Re: [Ag-umwelt] Energiebilanz der Erde geht nicht auf

["Dr. Volker Jaenisch" <volker.jaenisch AT inqbus.de>]

Ahoi!

Sebastian Pochert schrieb:
> Variante 1 ist nicht möglich. Es ist genauso unmöglich wie 
> vorauszusagen, wann sich die nächste Nebelkrähe auf meinen Fenstersims 
> setzt.
Das ist auch meine Meinung.
> Variante 2 kann ich mitzeichnen.
> Wenn ein Modell sagt, dass eine gewisse Gefahr besteht, sollte 
> natürlich nicht geflogen werden, ich halte aber die postulierten 
> Gefahren für übertrieben. Mir ist nicht bekannt, dass jemals ein 
> Flugzeug wegen Vulkanasche abgestürzt sind. Es gab natürlich einige 
> Beinahe-Abstürze, aber diese auch nur ein Entfernungen von maximal 
> 250km. Bei einem Vulkan, der einen solch niedrigen Explosivitätsindex 
> wie der Eyjafjallajökull hat, glaube ich, dass ab einer Entfernung von 
> mehr als 250km keine Gefahr für Passagiere besteht.
Wenn es so einfach wäre. Leider sind Luftströmungen durchaus in der Lage 
Konzentrationen von Partikeln
zu erhöhen - also deren Anzahl anzureichern.
Weiterhin ist es sehr schwierig festzustellen, wann der Vulkan wieviel 
von welchem Material ausgespuckt hat.
Also schon die Eingangsdaten für das Modell sind ein Problem.
> Zu genaueren Abschätzung sind natürlich viele Messungen 
Diese macht meine Frau mit Ihrem LIDAR. 
http://lidar.tropos.de/en/optremo_galerie.html
> und ein potentes Modell nötig.
Die Modelle für atmosphärischen Transport sind alle sehr ausgereift. Sie 
sind in etwa so gut wie die Wettervorhersage-Modelle auf deren 
Ergebnissen (Windfelder) sie beruhen. Solche Transportmodelle
wie z.B. flexpart kann man sogar auf seinem PC laufen lassen. Das 
Problem sind hierbei die Windfelddaten
(nicht weil die nicht öffentlich verfügbar wären) weil diese in recht 
speziellen Datenformaten vorliegen.
> Wie bereits richtig erkannt wurde, kann man so keine Gefahr 100%ig 
> quantifizieren, aber dennoch sagen, ob es in einem grob umrissenen 
> Raum eine ernste Gefahr überhaupt gibt.
Yep. Für eine Maximalabschätzung sind die Modelle gut zu gebrauchen. Sie 
können sagen, wo nach dem Stand der  Erkenntnis *keine* Asche sein kann. 
Es sei denn sie hätte sich schneller als die Luftströmungen bewegt.
> Vor dem Job deiner Frau habe ich Respekt. Ich würde ihn, insbesondere 
> in diesen Wochen, nicht machen wollen.
Sie ist froh, dass die Arbeit, die sie und etwa 100 andere LIDAR-Forscher in Europa 
die letzen 15 Jahre investiert haben (trotz stetig gekürzter Mittel, und ohne feste Stellen)
sich jetzt auszahlt. Nur die etwa 20 LIDAR-Stationen des EURLINET (ein freies Netzwerk von 
LIDAR-Stationen) konnten die Vulkanasche quantifizieren. Ohne diese Aufklärung 
vom Boden nach oben sind die Wetterdienste mit ihren Satelliten hoffnungslos verloren - 
sie haben keine andere Möglichkeit zur Kallibrierung ihrer Daten. Da hilft auch 
die *eine* Falcon als Aufklärungsflugzeug nichts.

Aber sie spürt auch die Last der Verantwortung. Die Lobby-Gruppen sind nicht nur bei 
der Klima- oder der Atom-Diskussion in Aktion. Gerade die Airlines die schon durch die 
Wirtschaftskrise massiv angeschlagen sind haben sehr viel Abschreiben müssen. Die suchen
wie eine Ratte aus dem Käfig *jeden* Ausweg um 
a) einen Schuldigen für die letzten Flugverbote zu finden
b) in Zukunft keine solchen Gewinneinbußen zu haben
In solch einem Klima wird gerne die Vernunft dem Kommerz untergeordnet.
Genau dieses Denken ist, was die AG Umwelt ablehnt und politsch angehen 
möchte.

Das eindrucksvollste Beispiel ist wohl momentan die nicht zu stoppende Ölquelle 
im Golf von Mexico. Meine Tochter wird wohl noch ihren Kindern davon erzählen, 
wie auch ich ihr von der Exxon-Valdez erzählt habe.

Es gibt zu viele Menschen, die glauben sie könnten unsere Umwelt so präzise Verstehen, 
dass sie (Menschliche)Fehler ausser betracht lassend, fröhlich den Planeten ausbeuten können.

Dazu zwei Zitate:
"""Mutter Natur ist ein böses Weib"""
Murphy

Für Corax :
"""
Wenn wir nicht verstehen sind Berge Berge
Wenn wir anfagen zu verstehen sind Berge keine Berge mehr
Wenn wir verstanden haben sind Berge wieder Berge
"""
Zen

Wir Wisenschaftler wissen, was wir nicht wissen. Und es war eine verdammt harte 
Arbeit dahin zu kommen. Diese Arbeit hat (nicht zuletzt wegen missverstandener 
Religion und anderer Ignoranz und Bornierthait) einige hundert Jahre länger gedauert
als nötig gewesen wäre.

Wir sollten nicht schon wieder 
* Religiösen Spinnern
* Fundamentalisten
* Ignoranten 
* Bornierten Menschen mit ungesundem Halbwissen
auf den Leim gehen, auch wenn Sie über das Internet die Möglichkeit haben
ihre Irrlehren quasi zum Nulltarif schwarz-auf-weiss publizieren zu können.
Diesem strategischen Vorteil z.B. der Klimaskeptiker wollen
wir Piraten ja unter anderem mit Open-Access begegnen.

Beste Grüße

Volker


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