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ag-bauen-verkehr - Re: [Ag-bauen-verkehr] Die Grünen fordern Tempolimit!

ag-bauen-verkehr AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Bundes-AG Bauen und Verkehr Diskussionsliste

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Re: [Ag-bauen-verkehr] Die Grünen fordern Tempolimit!


Chronologisch Thread 
  • From: Antiautor <Antiautor AT news.piratenpartei.de>
  • To: ag-bauen-verkehr AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Ag-bauen-verkehr] Die Grünen fordern Tempolimit!
  • Date: Thu, 19 Apr 2012 16:01:13 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-bauen-verkehr>
  • List-id: Bundes-AG-Bauen-und-Verkehr <ag-bauen-verkehr.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver


Kadett1Ghz schrieb:
Oder wer gleich die Primärquelle lesen möchte:
http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3136.pdf

Sodala,wie angedroht habe ich das Papier mal durchgeackert und einige Passagen herauskopiert. Gleich vorab: Argumente GEGEN ein Tempolimit gibt es dort nicht, aber etliche dafür.

• Sowohl die mittlere Pkw-Geschwindigkeit auf Autobahnen der alten Bundesländer als
auch jene Geschwindigkeit, die 85 % aller Fahrer einhalten, nahmen im Mittel von 1982
bis 1992 um fast 1 km/h pro Jahr zu.

Da sind in den letzten 20 Jahren bestimmt nochmal 20 km/h dazu gekommen, wenn nicht mehr.

• Der Anteil der Fahrleistung, der mit höheren Geschwindigkeiten als der empfohlenen
Richtgeschwindigkeit von 130 km/h6 erbracht wird, ist im Zeitraum 1982-1992 von 25 %
auf 36 % gestiegen.
• Auf Autobahnabschnittten, die eine weitgehend freie Geschwindigkeitswahl zulassen, lag
die mittlere Pkw-Geschwindigkeit 1992 bei 132 km/h. Mehr als die Hälfte der Pkw-Fahrer
(51 %) überschreitet auf derartigen Abschnitten die Richtgeschwindigkeit.
(S. 4)
Das spricht für sich.

Im übrigen trägt ein Tempolimit dazu bei, Betriebszustände im Bereich höherer Geschwindigkeiten
zu vermeiden, in denen bei vielen Pkw mit geregeltem Katalysator die sogenannte
„Vollastanreicherung“, d.h. Abschaltung des Lambda-Regelkreises und Erhöhung des Kraftstoffanteils
im Kraftstoff-Luft-Gemisch („Anfettung“), aktiviert wird. Diese unstöchiometrische
Verbrennung führt zu erhöhten Emissionen, insbesondere von HC, wie z.B. Schweizer
Meßdaten, belegen: Bei vielen Pkw mit geregeltem Katalysator ist oberhalb einer Geschwindigkeit
von 100 km/h ein sprunghafter Anstieg der Emissionen an HC und CO festzustellen,
der nur durch eine Abweichung vom stöchiometrischen Betrieb in Richtung „fett“ erklärt
werden kann.
(S. 10)
Ein sehr interessanter Aspekt, wie ich finde.

Die vom DIW ausgewiesenen
Kraftstoffeinsparungen durch ein allgemeines Tempolimit von 100 km/h entsprechen
einer CO2-Minderung von etwa 9000 kt.
(S. 12)
Inzwischen sind es wahrscheinlich 10 Millionen Tonnen CO2, die ein Tempolimit verhindern würde. Kein Pappenstiel.

Insgesamt verunglückten 1996 auf Autobahnen 1020 Menschen tödlich; fast 9.000 Personen
wurden schwer verletzt. Die Zahl der leicht Verletzten lag bei fast 31.000.
Die gesamtwirtschaftlichen Unfallkosten 35auf Bundesautobahnen betrugen 1994 nach Angaben
der Bundesanstalt für Straßenwesen 5,5 Mrd. DM.
Vor diesen Hintergründen sind auch weiterhin Schritte zur Erhöhung der Verkehrssicherheit
auf Bundesautobahnen erforderlich. Diese sollten auch bei der gefahrenen Geschwindigkeit
ansetzen, da eine Verringerung der Geschwindigkeit die Sicherheit des Straßenverkehrs positiv
beeinflußt.36 Dies betrifft nicht allein die Sicherheit auf Autobahnen, da davon auszugehen
ist, daß sich der Trend zum langsameren und entspannteren Fahren auch auf das Verhalten auf
anderen Straßen auswirken dürfte.
[...]
Bezüglich praktischer Erfahrungen mit einem Tempolimit in Deutschland sei beispielhaft auf
die Tatsache verwiesen, daß die Anzahl der Getöteten und Schwerverletzten auf Autobahnen
um rund 50 % zurückging, als es wegen der Ölkrise von November 1973 bis März 1974 ein
generelles Tempolimit von 100 km/h auf Bundesautobahnen gab.
(S. 22)
Auch interessant. Es werden immer nur die Toten ins Feld geführt. Davon, welcher wirtschaftliche Schaden durch die 9 mal mehr Schwerverletzten verursacht wird, von denen ein großer Teil wahrscheinlich hinterher erwerbsunfähig ist, redet keiner...

Aus Umweltsicht ist es notwendig, diesen Trend zu immer leistungstärkeren Fahrzeugen zu
stoppen:
Eine Fahrzeugflotte mit geringerer Motorleistung bewirkt eine Umweltentlastung durch geringeren
Energieverbrauch. Die Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ des Deutschen
Bundestages stellt in diesem Zusammenhang fest, daß „ ...deutlich reduzierte Kraftstoffverbräuche
durch entscheidende Gewichtseinsparungen nur durch schwächer motorisierte
oder kleinere Fahrzeuge erreichbar sind.“
(S. 25)
Ein frommer Wunsch, der auf Betreiben der Autoindustrie fleißig konterkariert wird.

Der Übergang auf ein kleineres Fahrzeug
mit um 50 % geringerer Leistung bringt bei Pkw mit Ottomotor eine CO2-
Emissionsminderung von ca. 25 bis 32 %.
Auch die Lärmemissionen würden durch schwächer motorisierte Fahrzeuge günstig beeinflußt,
da bei hohen Geschwindigkeiten das Fahrgeräusch vom Reifen-Fahrbahn-Geräusch
dominiert wird und ein Pkw, der für Geschwindigkeiten über 200 km/h konzipiert ist, Reifen
benötigt, die im Geschwindigkeitsbereich von 100-120 km/h etwa um 3 dB(A) lauter sind als
die eines Pkw, der für eine Maximalgeschwindigkeit von 150 km/h ausgelegt ist
(S. 25)
Das Lärmargument wird von den Tempolimitgegnern geflissentlich ignoriert...

• Bei einem generellen Tempolimit sind die Verminderungen der Schadstoff- und Lärmemissionen
durch einen homogeneren Verkehrsfluß und eine niedrigere Geschwindigkeit
dauerhaft und netzweit. Bei flexibler Geschwindigkeitsregelung treten eher zufällig zeitlich
und örtlich begrenzte Emissionsminderungen auf.
• Die dauerhafte Senkung der Geschwindigkeit durch ein generelles Tempolimit kann Flächeneeinsparungen
durch reduzierte Straßenquerschnitte ermöglichen.
• Nur ein generelles Tempolimit kann auf lange Sicht das Verkehrsverhalten beeinflussen.
Eine flexible Regelung suggeriert hingegen die Unbedenklichkeit hoher Geschwindigkeiten
auf nicht limitierten Abschnitten und ist diesbezüglich für die Umwelt sogar kontraproduktiv.
(S. 30)

Und hier wird auf die häufigsten Gegenargumente der Tempolimitgegner eingegangen:
• „Autobahnen sind unsere sichersten Straßen.“
Diese Feststellung ist im Vergleich zum übrigen Straßennetz sicherlich richtig, aber auch
selbstverständlich. Autobahnen haben keinen Fuß-und Radverkehr und auch keinen Gegenverkehr.
Die Fahrspuren sind durch Schutzplanken voneinander getrennt. Es gibt keine
Kreuzungen auf gleicher Ebene, und es stehen besondere Beschleunigungs- und Standstreifen
zur Verfügung. Der Vergleich der Unfallzahlen auf Autobahnen zu jenen auf anderen
Straßen ist aufgrund der unterschiedlichen Ausstattung und Konfliktbereiche nicht sinnvoll,
weil nicht aussagekräftig. Durch ein allgemeines Tempolimit auf Bundesautobahnen
ist ein Sicherheitsgewinn zu erwarten. Dies schließt sicherheitserhöhende Maßnahmen auf
anderen Straßen in keiner Weise aus.

• „Deutschland hat ohne Tempolimit eine geringere Unfallrate auf Autobahnen als viele andere
Staaten mit Tempolimit.“
Auch dieser Vergleich geht an der Kernfrage , ob ein Tempolimit auf Bundesautobahnen
zu Sicherheitsgewinnen führt, vorbei. Durch ihren guten Ausbaustandard und den hohen
Stand der Fahrzeugtechnik weisen die bundesdeutschen Autobahnen eine geringere Unfallrate
auf als Autobahnen in einigen Ländern mit Tempolimit. Ob sich jedoch ein weiterer
Sicherheitsgewinn durch ein Tempolimit ergibt, kann nicht durch den Vergleich national
verschiedener Autobahnen mit unterschiedlichen Verhältnissen festgestellt werden. Die
Wirksamkeit eines Tempolimits ist nur durch einen Vorher-Nachher-Vergleich derselben
deutschen Streckenabschnitte sinnvoll.
(S. 35)

Angesichts dieser 20 Jahre alten Erkenntnisse wundert mich, dass die Diskussion seither zu keinen Veränderungen geführt hat.
Dass nun gerade in der PP sich eine Bewegung etabliert, die diesbezügliche Fortschritte verhindern will, scheint geradezu unverständlich.




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