ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
Betreff: AG Gesundheit
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- From: JürgenJu <junghaenel-hannover AT gmx.de>
- To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: [AG-Gesundheit] Fwd: Sterben
- Date: Tue, 02 Dec 2014 00:25:08 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
- List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>
Danke Reinhard für die Info, dass bei der Zeit was läuft, wenn die Piraten das nicht diskutieren wollen (meine Hannover-ML hatte Null Resonanz auf meine Überlegungen: noch nicht einmal eine der üblichen Anmache!!!) und sich hier nur 1 Pirat gemeldet hat, schicke ich die Sache mal an die Zeit, mal sehen! Dein Jürgen -------- Original Message -------- Subject: Sterben Date: Tue, 02 Dec 2014 00:18:22 +0100 From: JürgenJu <junghaenel-hannover AT gmx.de> To: leseraufruf AT zeit.de Hallo, gern schicke ich Ihnen auf Ihren Aufruf diesen Artikel, der auf die Vergleichbarkeit der jetzigen Debatte zur Debatte um den Schwangerschaftsabbruch der 70ger Jahre abhebt und zu einer Lösung kommt, die in den Formalien der Lösung beim Schwangerschaftsabbruch ähnelt, aber die widerwilligen Ärzte beim assistierten Freitod außenvor läßt. Ich bin Neurologe und seit 2008 im Ruhestand, war zuvor 28 Jahre Chefarzt einer neurologischen Abteilung an einem Allgemeinkrankenhaus. Hier und im Anhang sind meine Gedanken: Assistierter Freitod: Laien, Ärzte und Notare
Als der Bundestag am 13.11.2014 über die Sterbehilfe diskutierte, waren die Ähnlichkeiten zu den Debatten um den Schwangerschaftsabbruch der 70ger Jahre unverkennbar. “Indikationslösung”, “Fristenlösung” oder “überhaupt nicht” waren damals die Möglichkeiten. Angetrieben wurde die damalige Diskussion auch oder gerade von einem Schwangerschaftsabbruchstourismus besonders in die Niederlande. Frauen entzogen sich einfach einem Rechtsraum, der nach ihrer Ansicht von überkommenen moralischen Normen bestimmt war. Und jetzt: wieder fahren Leute aus Deutschland weg diesmal in die Schweiz, um dort ein tödliches Mittel zu bekommen. Und das, obwohl sowohl der Suizid als auch und auch die Hilfe dazu in Deutschland straffrei sind. Aber solche Hilfe, die im wesentlichen im Beschaffen des richtigen todbringenden Stoffes besteht, braucht natürlich Kompetenz und Erfahrung. Somit haben sich Sterbehilfevereine gegründet, die das Geschäft teilweise mit Gebühren betreiben. Hier sind im wesentlichen Laien am Werke. Das stinkt den Politikern um Peter Hintze. Sterbehilfevereine sollen verboten werden.
Beim Schwangerschaftsabbruch sollte damals keine Frau aus wirtschaftlicher Not abtreiben, der Ausbau jeglicher Hilfen wurde als Alternative zum Schwangerschaftsabbruch gepriesen. Jetzt wird von der Mehrheit der Ausbau der Palliativmedizin beschworen. Das war und ist richtig. Aber solche Hilfen konnten damals für den Schwangerschaftsabbruch und können heute für den Freitod als Angebot aber nicht als verpflichtende Alternative gelten. Wenn es dann aber doch zum assistierten Suizid kommt, will die Politik als Problemlöser die Ärzte. Diese wollen aber nicht so wie die Mehrheit der Abgeordneten. Die Ärztekammern bedrohen teilweise ihre Mitglieder mit standesrechtlichen Verfahren, sollten sie sich an einem assistierten Suizid beteiligen. Und dabei können sie großes Geschütz auffahren, denn Hippokrates hat in seinem Eid ausgerechnet dieses eingefügt: „Auch werde ich niemandem ein tödliches Gift geben, auch nicht, wenn ich darum gebeten werde, und ich werde auch niemanden dabei beraten.“ Und entsprechend haben sich die Ärzte überwiegend immer schon gegen den assistierten Suizid ausgesprochen und in offiziellen Regeln der Kammern auf Bundes- und Landesebene festgelegt. Schönes Beiwerk des Föderalismus ist, dass die Ärzte in einigen Bundesländern sich am assistierten Suizid sich nicht beteiligen sollen in anderen nicht beteiligen dürfen - ein wichtiger Unterschied, der darüber entscheiden kann, ob ein Arzt in den Strudel der Standesgerichtsbarkeit gerät. Das zu ändern ist nicht leicht. Der Gesetzgeber kann Ärzte zwar vor Strafverfolgung aber nicht vor der Standesgerichtsbarkeit schützen, wenn er nicht das Grundgesetz gleich ändert. Straffrei ist die Sache aber ohnehin. Aber selbst, wenn die Ärztekammern ihre Ansicht ändern würden, geeignet sind Ärzte für den assistierten Suizid nur im Falle einer tödlichen Krankheit. Ärzte werden nämlich darauf trainiert, nur Dinge zu tun, die Sie auch für richtig halten, kurz, wofür sie eine Indikation sehen. Wo also diese Indikation besteht, sind sie am richtigen Platz. Hier sollte unbürokratisches und rasches Handeln ermöglicht werden. Es ist sogar wahrscheinlich, dass bei Einschränkung auf diesen Tatbestand diejenigen Ärztekammern, die es bisher nicht getan haben, ihre teilweise rigiden Formulierungen abändern. Zurück zur Indikation. Indikation bedeutet nicht freier Patientenwille sondern objektive nachprüfbare und nachvollziehbare Tatsachen für eine ärztliche Entscheidung. Allein Schönheitschirurgen sind hier wohl eine Ausnahme. Obwohl sie von ihrer Einstellung zum Patientenwillen wohl noch die geeignetste Ärztegruppe sind, scheiden sie aus anderen Gründen aus.
Wir haben neben den Ärzten noch einen anderen Beruf, dem es an Ansehen und sogar staatlicher Aufsicht sowie Verschwiegenheitspflicht nicht mangelt. Notare beglaubigen die wirklich wichtigen Dinge des Lebens und wer wollte zweifeln, dass ein Freitod in diese Kategorie gehört. Notare sind gewohnt zu überprüfen, ob ein von ihnen beurkundeter Vertrag den freien Willen des Mandanten ausdrückt. Aber sie sind eben auf der anderen Seite auch gewohnt, diesen Willen zu akzeptieren. Warum sollte beim assistierten Suizid nicht ein Notar Herr des Verfahrens sein wie bei einem Hauskauf. Das ginge etwa so: Sein Mandant lässt seinen Wunsch beurkunden. Ein Psychiater überprüft, ob eine den freien Willen einschränkende psychiatrische Erkrankung vorliegt. Analog dem Vorgehen beim Schwangerschaftsabbruch kann man noch eine Sozialberatung anfügen. Jedenfalls erscheint dieser Mandant nach einer Karenzzeit wieder, sein weiter bestehender Wunsch wird aufgenommen und er schlägt eine Person seines Vertrauens für die Hilfe bei seinem Freitod vor. Diese Person, das kann ein Pastor, Arzt, Angehöriger eines Sterbehilfevereines oder sonstiger Laie sein, muss gegenüber dem Notar glaubhaft machen, dass sie im Sinne des Mandanten handeln kann, dafür kein Geld nimmt und über den Verbleib des Mittels Rechenschaft legen wird. Diese Person erhält dann ein notarielles Dokument mit dem sie in der Apotheke das Mittel erhält. Das mag bürokratisch klingen, aber man schaue sich die Verfahrensweise beim Schwangerschaftsabbruch, oder - vielleicht einleuchtender - beim Kauf eines Hauses an. Und wichtiger als letzterer ist ein Freitod allemal. Ich plädierte also für zwei Wege zum assistierte Suizid: eine Indikationslösung über Ärzte bei tödlicher Krankheit und ein freie Lösung über Notare.
Dr. med. Jürgen Junghänel Facharzt für Neurologie Hinrich-Wilhelm-Kopf-Platz 430159 Hannover 0511 47378091 |
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- [AG-Gesundheit] Fwd: Sterben, JürgenJu, 02.12.2014
- Re: [AG-Gesundheit] Sterben, wdt, 02.12.2014
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