Re: [Ag Meinungsfindungstool] Kooperative Vernunft

[Dinu Gherman <gherman AT darwin.in-berlin.de>]

Hallo Wolfgang,

danke für Deine Vermittlungsversuche! Weitere Kommentare siehe unten.

Schallehn AT t-online.de:

> Hallo Henri, Dinu und Alex,
> 
> wie ihr so alle eigentlich dasselbe wollt und dabei aneinander vorbei redet 
> - es ist schon bitter...
>       • Eure klugen und menschlichen Ideen sind in der gesellschaftlichen 
> Intention praktisch identisch.
>       • Ihr meint, dass diese durch Zustimmung (ggf. durch "Übernehmen") 
> Mehrheiten finden und schließlich realisiert werden.
> Doch das klappt schon unter euch dreien nicht. Da müsstet ihr doch stutzig 
> werden!?

Mich macht es in der Tat stutzig, wenn es sich herausstellt, dass ich mit 
Leuten diskutiere, die auf keinerlei Argument wirklich eingehen wollen oder 
können und alles andere als ihr eigenes geistiges Ejakulat mit einer Keule 
aus Verachtung und Größenwahn bekämpfen. Da verbringe ich meine knappe Zeit 
doch wirklich lieber anders. 

> Vielleicht hilft euch folgendes weiter:
>       • Zunächst ein paar kleine Kritiken:
>               • Eure Ideen sind stark an die Vorstellung einer Mehrheit 
> gebunden. Minderheiten und deren Interessen kommen bei euch nur als 
> Marginalien vor. Mehrheitsentscheidungen sind aber öfter Ursache als Lösung 
> gesellschaftlicher Probleme.
>               • Für jede Frage sucht ihr nur eine Antwort. Es gibt aber in 
> jedem politischen Problemfeld Pol und Gegenpol, Regel und Ausnahme.
>       • Ein grundsätzlicher Irrtum ist eure Erwartung, dass sich die besten 
> (also eure) Ideen irgendwann  von selbst im Web kumulieren und realisieren 
> werden. Zur ganzheitlichen Lösung gesellschaftlicher Probleme ist jedoch 
> echte Arbeit erforderlich - davon habe ich bei euch nichts gefunden.
> Es muss wohl im ersten Moment ungerecht klingen: so lauft ihr Gefahr, 
> gerade diese "selbstverschuldete Unmündigkeit" zu verfestigen, die ihr 
> eigentlich überwinden wollt.

Ich weiß nicht, wie Du bei mir zu dieser Einschätzung kommst? Ich habe weder 
ein eigenes "Tool" oder eine "Methode" in die Welt gesetzt, die jetzt über 
alle anderen "siegen" müsste. Und ich bin auch kein Freund von 
Mehrheitsentscheidungen, sondern betrachte sie als eines der heutigen 
Grundübel, nicht nur in einer extrem pluralistischen Gesellschaft, sondern 
auch in kleinen Kreisen. Ich finde auch die Entscheidungsfindung nach dem 
Grundprinzip der Erhebung rein positiver Zustimmung (à la Facebook-"Likes") 
kontraproduktiv. Dazu hat mich meine Beschäftigung mit der Soziokratie und 
dem Systemischen Konsensieren geführt, für deren Funktionieren es zahlreiche 
Belege gibt. Ich bin also gar nicht in der Situation, das hier groß 
verteidigen zu müssen. Aber wenn es noch jemanden interessieren sollte, dann 
würde ich diese Werke empfehlen:

- http://www.amazon.de/We-People-John-Jr-Buck/dp/0979282705
- 
http://www.amazon.de/Wie-wir-klüger-entscheiden-konfliktlösend-ebook/dp/B00B3HP1MQ

> Ich propagiere einen "qualifizierten Konsens" als Methode. Und letztens 
> habe ich von einer "kooperativen Vernunft" 
> <http://mint-leipzig.de/2014-05-16.html> als kultureller Leitlinie gelesen. 
> Beides hat viel miteinander zu tun, bedingt sich wohl sogar gegenseitig!   
> Ein "Königsweg" ist noch nicht abzusehen. aber vermutlich lohnt es sich, 
> darüber nachzudenken und zu diskutieren!

Die Suche nach Königswegen ist wie die nach dem Perpetuum mobile, eine 
akademische Übung mit Misserfolgsgarantie. Und übrigens, von vielen Piraten 
wirst Du wegen Deiner Bemerkung, Homosexualität sei ein Gendefekt, vermutlich 
eher keine Vorschusslorbeeren für Deinen qK erhalten.

> Eine .PPT "Partizipative Demokratie" habe ich im Mediencenter für euch 
> freigegeben - bitte um Info, falls das nicht geklappt hat.

Ich habe die Präsentation gelesen, finde den Text für eine Präsentation als 
ganzes wie auch pro Seite zu umfangreich, und würde Dir raten, einen Artikel 
daraus zu machen. Einiges davon klingt, als würde man es in vielen anderen 
Konzepten ähnlich wieder finden können. Im Übrigen, und wie ich glaube nicht 
das erste mal, würde ich Dir raten, mit Deinem qK experimentelle Erfahrung zu 
machen, bevor Du es als Lösung für irgendetwas präsentierst. 

In diesem Sinne, fröhliches Weiterdiskutieren, besser: Abkämpfen!

Gruß,

Dinu