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ag-landwirtschaft - Re: [Ag-landwirtschaft] WG: [BUND, Saatgutkampagne] Unterschiedliche Reaktionen auf Saatgut-Urteil des EU-Gerichtshofs

ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Mailingliste der AG Landwirtschaft

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Re: [Ag-landwirtschaft] WG: [BUND, Saatgutkampagne] Unterschiedliche Reaktionen auf Saatgut-Urteil des EU-Gerichtshofs


Chronologisch Thread 
  • From: Yorvik <yorvik AT gmx.de>
  • To: ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Ag-landwirtschaft] WG: [BUND, Saatgutkampagne] Unterschiedliche Reaktionen auf Saatgut-Urteil des EU-Gerichtshofs
  • Date: Fri, 13 Jul 2012 12:17:34 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-landwirtschaft>
  • List-id: <ag-landwirtschaft.lists.piratenpartei.de>

Danke Dieter für die Informationen,

es war gestern spannend zu lesen, wie das Urteil kommentiert wurde. Vom Ende Monsantos bis zum Untergang der alten Sorten war alles ein wenig dabei.

Dabei fiel mir wieder mal auf, dass in der Diskussion überhaupt nicht darauf eingegangen wurde, das es zwei völlig unterschiedliche Sichtweisen auf Sorten gibt. 

1. Neue Sorten mit neuen Eigenschaften: Dafür ist das Sortenrecht mit Zulassung, Bundessortenamt und das Saatgutverkehrsgesetz zuständig.  Es dürfen nur neue Sorten angemeldet werden (Sorten mit mind. einer neuen Eigenschaft). Es werden Qualität der Sorten, Namensgebung und Schutzrechte der Züchter geregelt. Ebenso wird das Recht des Bauern auf Nachbau geregelt (was in der Praxis durch F1 jedoch eingeschränkt wird). 
Beim Sortenrecht müssen wir aufpassen, dass es nicht durch das Patentrecht ausgehebelt werden kann. So paradox es klingt, besteht die Gefahr, dass dies genau durch die unklare Rechtslage der "alten" Sorten passieren kann. 


2. Die Erhaltungszüchtung alter Sorten und deren Handel: Da gibt es mE nach immer noch keine vernünftigen Regelungen. 
  • Was ist genau die Rechtslage, wenn ich mit einer alten Sorte arbeite und sie nicht nur auf meinem Betrieb einsetze, sondern sie auch als Saatgut handeln möchte. 
  • Was ist genau die Rechtslage, wenn ich nach Ablauf des Sortenschutzes eine Sorte weitervermehren möchte und sie auch handeln möchte. 
  • Was genau ist die Rechtslage, wenn ich alte Sorten züchterisch verbessere und dann wieder in den Markt bringen möchte.
  • Wie genau ist die Namensgebung von alten Sorten (Sorte x von Bauer y)?
  • Wie genau ist die Qualität alter Sorten für Marktteilnehmer transparent zu machen?
  • uvm
Für all diese Fälle sollte unbedingt ein neues Regelwerk dafür geschaffen werden. Ich wünsche mir das diese Regelungen durch NGO's oder Vereine geschaffen werden, die dann zu einer Art neuen Standard werden können, der von den Regierungen anerkannt werden kann. Das wäre ein Spielfeld für piratige Politik.

Zur Zeit wird beides in einen Topf geworfen, was mE dazu führt, dass das jetzige Sortenrecht aufgeweicht wird um alten Sorten ebenfalls einen Rahmen bieten zu können. Die Schaffung neuer Sorten basiert aber auf ganz anderen, langwierigen und kapitalintensiven Züchtungsprozessen als die Erhaltungszüchtung alter Sorten. Versucht man beide jetzt mit einem gemeinsamen Recht zu regeln ist dies genau die Begründung der Multies, sich vom Sortenrecht zu verabschieden und ins Patentrecht zu wechseln. 


Ich appelliere an alle, die sich mit dem Thema beschäftigen, diesen Zusammenhang nicht zu unterschätzen. Das Sortenrecht ist etwas sehr wertvolles, vor allem wegen dem Züchtungsvorbehalt (hätten wir so ein Instrument in der Urheberrechtsdebatte, wären wir dort schon viel weiter). Wir alle wollen keine grünen Patente und wir alle wollen Artenvielfalt. 

Liebe Grüße

Yorvik







Am 13. Juli 2012 10:47 schrieb Dieter Weiprecht <lifeartist AT gmx.de>:
FYI

> -----Ursprüngliche Nachricht-----
> Von: mailman-bounces AT lists.piratenpartei.de [mailto:mailman-
> bounces AT lists.piratenpartei.de] Im Auftrag von DNR Redaktionsbüro
> Fachverteiler
> Gesendet: Freitag, 13. Juli 2012 09:50
> An: DNR Redaktionsbüro Fachverteiler
> Betreff: FW: [BUND, Saatgutkampagne] Unterschiedliche Reaktionen auf
> Saatgut-Urteil des EU-Gerichtshofs
>
>
> -----Original Message-----
> From: Gaude Almut <Almut.Gaude AT bund.net>
> Sent: Thursday, July 12, 2012 2:11 PM
> To: BUNDnewsEU 72442105
> Subject: [BUNDnewsEU] Strich durch Rechnung der Saatgut-Industrie -
> BUND zum Saatgut-Urteil des EuGH
>
> "Strich durch Rechnung der Saatgut-Industrie"
>
> Kommentar des BUND zum Saatgut-Urteil des Europäischen Gerichtshofes
> (EuGH)
>
> Luxemburg/Berlin, 12.7.2012: Der Bund für Umwelt und Naturschutz
> Deutschland (BUND) begrüßt die Entscheidung des EuGH, wonach Saatgut
> alter Gemüsesorten verkauft werden darf.
>
> Dazu Reinhild Benning, BUND-Agrarexpertin:
>
> "Immer wieder greifen Saatgutkonzerne weltweit nach der vollständigen
> Kontrolle des eingesetzten Saatguts. Mit dem Urteil des EuGH wurde der
> Agrarindustrie jetzt ein Strich durch die Rechnung gemacht. Die
> biologische Vielfalt des Saatguts ist entscheidend für eine
> erfolgreiche Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel. Alte
> Saatgutsorten sind häufig widerstandsfähiger gegen Krankheiten,
> Schädlinge und Trockenheit als Hochleistungssaatgut. Heute ist ein
> guter Tag für die nachhaltige Landwirtschaft und ihre Vielfalt."
>
> Pressekontakt:
> Reinhild Benning, BUND-Agrarexpertin, Tel: 030-27586-481, E-Mail:
> reinhild.benning AT bund.net Almut Gaude, BUND-Pressereferentin, Tel: 030-
> 27586-464, E-Mail: almutgaude AT bund.net www.bund.net
>
>
> -----------------------------------------------------------------------
>
>
> -----Original Message-----
> From: Saatgutkampagne <info AT saatgutkampagne.org>
> Sent: Thursday, July 12, 2012 3:24 PM
> To: Pressemitteilungen Saatgutkampagne
> Subject: [PM Saatgutkampagne] PM: EuGH-Urteil zum Saatgutrecht
> bestätigt Saatgut-Handelsverbote
>
> EuGH-Urteil zum Saatgutrecht bestätigt Saatgut-Handelsverbote
>
> Sortenvielfalt weiterhin bedroht
>
> Der Europäische Gerichtshof hat mit seiner heutigen Entscheidung die
> Gültigkeit des EU-Saatgutrechts festgestellt. Damit hat es die
> grundlegende Kritik der Generalanwältin an der bestehenden
> Saatgutgesetzgebung verworfen. Demnach bleiben Vermarktungsverbote
> bestehen, die für Saatgut von Pflanzensorten gelten, die nicht in
> offizielle Sortenkataloge eingetragen sind. Eine Niederlage für die
> landwirtschaftliche Biodiversität und für alle, die sich für sie
> einsetzen und die selbstbestimmt Gartenbau und Landwirtschaft betreiben
> wollen. Erstaunlicherweise hat das Urteil aber bislang weitgehend
> positive Reaktionen hervorgerufen, die es mitunter gar als einen
> Schritt hin zu mehr Vielfalt feiern.
>
> "Dieses Urteil ist ärgerlich und wirklichkeitsfremd", so Andreas
> Riekeberg von der Kampagne für Saatgut-Souveränität. "Das Gericht hat
> lediglich eine Rechtfertigung für das bestehende Regelwerk der EU
> abgeliefert, ohne erkennbar auf die detaillierte Kritik von
> Generalanwältin Kokott an der dadurch vorangetriebenen Zerstörung der
> Vielfalt auf den Feldern und in den Gärten auseinander gesetzt zu
> haben. Ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich für die
> landwirtschaftliche Vielfalt einsetzen. Dies Urteil schreibt die
> Begünstigung der Saatgut-Industrie und ihrer industriellen
> Pflanzensorten fort. Sorten, die einen hohen Bedarf an Dünger und
> Pestiziden haben und sehr uniform sind."
>
> Jürgen Holzapfel, der auf dem Hof Ulenkrug in Mecklenburg-Vorpommern
> Getreide von alten Sorten anbaut und selber Saatgut gewinnt, schildert
> die gegenwärtige Lage: "Wenn ich hier Saatgut anbaue, dann muss ich den
> Behörden melden, was ich wo in welchem Umfang anbaue. Und das nur für
> die eigene Verwendung. Wenn ich es in Verkehr bringen wollte, müsste
> ich eine Zulassung als Erhaltungssorte beantragen, dafür Gebühren
> zahlen und Mengenbeschränkungen beachten. Und mich mit anderen
> Saatguterzeugern abstimmen, damit wir nicht zusammen eine Höchstmenge
> überschreiten. Es stimmt einfach nicht, wenn das EuGH in seiner Presse-
> Erklärung behauptet, diese Zulassungsregelung würde das Ziel der
> Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen gewährleisten."
>
> "Wir werden weiterhin für das Recht aller Gärtner/innen und
> Landwirt/innen streiten, selber zu bestimmen, welche Sorten sie anbauen
> dürfen", beschreibt Anne Schweigler die Ziele der Kampagne für Saatgut-
> Souveränität. "Dafür werden wir auch künftig Saatgut-Tauschmärkte
> organisieren und regionale und internationale Vernetzung und Austausch
> fördern. Der Anbau von Lebensmitteln und die Ernährung müssen
> selbstbestimmt möglich sein und dürfen nicht der Kontrolle der Saatgut-
> Konzerne unterliegen. Letztlich müssen dem auch die EU-Regeln und die
> nationalstaatlichen Gesetzgebungen folgen."
>
> Die Saatgutkampagne kritisiert, dass die EU mit ihrer
> Erhaltungsrichtlinie die biologische Vielfalt nur in einem sehr kleinen
> Rahmen schützen will, gleichzeitig aber zu verhindern versucht, dass
> regionale bäuerliche Sorten etwa von Gemüse, Getreide und Ölsaaten
> einen Parallelmarkt zum Saatgutmarkt der Industrie bilden könnten.
> Diesem hat sich heute auch das EuGH angeschlossen, indem es das
> Bestreben des Unionsgesetzgebers rechtfertigt, "die Bildung eines
> Parallelmarkts für dieses Saatgut (gemeint ist Saatgut von
> Erhaltungssorten, A.R.) zu verhindern". Ein etwaiger Parallelmarkt
> droht ja mitnichten, "den Binnenmarkt für Saatgut von Gemüsesorten zu
> behindern", wie die Pressemitteilung des EuGH formuliert. Lediglich den
> Gewinnabsichten der marktbeherrschenden Saatgutkonzerne hätte er in die
> Quere kommen können.
>
> Die Saatgutkampagne weiß sich mit der großen Mehrheit der
> Erhaltungsinitiativen in Europa einig, dass diese Erhaltungsrichtlinie
> eine erneute Behinderung der Erhaltung der biologischen Vielfalt
> darstellt und glücklicherweise in der Wirklichkeit nicht umsetzbar ist.
> Die Gefahr besteht allerdings darin, dass sie in Einzelfällen gegen
> Bauern eingesetzt wird: nämlich dann, dann wenn deren Saatgutarbeit den
> Saatgut-Konzernen lästig wird.
>
> Hintergrund:
>
> Der Rechtsstreit in Frankreich zwischen der Sortenerhaltungs-
> Organisation Kokopelli und dem Saatgutkonzern Graines Beaumaux hatte
> die Frage nach der Gültigkeit des EU-Rechtes aufgeworfen, die dem EuGH
> vorgelegt worden war. Das Plädoyer von Generalanwältin Juliane Kokott
> vom 19.1.2012 hatte hoffen lassen, dass die vielfalts- und
> selbstbestimmungsfeindlichen EU-Richtlinien als ungültig verworfen
> werden könnten. Saatgut darf in der EU grundsätzlich nur gehandelt
> werden, wenn es eine Zulassung hat. Was ursprünglich zur Sicherstellung
> eine Qualitätsniveaus gedacht war, hat sich über die Jahrzehnte als
> starke Einschränkung für die Sortenvielfalt erwiesen. Viele alte Sorten
> sind aus den Regalen der Geschäfte und von den Feldern der
> Bauern/Bäuerinnen und Gärtner/innen verschwunden, da sie nicht
> zugelassen wurden. Denn jede Zulassung kostet Geld und ist mit
> bürokratischen Hürden versehen.
>
> In den letzten 30 Jahren hat eine enorme Konzentration auf dem Saatgut-
> Markt stattgefunden, wenige transnationale Konzerne beherrschen 65-80%
> des Saatgutmarktes, je nach Pflanzengruppe (Getreide, Gemüse, Rüben,
> Ölpflanzen) und Region. Das hat die Zerstörung der Sortenvielfalt
> weiter beschleunigt. Vor wenigen Jahren hat die EU endlich ein
> Erhaltungssorten-Recht eingeführt, mit drei Richtlinien von 2008-2010.
> Doch auch hier schränken Höchstmengen und Zulassungsverfahren die
> Tätigkeit der Landwirt/innen und Gärtner/innen erheblich ein.
>
> Für Rückfragen:
> in Deutschland: Kampagne für Saatgut-Souveränität
> www.saatgutkampagne.org
> Andreas Riekeberg, Tel.++49 (0)170-1125764
> Email: info AT saatgutkampagne.org
>
> Plädoyer der Generalanwältin:
> http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=118143&p
> ageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=66802
>
> _______________________________________________________________________
>
> Weitergeleitet durch DNR Redaktionsbüro Fachverteiler ++ Frei zur
> Veröffentlichung ++ Bitte entschuldigen Sie doppelte und unverlangte
> Sendungen ++ Bitte ggf. in eigener Organisation weiterleiten ++
> Fachverteiler abbestellen: mailto:info-berlin AT dnr.de?subject=keine-
> mails ++ Weitere Umwelt-Infodienste: www.dnr.de/umweltinfo ++
> Umweltpolitische Monatszeitschrift: www.dnr.de/umwelt-aktuell ++ Bitte
> prüfen Sie, ob diese E-Mail wirklich ausgedruckt werden muss. Danke! ++
>
>



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