweise einigen? Dies dürfte fruchtlose Diskussionen verhindern.
Uns stehen so grob folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

Das was man sieht ist.

Es gibt Zusammenhänge die das verursachen was man sieht.

Es gibt Zusammenhänge die bedingen was man sehen kann.

Bei der Beurteilung ob z.B. Cannabis Psychosen verursacht oder sie "nur" aufdeckt ist sicher immer die Betrachtung der Vorgeschichte und der Lebensumstände notwendig. "Das was man sieht ist" ist hier sicher zu kurz gegriffen. Die Erfahrung und die Erkenntnismöglichkeiten des Beobachtenden sind ebenfalls untrennbarer Teil (jemand aus der Drogenhilfe wird kaum Möglichkeiten haben, die Lebenssituation vor der Abhängigkeit zu beurteilen).

Ich weiß das man dieses Spiel sehr weit treiben kann (und präferiere eine möglichst schlüssige, weitgehende und zusammenhängende Betrachtungsweise) hoffe jedoch das ich mit dieser Mail keine Dispute wie zwischen Wittgenstein und Popper auslöse. Also Lasst die Schürhaken wo sie sind.  (http://www.youtube.com/watch?v=LYOfWCFlSEU&feature=related)

Ich plädiere für die Betrachtung, dass Cannabis psychische Probleme aufdecken kann. Dies entspringt meinen eigenen Erfahrungen (die so möchte ich untertänigst anmerken, einer langen Phase der Selbstbetrachtung in vielen möglichen Geisteszuständen und unter vielen möglichen Beeinflussungen durch äußere Faktoren wie Schmerz, Freude, Cannabis, Alkohol, Isolation, Gemeinschaft etc. entstanden sind). Ich habe und hatte viel Zeit für mich selbst und für zurückgezogene Betrachtungen meines Umfeldes. 

Cannabis kann in unbefriedigenden Lebenssituation zu Lethargie führen (z.B. Im Gegensatz zum Putzflash bei zufriedenstellender Lebensführung). Eine wirkungsweise von Cannabis ist die "Verwirrung" des Kurzzeitgedächnisses bzw. die "Behinderung" ebendieses. Dies führt zu unordentlichem Verhalten was in seinen Endeffekten bei außenstehenden Beobachtern zusätzlich als eine lethargische Verwahrlosung gesehen werden kann.

Cannabis führt zu einer Zufriedenheit mit dem Ist-Zustand (eigentlich alle Drogen), fällt diese Zufriedenheit infolge des "Abtörnens" weg, können die Monster des Jetzt ihr Haupt ungestörter erheben. Ich denke einige Erfahrene werden mir bestätigen, dass das "Abtörnen" wesentlich einfacher zu ertragen ist wenn es im Schlaf stattfindet. Ein Schlaf der übrigens nicht die Erholsamkeit eines THC-freien Schlafes erreicht. Dies mag auch als eine Ursache für die zu beobachtende Lethargie und die Gedächtnisprobleme sein. Ein ungestörtes Kurzeitgedächniss ist unabdingbarer Bestandteil der Regenerationsfunktionen die im Schlaf ausgeführt werden. Der derzeite wissenschaftliche Stand ist übrigens, dass eine echte Schädigung des Kurzzeitgedächtnisses zwar als möglich angesehen wird, aber nicht nachgewiesen werden konnte (meine obigen Ausführungen sollten die Begründung dafür liefern können).
http://www.heise.de/tp/blogs/3/150355


Ich hoffe für diese Zusammenfassung einen Konsens zu bekommen.

Danke.

Stefan


Am 27.10.2011 13:56, schrieb Chris Lüders:
Hallo Guido!

"Es kann tatsächlich auch Psychosen verursachen, was ich bei meinen Klienten auch bereits ein paar mal beobachtet habe."
Das ist einfach mal falsch. Cannabis verursacht keine Psychosen, sondern kann latente Psychosen auslösen. Da ist ein großer Unterschied.

"Das Problem liegt unter anderem an der am gestiegenen THC Gehalt der Pflanzen seit den 60er Jahren. Heute ist der THC Gehalt bis zu 20x so hoch."
Naja, der Unterschied ist doch nur, dass man sich früher einen Wolf geraucht hat, um was zu merken und heute baust du dir einen Joint und das reicht.
Verantwortungsbewusster Konsum gehört halt zu jeder Droge.

"Außerdem ist die Konsumform ein wichtiger Faktor. Genauso wie es hinsichtlich einer Abhängigkeitsentwicklung es einen Unterschied macht, ob jemand Heroin 
raucht oder sich spritzt, macht es auch einen Unterschied ob jemand Cannabis als Joint mit Tabak gemischt raucht oder sich
über eine Bong einverleibt."
Wenn du es mit Tabak mischt, kannst du höchstens eine Tabak-Abhängkeit bekommen, das hat allerdings eigentlich nichts mit der Abhängigkeit von Cannabis zu tun. Ansonsten ist die Gefahr eine psychische Abhängigkeit von Cannabis zu bekommen, doch völlig unabhängig von der Konsumform. Wo soll der Unterschied sein, ob ich mir ne Tabak-Cannabis Mischung mit der Bong rauche, oder in einem Joint? Das einzige was wirklich ein Problem darstellt ist, das man überhaupt die Droge Tabak mit Cannabis mischt. Das ist ein Mischkonsum und hat nichts mit eigentlichem Cannabiskonsum und seinen Auswirkungen zu tun. Meiner Meinung nach kann man Cannabiskonsum und seine Auswirkungen nur neutral bewerten, wenn es oral (in Essen) oder mit einem Vaporisator konsumiert wurde. Damit ist das Argument, dass Cannabiskonsum schädlich für die Lunge und krebserregend ist, nämlich auch haltlos.  

Klingt für mich alles ein wenig danach, als hättest du dich noch nicht eingehend und fachlich mit der Droge Cannabis beschäftigt. Auch wenn du viele "Kifferbiografien" kennst, ist das ja noch lange nicht repräsentativ um dadurch ein Urteil über die Droge zu fällen. Wenn du in der Drogensuchtberatung sitzt, und viele "Suchtibiografien" kennst, müsstest du am Schluss ja auch zu dem Punkt kommen, dass Drogen einfach schlecht sind weil alle abhängig sind. Aber es gehen ja nur diejenigen zur Suchtberatung, die ein Suchtproblem haben und dass sind bei Cannabis meines Wissens nach nur ca. 2% der Konsumenten und selbst da Frage ich mich, ob die Zahl repräsenativ ist.

Ich bitte um mehr Objektivität und wenn du dir nicht sicher bist, kannst du ja auch fragen, oder dich informieren bevor du etwas so darstellst als "sei es einfach so". Es ist nicht schlimm wenn man etwas nicht weiß, aber denn darf man es auch nicht als wissenschaftlichen Fakt hinstellen.

Viele Grüße,
Chris


Am 27. Oktober 2011 11:19 schrieb Guido Weyers <guidoweyers AT googlemail.com>:
Hallo zusammen.

hier nochmal ein paar kurze Ergänzungen und Korrekturen.

Es heißt nicht Demotivationssyndrom sondern Amotivationssyndrom.
Cannabis als Amotivationssyndrom gilt als umstritten, weil es wohl Studien gibt die
belegen, das die Konsumenten bereits vorher über eine geringe Leistungsfähigkeit verfügten
und das durch den Konsum wohl nur noch verstärkt wurde.
Ich kenne durch meine Anamneseerhebungen jedoch so viele Kifferbiographien, dass es mir
immer wieder auffällt wie sich, insbesondere eine jugendliche Persönlichkeit, durch den exzessiven Konsum von Cannabis
total verändern kann. Es ist für mich durch meine tägliche Arbeit damit mittlerweile so evident, dass
Cannabis zu erheblichen Problemen führen kann, dass ich darüber gar nicht mehr nachdenke.
Das Problem liegt unter anderem an der am gestiegenen THC Gehalt der Pflanzen seit den 60er Jahren. Heute ist der THC Gehalt bis zu 20x so hoch.
Außerdem ist die Konsumform ein wichtiger Faktor. Genauso wie es hinsichtlich einer Abhängigkeitsentwicklung es einen Unterschied macht, ob jemand Heroin
raucht oder sich spritzt, macht es auch einen Unterschied ob jemand Cannabis als Joint mit Tabak gemischt raucht oder sich
über eine Bong einverleibt.

http://www.cannabislegal.de/cannabisinfo/wirkstoffgehalt.htm

THC ist definitiv grundsätzlich nicht harmlos und sollte genausowenig bagatellisiert werden wie Alkohol.
Es kann tatsächlich auch Psychosen verursachen, was ich bei meinen Klienten auch bereits ein paar mal beobachtet habe.

http://www.3sat.de/page/?source=/nano/cstuecke/103610/index.html

@ Alfred. Mit deiner Formulierung kann ich sehr gut mitgehen.

Gruß,

Guido

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