ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Ag-meinungsfindungstool mailing list
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- From: janonymous2 <janonymous2 AT news.piratenpartei.de>
- To: ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de
- Subject: [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen
- Date: Sun, 28 Sep 2014 18:33:19 +0000
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-meinungsfindungstool>
- List-id: <ag-meinungsfindungstool.lists.piratenpartei.de>
- Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver
Hallo,
möchte hier mal zwei Themen zur Diskussion bringen, die ich für essentiell für Demokratie und Konfliktbewältigung halte: Meinungsfreiheit und Emotionen
Was ist Meinungsfreiheit? Ist Meinungsfreiheit ein Freifahrtsschein für Todschlagargumente (abwertendes Schwarz-Weiß-Denken) und die Äußerung jeglichen Hirnfurzes, auch wenn dem noch nicht mal eine adäquate Verarbeitung der Informationen vorausgegangen ist?
Welche Rolle spielen Emotionen in einem demokratischen Diskurs? Wenn in einem Diskurs Emotionen eine Rolle spielen, heißt das in jedem Fall, dass Irrationalität das Handeln bestimmt?
Ich sehe den Emotionen als einen wichtigen Indikator für die Qualität und Fallstricke in einem Diskurs. Ohne Emotionen würden wir uns in dieser (sozialen) Welt wahrscheinlich gar nicht zurechtfinden, nicht wissen, wann unsere Grenzen erreicht sind, hätten unzureichende Optimierungsprozesse und auch kein Feingefühl. Emotionen aus der Arbeit und Bewertung rauszunehmen, würde heißen, dass uns das Signal fehlt, Gefahren und Stressquellen zu
erkennen und zu überwinden, dass am Ende der Klebstoff fehlt, um uns selbst wahrzunehmen, Anerkennung zu erfahren, Motivation und soziale Beziehungen zu entwickeln - letzteres sind aber alles sinngebende Quellen von Arbeit. Emotionen haben also einerseits eines selbstregulative und wichtige Kommunikationsfunktion, wenn es um die Wahrung eines menschenwürdigen Umgangs geht.
Das soll jetzt also nicht heißen, dass ich eine emotional aufgeladene Diskussionskultur befürworte in der die sachlichen Argumente zurückstehen - im Gegenteil, denn im Falle von affektiv konditionierten bis Macht- und egobezogenen SW-Kurzschlussreaktionen und
Todschlagargumenten bin ich für die Überwindung affektgetriebenen Handelns und die Befreiung des Geistes. Solange ein Diskurs von solchen Merkmalen bestimmt ist und Todschlagargumente frequenzmäßig und personenübergreifend zur Routine werden, konterkarriert das die Meinungsfreiheit. Hab hier dazu mal eine entsprechende Definition entworfen:
1. "Meinungsfreiheit ist die Möglichkeit, fern von Propaganda, Autoritäts- und Konformitätsdruck sowie automatischer Reproduktion von Vorurteilen und Todschlagargumenten eigenständig und selbstgesteuert Informationen abzuwägen."
2. "Meinungsfreiheit ist kein Freifahrtsschein für die Re-/Produktion von Falschaussagen, Todschlagargumenten, Hetze und Propaganda."
Die Kunst ist also eher, die eigenen Emotionen und sich selbst wahrzunehmen, zu äußern UND sich aus einer Beobachterposition daneben stellen können, auch um Fehlurteile und Projektionen zu vermeiden, die eigenen Anteile an einem Konflikt und unfaires Handeln erkennen zu können. Emotionen und sachbezogenes Argumentieren in sozialen Kontexten schließen sich in meinen Augen also nicht zwangsläufig aus. Es schließt sich zB dann nicht aus, wenn man eine ganzheitliche Erkenntnismethodik oder Methoden der empathatischen Gesprächsführung, z.B. des aktiven Zuhörens anwendet. Das ist eigentlich auch das, was ich in der AG am Anfang vorgefunden habe.
Bei den Todschlagargumenten und anderer Verhaltensmanipulation bin ich voll und ganz der Meinung, dass es ein prioritäres Ziel der Sicherung von Meinungsfreiheit ist, von motionalisierendem Content wegzukommen und sehe da sogar den Knackpunkt vieler Konflikte und Spaltungsszenarien in linken Gruppen. Dadurch, dass man zB durch Verheißung eines Expertenstatus, durch Furchtkonditionierung, Wiederholung und Todschlagargumente eine flache Informationsverarbeitung antriggert und dabei eine intensive Elaboration von Informationen
verhindert und die Person zu einer Überzeugung oder einem Standpunkt emotional verleitet, hebelt man in meinen Augen im Kleinen sogar die Demokratie und Meinungsfreiheit aus.
Es ist also ein zweischneidiges Schwert mit der Emotion und pauschal (von wegen emotionales Handeln ist per se irrational) lässt sich das nicht formulieren.. Ich bin aber der Meinung, dass diese auch zum Teil frauenfeindliche Philosophie, alle Emotionen seien irrational und hätten nix in einer sachlichen Diskussion zu tun, im Grunde schon wieder ein unlauteres Todschlagargument ist, dass uns im Endeffekt davon abhält, uns gegenseitig zu verstehen (ganz allgemein gesprochen).
Wenn man außerdem wie bei der Kreativen Kommunikation oder beim Systemischen Konsensieren (http://www.konsensieren.eu/) den Widerstand von 0 bis 10 misst, dann ist die sich darin ausdrückende negative Emotionalität v.a. auch Ausdruck für gefährdete Mangel- und Wachstumsbedürfnisse (Nahrung, Sicherheit, Teilhabe, Autonomie, Selbstverwirklichung etc) oder Menschenrechte und ist damit einer der wahrscheinlich wichtigsten Indikatoren für die (freiheitlich-demokratische) Qualität eines Vorschlags. Das ist jetzt nicht zu vergleichen mit einem Schwarz-Weiß-Veto bei den alten Konsensverfahren - da werden wieder ganz andere, flache Informationsverarbeitungsprozesse angesteuert und Machtmotive, eben solche die nichts mit Meinungsfreiheit und demokratischer Selbststeuerung zu tun haben.
Was sagt ihr so dazu?
Viele Grüße
Jano
- [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen, janonymous2, 28.09.2014
- Re: [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen, janonymous2, 28.09.2014
- Re: [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen, janonymous2, 28.09.2014
- Re: [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen, pa . rei, 28.09.2014
- Re: [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen, janonymous2, 28.09.2014
- Re: [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen, Alexander Praetorius, 28.09.2014
- Re: [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen, janonymous2, 28.09.2014
- Re: [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen, Alexander Praetorius, 29.09.2014
- Re: [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen, marc, 29.09.2014
- Re: [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen, Alexander Praetorius, 30.09.2014
- Re: [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen, marc, 29.09.2014
- Re: [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen, Alexander Praetorius, 29.09.2014
- Re: [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen, janonymous2, 28.09.2014
- Re: [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen, marc, 28.09.2014
- Re: [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen, Alexander Praetorius, 28.09.2014
- Re: [Ag Meinungsfindungstool] Meinungsfreiheit und Emotionen, janonymous2, 28.09.2014
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