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Re: [Ag-umwelt] Klima, Sonne, Weltraumstrahlung: wachsende Kondensationskeime zur Wolkenbildung
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- From: "Dr. Volker Jaenisch" <volker.jaenisch AT inqbus.de>
- To: ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [Ag-umwelt] Klima, Sonne, Weltraumstrahlung: wachsende Kondensationskeime zur Wolkenbildung
- Date: Fri, 09 Mar 2012 16:23:23 +0100
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Ahoi! On 04/03/12 10:55, klaus.oellerer AT oellerer.net wrote: Der Wissenschaftsautor-Veteran Nigel Calder berichtet auf seiner Homepage von weiteren Fortschritten bei der Untersuchung des Svensmark-Effektes. http://calderup.wordpress.com/2012/03/01/yet-another-trick-of-cosmic-rays/ * Es ist die Sonne * Es ist die "Weltraumstrahlung" stehen mal wieder auf dem Prüfstand - sie sind so alt wie die Klimaforschung. Und das jemand populäre Bücher schreiben kann bedeutet noch lange nicht dass er recht hat, gell Herr Sarrazin. Die aktuellen Ergebnisse des ClOUD-Experiments am CERN zeigen: * dass kosmische Strahlung Aerosol-Bildungsraten beeinflusst, * allerdings nicht in der Grenzschicht wo niedrige kühlende Wolken entstehen. * Weiterhin sind die Bildungsraten durch Strahlung nur um einen Faktor 2-10 größer als ohne Strahlung. Dafür erhöhen schon winzige Dosen von Ammoniak der Bildungsrate um einen Faktor 100-1000. [Schwankungen der Aerosolbildungsrate von vielen Größenordnungen sind völlig üblich daher kann ich über einen Faktor 2-10 einfach nur lachen. Das geht in jedem Fehlerbalken selbst der Computermodell völlig unter. Die In Situ- oder Labor-Experimente sind da eher noch schlimmer.] Der Eintrag von Ammoniak in das Klimasystem ist nur zu 25% aus natürlichen Quellen und zu 75% aus antropogenen. Wenn Ammoniak also die Bildung von Aerosolen um mindestens einen Faktor 100 beeinflussen kann, so spielen die kosmischen Strahlen dabei definitiv eine sehr sehr untergeordnete Rolle. Es gibt nach wie vor nur In Situ Beobachtungen dass Kosmische Strahlen evtl. die Bildung von hohen Zirren begünstigen - diese haben aber im Gegensatz zu niedrigen Wolken den umgekehrten Effekt - sie erwärmen die Erde. http://www.scienceblogs.de/primaklima/2010/09/svensmarks-wolkenhypothese-bestatigt-bis-aufs-vorzeichen.php Mehr kosmische Strahlung würde somit zu einer Erwärmung führen. Ich habe über die Bildungsraten von Aerosolen promoviert. http://books.google.de/books/about/Der_Einfluss_turbulenter_Mischungsprozes.html?id=cMIBGwAACAAJ&redir_esc=y Es zeigt sich in der langen Geschichte dieser Forschungsdisziplin immer wieder: - dass Laborexperimente sehr schwierig sind, weil schon kleinste Verunreinigungen Abweichungen um Größenordnungen bedeuten. - dass In Situ Messungen aufwändig sind und ebenfalls mit Messproblemen zu kämpfen haben. - Computersimulationen schwierig sind, weil man sich im Grenzbereich zwischen atomaren Wechselwirkungen/Chemische Bindung und Thermodynamik befindet. Keine der beiden Gebiete beschreibt den gesamten Prozess der Partikelbildung vollständig. - die natürliche Variabilität von Aerosolbildungsraten sehr hoch ist (viele Größenordnungen höher als die von evtl. vorhandener strahlungsinduzierter Aerosolbildung) - Aerosole werden nicht nur aus Schwefelsäure gebildet. Svensmark beschreibt nur diesen einen Prozess. http://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=aerosol%20composition&source=web&cd=1&ved=0CCgQFjAA&url="http%3A%2F%2Fatmo.tamu.edu%2Fclass%2Fatmo689-gs%2Flectureweek10%2Faerosolreview.pdf&ei=egNaT-qPAYnOswbHgpCcDA&usg=AFQjCNFESI3pf7966U4KEEloB9f8gmdWIQ&cad=rja Auf Seite drei finden sich Aerosol-Zusammensetzungen Sulfat-Aerosol umfasst etwa nur ein Drittel in marinen Gebieten. In urbanen Bereichen also abseits der Meere spielt Sulfataerosol kaum mehr eine Rolle. - Die Bildungsraten und die Zusammensetzung von Aerosol haben sich mit der Industrialisierung stark verändert und verändern sich noch http://www.atmos-chem-phys.net/6/5143/2006/ - Die Bildungsraten von Aerosolen aus Laborexperimenten stimmen um Größenordnugen nicht mit In Situ gemessenen Bildungsraten überein. Die lokalen Einflussfaktoren sind so vielfältig dass es offenbar keinen einzelnen dominierenden Faktor für die Bildung von Aerosolen zu geben scheint der im Labor zu finden ist. - Meine Doktorarbeit hat gezeigt, dass sich unter turbulenten Mischungsbedingungen (Verwirbelung von Luftmassen unterschiedlicher Konzentrationen von SO2, Temperatur und Feuchte ) die Bildungsraten von Aerosolpartikeln nach den Standardmodell der Partikelbildung um bis zu 6 Größenordnungen verändern. Es reicht also simple atmosphärische Variabilität um die Bildungsraten von Aerosolpartikeln um ein vielfaches stärker zu beeinflussen als es kosmische Strahlung je könnte. - Die Wirkung von Aerosolen auf das Klima ist nach wie vor eine der komplexesten Fragestellungen der Klimaforschung. Nicht nur die Anzahl, oder deren Größe sondern auch deren chemische Komposition und deren Oberflächenstruktur führen zu unterschiedlichsten Wirkungen auf die Bildung von Wolken, den Strahlungshaushalt und die Gesundheit. Das bedeutet nicht, das wir nichts über Aerosole wissen. Wir wissen aber dass es nicht diesen einen fehlenden Faktor gibt, den Einen sie alle zu knechten. Es ist eher so, dass atmosphärische Wechselwirkungen und vor allem chemische Verunreinigungen und auch die Biologie wohl die größte Rolle bei den Bildungsraten von Aerosolen spielen. Es bedeutet aber, dass solche simplen Thesen wie: "Mehr Kosmische Strahlen" -> "mehr Aerosol" -> "Größere Abkühlung" absoluter Quatsch sind. Hier ein eindrucksvolles Bild http://www.nasa.gov/images/content/217380main_May9_fires_label_500.jpg davon wo Aerosolpartikel in solchen Massen entstehen, dass sie sogar vom Satelliten aus gemessen werden können, http://www.nasa.gov/topics/earth/features/pollution_measure.html Ich glaube jedem leuchtet in Anbetracht dieser antropogenen Produktion von Aerosolen ein dass wir keine kosmische Strahlung benötigen um zu erklären, warum unser Klima aus dem Gleichgewicht kippt. Die antropogenen Aerosole kühlen den Planeten überwiegend. Allerdings auch nicht an jeder Stelle gleich. Ruß-Partikel liefern z.B. einen nicht unerheblichen Beitrag zur Senkung der Albedo auf Schneeflächen. Jeder hat sicher bemerkt, dass Schnee nach einiger Zeit Grau wird. Das war vor der Industrialisierung nicht so. Durch den Einsatz von Staub-Filteranlagen in der Industrie ist nach den 70er Jahren der Aerosoleintrag in den damaligen Industrienationen gesunken. Vor der Wiedervereinigung war in Leipzig die Partikelanzahlkonzentration so hoch wie in Duisburg in einer Raucher-Disco Nachts um 1:00 Uhr. Also hat das Ende des Ostblocks auch in Mitteleuropa zu einer reduktion von Aersolen geführt. Dieser Effekt des Wegfallens der Kühlung ist auch in der Temperaturkurve zu sehen. Die Verlagerung der industriellen Produktion in Schwellenländer hat diesen Vorgang wieder ungekehrt. Es werden mehr weltweit wieder Aerosole erzeugt und die entfalten erneut auch eine kühlende Wirkung. Zusammen mit den aktuellen Vulkanausbrüchen, dem schwachen Sonnenzyklus und der quasiperiodischen Schwankungen der Meere erklärt sich das momentane Verharren unseres Planeten auf einer die letzten Jahre nicht mehr steigenden Temperatur. Aber * Die Sonne zieht gerade wieder an. Gestern hatten wir den größten Sonnensturm seit einiger Zeit. * China wird sicher seinen Aerosolausstoß weiter erhöhen Selbst wenn diese beiden Faktoren sich aufheben würden steigt ein Faktor kontinuierlich an die Produktion des Treibhausgases CO2 welches nahezu unabhängig von allen anderen Faktoren in nur eine Richtung wirkt - hin zu einer Erwärmung. Leider können wir nicht so einfach wie bei Aerosolen Filter einbauen auch wenn es dafür schon Lösungen gibt. Die Kosten und die Senkung der Energieausbeute würde Kohlekraftwerke nicht mehr konkurrenzfähig zu EEG sein. Was noch schwerer wiegt, ist das Aerosole nach ein paar Wochen aus der Athmosphäre durch natürliche Prozesse entfernt werden. CO2 bleibt viele Jahrhunderte klimaaktiv. Dazu kommt ein erneutes Ansteigen der Methankonzentration. http://en.wikipedia.org/wiki/Atmospheric_methane Noch sind sich die Wissenschaftler darüber uneinig ob dies schon die erste Stufe eines Feedbacks durch auftauenden Permafrost oder Methanclathrate ist http://www.realclimate.org/index.php/archives/2012/01/much-ado-about-methane/ Beste Grüße Volker -- Dr. Volker Jaenisch Geschäftsführer Inqbus GmbH & Co. KG Softwareentwicklung, Consulting & Hosting Karl-Heine-Straße 99 | 04229 Leipzig | Deutschland Telefon: +49 341 989758-90 Fax: +49 341 989758-79 E-Mail: volker.jaenisch AT inqbus.de Web: http://inqbus.de/ Persönlich haftende Gesellschafterin: Inqbus Management GmbH (Amtsgericht Leipzig, HRB 27350) Vertretungsberechtigte Geschäftsführer: Maik Derstappen, Dr. Volker Jaenisch, Thomas Massmann, Markus Zapke-Gründemann Registergericht: Amtsgericht Leipzig Registernummer: HRA 16424 Umsatzsteuer-Identifikationsnummer: DE278744671 |
- [Ag-umwelt] Klima, Sonne, Weltraumstrahlung: wachsende Kondensationskeime zur Wolkenbildung, klaus.oellerer, 04.03.2012
- Re: [Ag-umwelt] Klima, Sonne, Weltraumstrahlung: wachsende Kondensationskeime zur Wolkenbildung, Dr. Volker Jaenisch, 09.03.2012
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