ostwestfalen-lippe AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Regionale Liste für OWL (im Nordosten von NRW)
Listenarchiv
- From: Andreas Schwietring <an.schwietring AT piratenpartei-nrw.de>
- To: Łukasz Kasprowicz <lukasz.kasprowicz AT piratenpartei-nrw.de>
- Cc: PP OWL-Liste <ostwestfalen-lippe AT lists.piratenpartei.de>, PP DT-Liste <detmold AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [OWL] [Crew-BI] Infostand
- Date: Wed, 18 Aug 2010 23:14:10 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ostwestfalen-lippe>
- List-id: Regionale Liste für OWL (im Nordosten von NRW) <ostwestfalen-lippe.lists.piratenpartei.de>
Hallo.
Diese Initiative "Pro Google Streetview" gab es schon in LQFB von NRW mit dem
gleichen Wortlaut.
Ehrlich gesagt finde ich die Initiative äußerst erschreckend und peinlich für
die Piratenpartei.
Bevor ich das aber weiter begründe, möchte ich folgendes vorweg schicken. Es
geht mir nicht darum Dienste wie Google Streetview grundsätzlich zu
verteufeln oder als Schreckgespenst darzustellen. Es geht mir in erster
Linie, um die klare Trennung von Aufgaben und Verantwortungsbewusstsein einer
Partei. Es geht um die Verpflichtung gegenüber den Bürgern einerseits sowie
Wahrung von Neutralität gegenüber kommerziellen Unternehmen und
Interessenverbänden andererseits. Es geht schlicht um das Verständnis was es
bedeutet, Respekt vor Bürgerinteressen und deren Meinung zu haben.
Nun zur weiteren Begründung meiner Haltung.
Unter dem folgenden Link findet ihr zunächst die Initiative aus NRW:
https://lqpp.de/nw/issue/show/72.html
Dazu gab es eine sehr sachliche und gute Diskussion, die auch gute Gründe für
und wieder aufführte.
Bereits in dieser Diskussion habe ich dargestellt, warum ich es für eine
Partei wie gerade die Piratenpartei es sein möchte mehr als unpassend finde,
wenn man sich als Lobbyistenverein und Marketingagentur für Google oder
andere kommerzielle Unternehmen hervortut!
Die Diskussion findet ihr hier:
http://wiki.piratenpartei.de/NRW:LiquidFeedback_Themendiskussion/72
Und bevor die Frage gestellt wird, was an Geldverdienen so schlimm ist? Nein,
daran ist weder etwas prinzipiell schlimmes noch verwerfliches zu finden.
Selbst die Idee von Google ist sogar als solches kein Teufelswerk, sondern
zeugt vielmehr von gewissem innovativem Unternehmergeist.
Das sich aber Mitglieder der Partei, dadurch hervor tun, dass sie eine
Initiative "Pro Google Streeview" anstoßen und diese so formulieren, dass man
denken könnte, die Initiatoren würden direkt von Google bezahlt, ist in
meinen Augen und auch vielen Anderen nicht OK. Gerade wo die Partei absolut
gegen Lobbyismus ist und sich doch nicht vor irgendwelchen Karren spannen
möchte. Die Partei möchte doch bewusst Neutralität, Aufgeklärtheit und
Bürgernähe reflektieren. Diese Initiative steht jedoch für ein absolutes
Negativbeispiel!
Oder ist es so, dass sich evtl. jemand aus Ironie dazu bewogen gefühlt hat
diese Initiative loszutreten, um aufzuzeigen, wie lächerlich die Diskussion
um Google Streetview und Konsorten ist? Auch dem möchte ich sagen, dass es in
der Politik nicht darum geht einen Preis als bester Klassenclown zu bekommen.
Wenn man also mit solchen Scheininitiativen ein eigentlich Vertrauen
bildendes Tool wie LQFB zumüllt, so untergräbt man gleichzeitig dessen
Ernsthaftigkeit und Seriosität, sprich die Grundwerte der Demokratie.
An einer anderen Stelle im LQFB gab es dazu auch mal die Anmerkung, dass es
zu empfehlen wäre, dass die Ausformulierung von Initiativen bestimmten
Vorgaben unterliegen müssten. Sprich es muss feste Punkte geben die im
Vorfeld vom Initiator ausgefüllt werden müssen (Pflichtfelder). Nur dann
sollten sie zur Abstimmung zugelassen werden. Manche Initiativen bestehen
lediglich aus zwei zusammenhanglosen Zeilen, die dann zur Abstimmung
eingereicht werden. Mit solchen Anträgen wird LQFB meiner Meinung nach zu
einem Unübersichtlichen Monster, dass zudem das Vertrauen in das System
verspielt.
Selbstverständlich gab es auch eine Gegeninitiative "CONTRA Streetview", die
aber quasi durch einen Formfehler nicht die entsprechende Zustimmung erhalten
hat. Ich habe mich dazu mit dem Initiator in Verbindung gesetzt, der mir
diesen Sachverhalt entsprechend erklärt hat. Sein Antwort füge ich an dieser
Stelle mal als vollständiges Zitat ein:
>
> Ich [Anm.: der Initiator] hatte schon befürchtet, daß ich alleine gegen
> Street View argumentiere.
>
> Wie man dieses unsinnige Vorhaben sich als Lobbyist für Google einspannen
> zu lassen stoppen kann, weiß ich auch nicht so recht.
> Der Grund warum der Antrag abgelehnt wurde begründet sich wahrscheinlich
> damit, daß ich den Antrag editiert habe, um öffentlich auf den relativ
> deplatzierten Alternativ-Vorschlag von Stefan Lochmüller einzugehen, ich
> solle den Antrag doch einstellen, da erst kürzlich gegenteilig abgestimmt
> wurde.
> Durch das Editieren mußten aber alle bisherigen Zustimmer erneut zustimmen,
> was nur teilweise passiert ist.
>
> Ich habe daher auf der Diskussionsseite zu dem Antrag nochmals ausführlich
> dargestellt, warum ich gegen Street View bin.
> http://wiki.piratenpartei.de/NRW:LiquidFeedback_Themendiskussion/139
>
> Man könnte probieren, einen neuen Antrag zu starten, der vielleicht noch
> ein paar mehr Argumente enthält. Ob das zu mehr Beteiligung führt, sei
> dahingestellt.
>
> Ich für meinen Teil hoffe jedenfalls, daß der Pro Street View Antrag bei
> einer offiziellen Abstimmung mit Pauken und Trompeten durchfällt. Alles
> andere wäre für die PP eher peinlich.
Abschließend möchte ich hier noch mal meine Argumente vorbringen, warum ich
nicht gegen die Technologie oder einen Dienst wie Google Streetview an sich
bin, jedoch gegen die Vorgehensweise und den derzeit offen zur schau
gestellten Lobbyismus von einigen Partei-Mitgliedern:
• Fakt ist, dass Google (im weiteren Text auch als Synonym für andere
Unternehemen zu verstehen) ein kommerzielles Unternehmen ist.
• Fakt ist, dass Google deutlich bewiesen hat, dass man ihnen nicht trauen
kann.
• Fakt ist, Google implementierte von selbst keine geeigneten Maßnahmen, um
Unbeteiligte grundsätzlich zu schützen. Das Beispiel, mit Google Maps und der
sonnenbadenden Frau, beweist deutlich genug, dass man Google und anderen
privaten Unternehmen solche Verantwortlichkeiten nicht per se überlassen kann
- mindestens aber dafür sorgen muss, dass diese im Sinne der Beweispflicht
gegenüber des einzelnen Bürgers nur per individueller Zustimmung erfolgen
darf.
• Fakt ist, dass nicht geklärt ist, was Google mit den originalen Aufnahmen
macht: es steht vielmehr zu befürchten, dass diese intern für spätere
Angebote weiter genutzt/verarbeitet werden.
Dazu gibt es keinerlei funktionierenden Kontrollmechanismus!
• Fakt ist, das der effektivste Datenschutz der ist, dass erst gar keine
Daten entstehen, bzw. erhoben werden. Schon erst recht nicht mit der einzigen
Begründung nach mehr Komfort für ein paar wenige. Dienste wie Streetview
werden nämlich letztendlich nur von einer Minderheit genutzt werden können -
für die Mehrheit der Bevölkerung bedeutet dieser Dienst keinen Mehrwert.
• Fakt ist, dass wenn eine private Person durch die Stadt laufen, vor jedem
Haus stehen bleiben und ein Bild von der Front machen würde, genau so
argwöhnisch beobachtet würde wie Google. Diese Person müsste sich bestimmt
auch gefallen lassen, von der Polizei nach dem Grund gefragt zu werden. Warum
sollte man also einem Unternehmen, dass faktisch nicht anderes tut, einfach
so eine Erlaubnis zugestehen?
• Fakt ist, dass es nach Wikipedia folgende rechtliche Grundlage bei
Luftbildaufnahmen gibt: "Nach deutschem Recht ist es außerdem nicht zulässig,
mittels Aufnahmen aus Flugzeugen oder Helikoptern in die geschützte
Privatsphäre einer Person einzudringen. (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2003,
AZ: VI ZR 373/02, - Luftbildaufnahmen vom Ferienhaus)"
Diese grundsätzlichen Fakten sollten doch daher zu folgenden Überlegungen
führen:
• Seit wann muss eine politisch Partei, die die Bürgerrechte sowie die damit
verbundene politische Mitbestimmung der Bürger etablieren möchte, sich als
Interessenvertreter für eine kommerzielle Firma und deren kommerzielles
Angebot betätigen? Schwingt da eher der eigene Wunsch mit, dass man es
einfach selbst nur toll findet, wenn man sich alle Straßen von daheim aus dem
Wohnzimmer anschauen kann, damit die Urlaubsplanung einfach wird? Gibt es
hier ein Interessenkonflikt?!
• Ist es vielmehr richtig, dass man als Partei zunächst doch versuchen
sollte, die Sicht des Bürgers einzunehmen, um die daraus verbunden
Auswirkungen aus deren Sicht zu beurteilen? Es gilt doch die Meinung der
Bürger ernst zunehmen. Und wenn ein gewisser Anteil unser Bevölkerung sch
eben bei dem Gedanken an Google unwohl fühlt und damit nicht in Verbindung
gebracht werden möchte dann hat dieses wohl deutlich Vorrang ernstgenommen zu
werden, als im Umkehrschluss diesen Leuten auch noch zu signalisieren, sie
wären die ewig gestrigen.
• Google und evtl. andere Firmen nehmen eben nicht nur die nackte Straße auf,
sondern eben auch Teile von privaten Grundstücken oder ähnlichem. Damit ist
es eben lange kein öffentlicher Raum mehr! Auch hier wäre es an den Piraten
sich für den Schutz der Privatsphäre und dem Eigentumsrecht stark zu machen
und nicht andersrum. Warum hat der Fotograf hinterher mehr Rechte an seinem
Bild als der Eigentümer des Hauses, sprich dem eigentlichen Motiv?
• Es gilt nicht sich nur die Frage zu stellen, ob Dienste wie Google
Streetview derzeit gegen geltende Gesetze verstößt oder nicht, sondern wie
man in solchen Fällen zukünftig agieren möchte, um die Privatsphäre vor
vermeintlichen Übergriffen durch kommerzielle unternehmen zu schützen. Google
ist hier nur eine Beispiel für eine grundsätzliche Aufgabenstellung, die sich
die Partei im Sinne ihrer Philosophie zu stellen hat.
Für mich gibt es daher nur eine grundsätzliche Vorgehensweise, damit solche
Aufnahmen, ob nun aus der Luft oder auf der Straße, eine Legitimation
erhalten:
1.) Für alle solcherlei Aktivitäten die aktuell und auch zukünftig vorkommen,
gilt es im Kern das Interesse des einzelnen Bürgers auf Selbstbestimmung
hinsichtlich seiner Person und seines Eigentums zu wahren. Das muss oberste
Priorität haben.
2.) Die durchzuführende Firma hat die Anwohner im Vorfeld auf den geplanten
Termin der Aufnahmen zu informieren. Mindestens vier Wochen davor.
3.) Erklärt der Bürger (Eigentümer) nicht aktiv seine Zustimmung ist eine
Aufnahme nicht erlaubt. D.h. antwortet niemand gibt es auch keine Aufnahmen.
Im Moment ist es genau umgekehrt. Der Verursacher hat eine Pauschalerlaubnis
und der Betroffen ist gezwungen sich unverschuldeterweise darum zu kümmern.
Allein diese Tatsache ist nicht bürgerfreundlich, sondern impliziert wieder,
dass der Einzelne zum Spielball wird. Wehret den Anfängen!
Polemik-Modus EIN:
Die gleichen Leuten die schimpfen, sie werden von Apple (ein kommerzielles
Unternehmen) bevormundet, weil sie nicht selber entscheiden können, ob sie
z.B. Flash zu installieren dürfen, sind die gleichen Leute, die Google (auch
ein kommerzielles Unternehmen) pauschal erlauben ihre unternehmerischen
Tätigkeiten vor den Interessen des Einzelnen zu stellen. Das ist im höchsten
Sinne schizophren.
Polemik-Modus AUS:
4.) Die Beweispflicht liegt beim Unternehmen, nicht beim Bürger: im Nachgang
der Aufnahmen muss den Anwohnern, welche den Aufnahmen grundsätzlich
zugestimmt haben, ermöglicht werden, die gemachten Aufnahmen des eigenen
Objektes einzusehen und diese entsprechend freigeben, bzw. auf entsprechende
Korrekturen bestehen zu können.
5.) Erst bei Freigabenachweis zu einem privaten Objekt, ist es Google (Oder
anderen Unternehmen) gestattet das Bildmaterial öffentlich zu verwenden.
6.) Die technische Ausführung und die Nachweisbarkeit des gesamten Prozesses
ist durch das Unternehmen zu gewährleisten.
7.) Es gilt, Google und andere kommerzielle Unternehmen sind der
Beweispflicht gegenüber der Bürger zu verpflichten - nicht umgekehrt!
Ergo: Für solche Aktivitäten und Entwicklungen sollte, ob heute, morgen oder
übermorgen, folgender Grundsatz gelten:
Es gilt das Interesse des einzelnen Bürgers auf Selbstbestimmung hinsichtlich
seiner Person und seines Eigentums gegenüber jeglichen kommerziellen
Unternehmen oder Interessenverbänden zu wahren. Das muss oberste Priorität
sein.
Aus all diesen Gründen lehne ich daher die jetzige Initiative, wie sie erneut
vollkommen unreflektiert im LQFB BRD eingebracht wurde, in der Gesamtheit
ihrer Ausformulierung komplett ab. Ich hätte zu mindestens erwartet, dass die
bisherigen Argumente, Anregungen und Diskussionspunkte nachhaltig mit
angebracht worden wären.
Das ist auch ein gewisser Schwachpunkt am Tool "LQFB" selber.
Aber was ist schon perfekt?
Ciao,
Andreas (Stadtpirat).
Am 18.08.2010 um 13:44 schrieb Łukasz Kasprowicz:
>
> Am 18.08.2010 um 13:18 schrieb skieske:
>
>> Hallo,
>>
>> ja, es wurde darüber gesprochen.
>> Meiner Meinung nach wäre es super wenn man direkt einen Laptop mit
>> Streetview
>> dabei hat, um die Bürger aufzuklären.
>>
>> Es scheint noch interne Unklarheiten zu geben auf welche Aspekte von
>> StreetView
>> wir uns fokussieren wollen.
>> (Erklärung, Hinweis auf evtl. Datenschutzproblematik, Gesetze, etc.)
>> Was wir auf jeden Fall gerne machen wollten, war ein Flyer, in
>> Koordination mit
>> den anderen Piraten aus OWL, der Flyer sollte am besten in einem PiratePad
>> erstellt werden.
>>
>> Ich weiß jetzt aber auch nicht wer alles bei einem Infostand dabei wäre,
>> gehe
>> mal von Rüdiger und Hannes aus, wir waren Montag am Stammtisch etwas dünn
>> besetzt.
>>
>
> Schau mal hier:
>
> https://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/352.html
> _______________________________________________
> Ostwestfalen-Lippe mailing list
> Ostwestfalen-Lippe AT lists.piratenpartei.de
> https://service.piratenpartei.de/mailman/listinfo/ostwestfalen-lippe
- Re: [OWL] [Crew-BI] Infostand, skieske, 18.08.2010
- Re: [OWL] [Crew-BI] Infostand, Łukasz Kasprowicz, 18.08.2010
- Re: [OWL] [Crew-BI] Infostand, Andreas Schwietring, 18.08.2010
- Re: [OWL] [Crew-BI] Infostand, Lukasz Kasprowicz, 19.08.2010
- Re: [OWL] [Crew-BI] Infostand, Stefan Sarzio, 19.08.2010
- Re: [OWL] [Crew-BI] Infostand, Andreas Schwietring, 18.08.2010
- Re: [OWL] [Crew-BI] Infostand, Łukasz Kasprowicz, 18.08.2010
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