ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Ag-umwelt mailing list
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- Subject: Re: [Ag-umwelt] [AG-Steuerpolitik] Umsteuern mit Energieabgaben
- Date: Thu, 23 Aug 2012 10:13:57 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
- List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>
Moritz Richter schrieb:
(Bitte um Berichtigung, wenn ich etwas falsch verstanden habe!)
*Theoretische volkswirtschaftliche Perspektive:*
Gunnars Erklärungen auf dem Energiecamp zum Solow Growth Model (
http://www.umsteuern-mit-energiesteuern.de/artikel/arbeitsentlastungssteuer.html
)habe ich so interpretiert, dass es langfristig am besten für die
Wohlfahrt in einer Volkswirtschaft ist, wenn Arbeit, Energie und Kapital
in gleichem Maße (Abgaben-)belastet werden.
Momentanes Problem ist nun, dass Arbeit überdurchschnittlich durch
Sozialabgaben belastet sind, während Energie zu billig ist, da die
externen Kosten nicht internalisiert sind.
Da korrigiere ich gerne. Die "Schieflage" in der Hebelwirkung von Arbeit und Energie bzgl. der volkswirtschaftlichen Produktionsfunktion beruht in den grundsätzlich verschiedenen Elastizitäten. Die Belastung durch Sozialabgaben und Steuern auf die Arbeit kommt noch dazu.
Ich wiederhole gern das Zahlenbeispiel vom Wochenende. Die Faktorkosten (wieviel gibt man insgesamt für Maschinen (Kapital), Arbeit (Einkommen der Mitarbeiter) und Energie aus) betragen in Industrienationen rund
Arbeit 65%
Kapital 30%
Energie 5%
Es sagt nun die volkswirtschaftliche Theorie, dass im Gleichgewicht alle Unternehmen das so regeln, dass der Einsatz dieser Faktoren optimiert wird, wenn sie gemäß der Elastitzitäten (=Hebelwirkung) diese Produktionsfaktoren nutzen. Dann wird der BIP-Output maximiert. Bei genauerer Untersuchung sehen die Elastizitäten aber anders aus:
Arbeit ~0,2%
Kapital ~0,3%
Energie ~0,5%
Somit will im Gleichgewichtszustand die Energie, weil sie eine hohe Hebelwirkung hat, die anderen Produktionsfaktoren verdrängen (insbesondere die Arbeit mit ihrer niedrigen Elastizität). Das ist bisher nur eingeschränkt möglich gewesen, weil es technologische Beschränkungen gibt. Vollautomatisierte Produktionsprozesse sind erst möglich, wenn auch die Automatisierungstechnik die notwendigen Kapitalgüter bereitstellen kann. Nach wie vor ist es aber ein Trend, der ungebrochen wirkt.
Um diesen Druck ein wenig zu mildern, wäre es z.B. sinnvoll, die Abgabenlast der Arbeit zu reduzieren und auf die Energie umzuschichten. Dabei ist es völlig egal, ob die Begründung der externen Kosten ausreicht oder nicht. Wichtig ist, das der "Beschleunigungsvektor" von der Energie hin zu Arbeit ein wenig verringert wird. Da unser Staat sowieso ein Einkommen braucht, wäre das Ziel, die Einkommen des Staates stärker auf den Faktor Energie zu verlagern, beispielsweise durch Umschichtung von 15 Prozentpunkten.
Arbeit 65%-15%=50% (FE 0,2)
Kapital 30% (FE 0,3)
Energie 5%+15%=20% (FE 0,5)
Dann sind in der unternehmerischen Einzelentscheidung die Produktionsfaktoren nicht mehr ganz so weit weg bezüglich den Faktorelastizitäten (FE) und deren Faktorkosten (FK) am Gesamtoutput.
Schaut man sich die Quotienten FE/FK an, nähern sich diese Werte der eins an. Beim Faktor Kapital war das schon von gegeben, aber mit einer Umschichtung der Staatseinnahmen auf die konsumierte Energie, wird der Unterschied auch bei Arbeit und Energie ausgeglichener.
Arbeit 0,2/0,5 = 0,4 (alt: 0,2/0,65 = 0,3)
Kapital 0,3/0,3 = 1
Energie 0,5/0,2 = 2,5 (alt: 0,5/0,05 = 10)
Der einzelwirtschaftlich motivierte Drang, in der dissipativen Struktur ("Dissipative Strukturen zeigen eine gewisse Stabilität gegenüber Störungen von außen, zerfallen jedoch, sobald der Austausch mit der Umgebung unterbrochen wird oder allgemein bei größeren Störungen der Systemparameter." http://de.wikipedia.org/wiki/Dissipative_Struktur) unserer Volkswirtschaft mehr Energie umzusetzen, wird somit etwas abgemildert. Langfristig sehe ich darin auch einen Vorteil, weil die Abhängigkeit von der Energieverfügbarkeit in der bisher gewohnte Höhe abgemildert wird.
Um den Ring hin zur Peak Oil (& Everything) Thematik zu schließen, sind die Worst-Case Szenarion eines Systemkollapses [1] immer mit einem Komplexitätsverlust verbunden. Sowas kann passieren, wenn im Rahmen einer Pandemie eine Vielzahl an Menschen betroffen werden. Ein hoher Gleichzeitigkeitsfaktor betrifft aber auch die weltweite Energieversorgung, wenn es nicht gelingt, vor dem Decline für Ersatzmaßnahmen zu sorgen.
Gruß,
Gunnar
[1] David Korowicz (2012): Trade-Off - Financial System Supply-Chain Cross-Contagion: a study in global systemic collapse.
http://www.feasta.org/wp-content/uploads/2012/06/Trade-Off1.pdf
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- Re: [Ag-umwelt] [AG-Steuerpolitik] Umsteuern mit Energieabgaben, Gunnar Kaestle, 23.08.2012
- <Mögliche Wiederholung(en)>
- Re: [Ag-umwelt] [AG-Steuerpolitik] Umsteuern mit Energieabgaben, aloa5, 30.08.2012
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