kommunalpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: KoPo-Koordination
Listenarchiv
- From: Helder Aguiar <heriag78 AT gmail.com>
- To: KoPo-Koordination <kommunalpolitik AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [Kommunalpolitik] Livestream
- Date: Thu, 2 Jul 2015 22:03:49 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/kommunalpolitik>
- List-id: KoPo-Koordination <kommunalpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hallo,
so auf die Schnelle von unterwegs.
In Marl (Kreis Recklinghausen) wird ab nach der Sommerpause die vom Rat zu Protokollzwecken aufgezeichnete Ratssitzung als Podcast online gestellt. Der Antrag dazu wurde von der SPD in Zusammenarbeit mit den Piraten gestellt. Dazu war eine Änderung der Geschäftsordnung notwendig, die bei der letzten Sitzung erfolgt ist.
Wir sind gespannt, da einige CDU'ler angekündigt haben nicht auf dem Podcast vertreten sein zu wollen.
Die neue GO lässt ein Herausschneiden zu, indem derjenige vor seinem Wortbeitrag diesen Wunsch explizit äußert.
Gruß Hélder
Hallo Lily,
in Troisdorf werden wir ab September einen Audiostream von Ratssitzungen anbieten, wobei das bei uns durch die Verwaltung gehandhabt wird. Da eine digitale Komferenzanlage bereits vorhanden ist (Schwanenhalsmikrophone) und Mitschnitte für die Protokollanten und deren Wortprotokolle von Ratssitzungen ohnehin erfolgen, war der technische Aufwand zur Umsetzung eher gering. Die erste Sitzung des Stadtrats wird am 15.09.2015 ab 18:00 Uhr auf der Webseite der Stadt übertragen (www.troisdorf.de)
Aber in vielen Kreisen, Städten und Gemeinden werden unsere Anträge immer noch mit dem Hinweis auf das Schutzbedürfnis ehrenamtlich tätiger Mandatsträger in den Kommunen gem. Urteil des BVerwG vom 03.08.1990 zum Thema der Funktionsfähigkeit eines Gemeinderates versus Pressefreiheit abgeschmettert (auch in unserem Kreistag oder anderen Städten des Rhein-Sieg Kreises). Wir haben uns in der Stadt daher aus mehreren Gründen auf einen Audiostream geeinigt: Es kann keine Verletzung der Rechte am "eigenen Bild" durch einzelne Ratsmitglieder reklamiert werden, es lenkt kein Bildmaterial vom Inhalt ab, man kann beim Zuhören wunderbar auch noch andere Sachen am Rechner erledigen, es war leichter in der bestehenden Kooperation mit CDU und Grünen durchzusetzen.
Ich hatte im Vorfeld mal was recherchiert und bin auf ein interessantes Urteil des OVG Saarlouis von 2011 gestoßen, das vorg. Urteil des BVerwG hinsichtlich der Rundfunkfreiheit und mit Blick auf die zunehmende Nutzung digitaler Medien nicht gelten lässt.
Auszüge aus der Urteilsbegründung:
"Die Stadtratsmitglieder sind Inhaber eines öffentlichen Amtes, üben
kraft dieses Amtes hoheitliche Gewalt aus und tun dies gemäß § 40 Abs. 1
KSVG grundsätzlich im Rahmen öffentlicher, d.h. öffentlich zugänglicher,
Sitzungen. Sie haben sich also der Öffentlichkeit zu stellen. Damit sind
sie nicht in ihrer besonders geschützten Privatsphäre betroffen, sondern
in ihrem Wirken als Mandatsträger auf kommunaler Ebene in einer von
ihnen selbst gewollten - sich in der Öffentlichkeit abspielenden -
Sphäre, in der sie stets mit der Beobachtung durch diese Öffentlichkeit
rechnen müssen, für die ihr Wirken als Stadtratsmitglied von Bedeutung
ist. [...] . Die Rechtsordnung darf mit Blick auf das in § 40 Abs. 1
KSVG normierte Prinzip der Öffentlichkeit grundsätzlich erwarten, dass
sich das Ratsmitglied den mit seiner Funktion verbundenen Erwartungen
auch bei Mitwirkung an von der Öffentlichkeit beachteten Sitzungen und
Verfahrensgegenständen gewachsen zeigen wird, selbst wenn Medien darüber
Bilder verbreiten.20(vgl. in diesem Zusammenhang BVerfG, Beschluss vom
19.12.2007 -1 BvR 620/07-, E 119, 309 ff., zur Zulässigkeit von
Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal außerhalb der Hauptverhandlung in Bezug
auf die Stellung der Schöffen) Dabei bilden die Stadtratssitzung und die
hieran beteiligten Personen, insbesondere die Stadtratsmitglieder, aus
ihrem aktuellen politischen Kontext heraus ein zeitgeschichtliches
Geschehen, so dass die Handelnden als relative Personen der
Zeitgeschichte anzusehen sind und sich deshalb ihre Darstellung in der
Öffentlichkeit gemäß §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG gefallen lassen
müssen."
" ...die gesellschaftlichen Strukturen hinsichtlich der Beschaffung von
Informationen, insbesondere die Möglichkeit und Notwendigkeit der
öffentlichen Beobachtung und Kontrolle haben sich nachhaltig verändert
(Stichwort: Informationsgesellschaft). Neue elektronische Techniken,
Kommunikationsinfrastrukturen, Präsentationsformen sowie Medieninhalte
sind entstanden. Die Medien sind zu wichtigen Begleitern fast aller
Bürger geworden. Sie prägen große Zeiteinheiten des Tagesablaufes und
bestimmen die Kommunikation der Bürger nachhaltig. Zugleich haben die
Bürger neue Fähigkeiten im Umgang mit den Medien, auch mit der Präsenz
von Medien bei wichtigen Ereignissen, entwickelt. Erfahrung,
Lebenseinstellung, Werthaltung und Verhaltensmuster werden in
erheblichem Umfang durch die Medien vermittelt.(vgl. BVerfGE 101, 361,
309) Dem Rundfunk kommt dabei wegen seiner breiten Wirkung, Aktualität
und Suggestivkraft besondere Bedeutung zu.23(vgl. BVerfGE 90, 60, 87)
Auch mit Blick auf diese geänderte Informationsgesellschaft ist von
Ratsmitgliedern aufgrund der vom Kommunalselbstverwaltungsgesetz
vorgesehenen Bedeutung ihres Wirkens für die Öffentlichkeit die
Aufzeichnung der Stadtratssitzungen hinzunehmen, zumal gerade die Träger
in gesellschaftlicher Verantwortung, wie Politiker und auch
Ratsmitglieder, auf die Wahrnehmung einer medienvermittelten Realität
angewiesen sind und sie auch suchen, wie die Berichterstattung über die
Stadtratssitzungen durch den SR [Anm.Wolf: Lokale Zeitung] belegt."
Den vollständigen Text des Urteils findest Du hier:
http://www.telemedicus.info/urteile/Rundfunkrecht/1264-VG-Saarlouis-Az-3-K-50110-Zulassung-von-Filmaufnahmen-bei-oeffentlichen-Stadtratssitzungen.html
Wichtig erscheint mir nur, bei Anträgen darauf hinzuweisen, dass es sich
mit der Einrichtung von Audio- und/oder Videostreaming via Internet um
frei empfangbare Sendungen analog Rundfunkbeiträgen handelt.
Vielleicht hilft das ja weiter.
Viele Grüße
Wolf
Am 02.07.2015 um 02:08 schrieb Ute Elisabeth Gabelmann | Stadträtin
Piratenpartei:
> Hallo liebe Kollegen,
>
> ich hätte gern Feedback von euch zu eurem Livestream bzw. der Aufzeichnung
> von "Stadtrats-TV".
>
> Bei wem wird nur gestreamt, bei wem aufgezeichnet?
> Wieviel gleichzeitige Nutzer habt ihr im Stream?
> Hat haben sich mit Nutzung einer Aufzeichnung positive Effekte ergeben?
> Wie gehen eure Kollegen mit der Aufzeichnung/dem Stream um?
> Wer streamt bei euch: die Stadt? Ein Dienstleister?
>
> Habt ihr vielleicht auch Gerichtsurteile für mich parat, die sich mit
> Livestreaming für kommunale Mandatsträger befassen? Meine Recherchen haben
> nichts Brauchbares ergeben :-(
>
> Auch, falls ihr was Wissenswertes beizutragen habt, was ich jetzt nicht
> explizit erfragt habe: immer her damit! Ich brauche alle Munition, die ich
> kriegen kann ;-)
>
> Viele Grüße
> Lily
>
>
> --
> Wolf Roth
> Stadtverordneter
>
> Vorsitzender
> Fraktion Regenbogen-Piraten
> Vorsitz Rechnungsprüfungsausschuss
> Kölner Str. 176, Raum E23, 53840 Troisdorf
>
> E-Mail wolf.roth AT regenbogenpiraten.de
>
> Telefon 02241 - 3974 990
> Fax 02241 - 2664 974
> Mobil 0151 - 1946 6805
>
>
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- [Kommunalpolitik] Livestream, Ute Elisabeth Gabelmann | Stadträtin Piratenpartei, 02.07.2015
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- Re: [Kommunalpolitik] Livestream, Helder Aguiar, 02.07.2015
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- Re: [Kommunalpolitik] Livestream, sascha-zuther AT t-online.de, 02.07.2015
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