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ag-bauen-verkehr - Re: [Ag-bauen-verkehr] ???

ag-bauen-verkehr AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Bundes-AG Bauen und Verkehr Diskussionsliste

Listenarchiv

Re: [Ag-bauen-verkehr] ???


Chronologisch Thread 

Ich schreibe regelwidrig an die Liste, weil ich diese vertrauliche Art nicht
mag und für einen Fehler halte. Meine Antworten sollen auch die übrigen
Abonnenten aufklären.

Thomas Gaul schrieb:
> Komm mal wieder von Deiner Palme runter.

Was meinst Du damit?

> Bei begründeten und nachvollziehbaren Argumenten kann man auch mich
> überzeugen.

Hoffentlich!

> Nimm einfach mal Deine ideologische Brille ab und lese alles nochmal neu
> und antworte dann nochmal.

Ideologie ist nicht abzulehnen, sondern es ist eine möglichst gute Ideologie
anzustreben. Es ist auch nicht möglich, unideologisch zu denken. Zu glauben,
Ideologien seien schlecht, ist bereits eine Ideologie.

> Du widersprichst Dir sogar indem Du den ADFC verteufelst und dann dessen
> Argumente fast wortgleich von Dir gibst.

Es kommt auf die Feinheiten, den Kontext und die tatsächlichen Handlungen an.
Ich bin seit über 20 Jahren ADFC-Mitglied -- ich weiß über den ADFC bestens
Bescheid. Wie so viele organisierte Interessensvertretungen wurde er von den
Feinden übernommen. Er ist jetzt laut Bundesvorstand für die
Radwegebenutzungspflicht und will sie bloß auf »auf ein erforderliches Maß«
reduzieren ... und dieses »erforderliche Maß« ist nicht Null.

| Radwege-benutzungspflichtMindeststandards und Schilder
|
| Der ADFC fordert seit einigen Jahren, die seit 75 Jahren bestehende
| Radwege-Benutzungspflicht nur noch »auf ein erforderliches Maß« zu
| reduzieren. Seit 1934 muss ein Radweg benutzt werden, wenn er mit den
| blauen Schildern ausgeschildert ist. Der ADFC verweist aber auf
| Untersuchungen der Bundesanstalt für Straßenwesen: So sei bei von der
| Straße abgetrennten Radwegen die Unfallgefahr höher, denn Radfahrer auf
| Radwegen befänden sich oft außerhalb des Blickfeldes der Autofahrer. Seit
| einer Novelle der Straßenverkehrsordnung 1998 müssten Radwege
| Mindeststandards erfüllen, sagt ADFC-Pressesprecherin Bettina Cibulski.
| Wenn diese -- unter anderem 1,5 Meter breit oder schlaglochfrei -- nicht
| erfüllt seien, müssten die Kommunen die Radwegschilder wieder abbauen.
| mawi
<http://www.echo-online.de/suedhessen/static/708584.htm>

Als der ADFC 1979 gegründet wurde, forderte er Radwege. In der Festschrift
zum 10-jährigen Jubiläum schrieb Tilman Bracher jedoch:

| Wie viele Fahrradinitiativen verteilte auch der ADFC in den ersten Jahren
| Aufkleber unter dem Motto: »Mehr Radwege in die Stadt.« Die Erfahrung mit
| ihnen -- der mangelnde Komfort und das vor allem an den Kreuzungen viel
| höhere Unfallrisiko -- haben dazu geführt, daß Radwege inzwischen kritisch
| gesehen werden. Flächenhafte Verkehrsberuhigung, Tempo 30 und die
| Abschaffung der Radwegebenutzungspflicht sind wichtige ADFC-Forderungen
| geworden.
-- Tilman Bracher: Eine Lobby wird erwachsen. Zehn Jahre ADFC. In:
Tritt für Tritt. Zehn Jahre Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club. 1979--1989.

Im Grundsatzprogramm, das die ADFC-Bundeshauptversammlung 1989 beschloss,
die sogenannten Bremer Thesen, ist keine Rede von einer Reduktion der
Radwegebenutzungspflicht »auf ein erforderliches Maß«. Es heißt bei den
Forderungen schlicht: »Die Radwegebenutzungspflicht wird aufgehoben.« Im
verkehrspolitisches Konzept des ADFC, das von der
ADFC-Bundeshauptversammlung 1987 beschlossen wurde, lautet die erste
Forderung nach »vernünftige[n] Verkehrsregelungen für Radfahrer« wie folgt:

| Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht: Radwege verhindern oft ein sicheres
| und leichtes Vorankommen. Gleiches gilt für die Benutzungspflicht für
| Seitenstreifen.

Die Radwegebenutzungspflicht wird vom ADFC also radikal abgelehnt und
Radwege werden /grundsätzlich/ abgelehnt. Der ADFC will sogar einen
»grundlegenden gesellschaftlichen Wandel«, um einen »menschenwürdiger
Verkehr« zu verwirklichen (Bremer Thesen). So radikal ist der ADFC.

Ich sage /ADFC/, weil die Bundeshauptversammlung de jure bestimmt, welche
Positionen der ADFC hat -- nicht der Vorstand, die Geschäftsstelle oder ein
Fachausschuss. Es soll immer wieder Beschlüsse der Bundeshauptversammlung
gegeben haben, die den Bundesvorstand und die Vorstände der Gliederungen
daran erinnern sollten, dass die oben zitierten Grundsatzprogramme noch
gültig sind. Leider sind die alten Beschlüsse für einfache ADFC-Mitglieder
und selbst »Aktive« nicht zugänglich. Ich kann deswegen nur den Beschluss
der Bundeshauptversammlung aus 2006 zitieren:

| Der ADFC setzt sich verstärkt und öffentlichkeitswirksam dafür ein, dass
| Radfahren auf der Fahrbahn in der Gesellschaft wieder als Normalfall
| betrachtet wird.

Der Bundesvorstand des ADFC hat über zwei Jahren nichts unternommen, um
diesem Auftrag nachzukommen, der ja sowieso nur wiederholt, was seit über 20
Jahren Programm ist. Nachdem sich der ADFC geweigert hat, habe ich ein
Faltblatt zur Aufklärung über Radwege im Namen des Vereins gegen Radwege
(VGR) herausgegeben:
<http://verein-gegen-radwege.de/2009/01/radfahren-auf-der-fahrbahn/>

Die Ausführungen von ADFC-Pressesprecherin Bettina Cibulski sind falsch. Die
allgemeine Radwegebenutzungspflicht, die 1997 abgeschafft wurde, war erst
zum 01.01.1976 eingeführt worden. Die Regelung der RStVO von 1937 galt über
das Kriegsende hinweg noch bis Ende Februar 1971. Die komplett neu
gefasste, über ein Jahrzehnt diskutierte und »moderne« StVO von 1970
(Inkrafttreten 01.03.1971) kannte jedoch keine allgemeine
Radwegebenutzungspflicht.

Die Nationalsozialisten begründeten den Radwegebau und die
Radwegebenutzungspflicht noch ehrlich:

| Zeigen wir [zur kommenden Olympiade 1936] dem staunenden Ausländer einen
| neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer
| nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den
| Radfahrer freie, sichere Bahn findet.

Siehe dazu:
<http://verein-gegen-radwege.de/2009/02/gegen-die-radwegebenutzungspflicht/>

Eine Straße umfasst alle Straßenteile -- also auch Radwege und Gehwege,
sofern vorhanden. Selbst »Gehwegradler« fahren also auf der Straße. Jegliche
sog. Separation des Radverkehrs vom restlichen Fahrzeugverkehr bringt eine
erhöhte Unfallgefahr mit sich. Denn an jedem »Knotenpunkt« -- jeder Kreuzung
und jeder Einfahrt -- wird die Trennung aufgehoben. Auch das Fahren auf
Radfahrstreifen ist gefährlicher als das Fahren auf der Fahrbahn. Dies ist
prinzipbedingt und nicht mit einem »guten« Radweg zu beheben, den Cibulski
beschwört.

Siehe dazu:
<http://bernd.sluka.de/Radfahren/Schutzstreifen.html>
<http://bernd.sluka.de/#Radfahren>

Mit der von Cibulski gemeinten sog. Radfahrernovelle von 1997 wurden die
§§ 45 IX und 39 I StVO geschaffen, um die Verkehrszeichenflut einzudämmen.
Die darin vorgeschriebenen Hürden zur Anordnung von Verkehrszeichen und
Verkehrseinrichtungen werden insbesondere bezüglich des Radverkehrs
ignoriert. Die Qualitätskriterien, die in der Verwaltungsvorschrift zur StVO
(VwV-StVO) für benutzungspflichtige Radwege vorgeschrieben sind, sind eine
wesentlich geringere Hürde.

Siehe dazu:

* Dietmar Kettler: Restriktive Anwendung von Verkehrszeichen.
Straßenverkehrsrecht (SVR) 12/2007. S. 447--450.
<http://www.strassenverkehrsrecht-online.de/SVR/hefte/Aufsatz_07_12.pdf>

Der heutige ADFC leugnet also, worin die sog. Radfahrernovelle der StVO vor
über 10 Jahren bestand -- so wie er auch die Beschlüsse seines höchsten
Organs leugnet.

| The League of American Bicyclists is supposed to be an organization of
| cyclists, by cyclists, and for cyclists, working for the best interests of
| cyclists. At present, it is none of these things because it has been seized
| by people with very different interests. The people fronting for these
| interests are highly motivated and, over the years, have seized control and
| have maintained control by means that are unethical for a membership
| organization. If the League is to continue, it must be returned to the
| control of cyclists so it can return to serving cyclists.
-- John Forester: The Lost League Must Be Reformed.
http://www.johnforester.com/League%20Reform.htm

| In dem derzeitigen Zustand können wir den ADFC nicht tolerieren. Er fordert,
| dass tödliche Fallen für Radfahrer gebaut werden und er empört sich nicht,
| wenn Radfahrer wie Dreck behandelt werden. Man schaue mal bei Bloombergs
| New York ab, wie Interessensvertretung von Radfahrern auch aussehen kann:
| Transportation Alternatives -- Your advocate for bicycling, walking and
| public transit. http://www.transalt.org/. Selbst der Cyclists Touring Club
| (im UK) ist trotz seines Namens, der perfekt zum heutigen ADFC passen
| würde, ein ernsthafter politischer Verein, der 2007 eine Einführung der
| Radwegebenutzungspflicht verhinderte.
|
| So kann es mit dem ADFC nicht weiter gehen. Entweder muss er vernichtet
| werden oder wir müssen ihn unterwandern und den alten Politsprüchen Geltung
| verschaffen. Ich halte es für einfacher, das Führungspersonal und dann
| natürlich den Großteil des Personals der Geschäftsstellen auszutauschen als
| diesen doch recht umfangreichen Verband mit seinen vielen Vereinen zur
| Auflösung zu zwingen.
-- Max Moritz Sievers: Reclaim the ADFC. 25. Oktober 2008.
news:gdv2bn$340$1 AT registered.motzarella.org

> Schlafe in Ruhe darüber und mache morgen besser nochmal einen neuen
> Anlauf. Und lebe damit, dass wir derzeit in bestimmtes System in
> Deutschland haben und auch dieses Spielregeln hat.

Wenn Dir die StVO nicht passt, petitioniere doch! Doch solange sie in dieser
Fassung gilt, müssen, sollen und dürfen Radfahrer auf der Fahrbahn fahren.

> Die Spielregel ich habe recht und alle anderen liegen falsch gibt es
> hier auch weiterhin nicht.

Ich /habe/ aber Recht.



  • Re: [Ag-bauen-verkehr] ???, Max Moritz Sievers, 07.10.2009

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