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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Die GKV muss abgeschafft werden

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Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Die GKV muss abgeschafft werden


Chronologisch Thread 
  • From: DS Lawfox <dslawfox AT googlemail.com>
  • To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Die GKV muss abgeschafft werden
  • Date: Mon, 2 Jan 2012 18:39:16 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Hier nochmal ein schönes Interview zum Thema :-)

Der änd unterhielt sich mit dem Studienleiter Dr. Oliver Scheel, Leiter der Pharma Healthcare Industriegruppe bei A.T. Kearney, über die Analyse – und die überraschende Reaktion der Politik auf die Zahlen.



Scheel: 30 Prozent Arbeitszeit verbrauchen Niedergelassene für Aufgaben, die nichts mit der direkten Patientenversorgung zu tun haben
Herr Dr. Scheel, es hat in der Vergangenheit schon zahlreiche Untersuchungen und Umfragen zum Thema Bürokratie im GKV-System gegeben. Was haben Sie anders gemacht?

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, das Gesundheitssystem neutral in seiner Gesamtheit zu untersuchen und die Froschperspektive einzelner Interessensgruppen zu verlassen. Ob Krankenkassen, Apotheker, Ärzte oder Pharmaindustrie – jeder Bereich legt eigene Zahlen vor und versucht natürlich, diese für eigene Ziele auszunutzen. Es fehlt die übergeordnete, neutrale Analyse mit tiefer Transparenz.


Die eigentlich das Gesundheitsministerium leisten müsste...

...was aber nach den Eindrücken aus der A.T. Kearney Studienarbeit dort bislang nicht umgesetzt wurde. Was kommt wirklich am Ende dabei heraus, wenn ich einen Euro in das komplexe GKV-System einwerfe? Die Antwort auf diese Frage hat bisher noch keine öffentlich zugängliche und A.T. Kearney bekannte Untersuchung gegeben.
Daher haben wir uns an die Arbeit gemacht. Der Fokus lag dabei auf den verschiedenen Leistungserbringern im Gesundheitssystem. Bei den Fragebögen hatten wir über 6.000 Rückläufer – die große Mehrheit der Teilnehmer waren Ärzte.


Das Resultat überrascht Sie?

Das kann man in der Tat sagen. Wir haben errechnet, dass die reinen durch die GKV verursachten Verwaltungskosten im Jahr 2010 bei 27,5 Milliarden Euro lagen. Bei Gesamtausgaben in Höhe von 176 Milliarden Euro sind das 15,6 Prozent – fast dreimal so viel wie von der GKV offiziell berichtet.
Dabei sprechen wir nur von den Verwaltungskosten, die wirklich von der gesetzlichen Krankenversicherung verursacht werden. Die normale Verwaltungsarbeit, die Ärzte oder Apotheker als Unternehmer beziehungsweise Betriebe in Kauf nehmen müssen, ist da nicht eingerechnet.


Wie stark leiden die Ärzte unter der Bürokratielast?

In hohem Maße. Rund 7,9 Milliarden Euro durch die GKV verursachten Verwaltungskosten haben wir für die niedergelassenen Ärzte ermittelt. Rund 30 Prozent ihrer Arbeitszeit verbrauchen sie für Aufgaben, die nichts mit der direkten Patientenversorgung zu tun haben. Bei den Klinikärzten sind es 6,5 Milliarden Euro durch die GKV verursachten Verwaltungskosten und rund 38 Prozent ihrer Arbeitszeit – Geld und Zeit, das nicht für direkte Gesundheitsleistungen am Patienten eingesetzt werden kann.


Welche Bürokratie-Aufgaben blockieren die Ärzte?


Die Niedergelassenen gaben in erster Linie das Kodieren der Behandlungsschritte in die Vorgaben des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) an. Ebenso werden sie durch die quartalsbezogene Abrechnung der obligatorischen Praxisgebühr zu Gunsten der Krankenkassen beansprucht.
Die Kliniker nannten unter anderem das alltägliche Schreiben von Entlassungsbriefen, die aufwendige Arbeit zum zutreffenden Kodieren medizinischer Diagnosen und Prozeduren in das obligatorische ICD- bzw. OPS- Format sowie das zugehörige Eintragen dieser Informationen in die Krankenhausinformationssoftware.


Haben Sie mit einem solchen Studienergebnis gerechnet?

Wir haben schon hohe Werte angenommen – sind aber im Endeffekt doch überrascht, wie viele Ressourcen die Verwaltung verbraucht und wie wenig vom Beitragsgeld direkt in der Patientenversorgung ankommt. Das ist meiner Meinung nach  inakzeptabel. Wenn man ein System effektiv steuern will, darf der Reibungsverlust nicht so groß sein. Wir sind zu der Auffassung gekommen, dass man mit effektiveren und effizienteren Strukturen von jedem Beitrags-Euro mindestens acht Cent einsparen könnte.


... um den Beitragssatz zu senken?

Das Geld könnte auch ganz oder teilweise den Leistungserbringern im Gesundheitssystem in Form von Zeit für direkte Gesundheitsleistungen am Patienten zufließen. Durch eine gezielt verbesserte medizinische Versorgung könnten die Kosten mittel- und langfristig im öffentlichen Gesundheitssystem reduziert werden

Was müsste die Politik nun unternehmen?

Zunächst einmal müsste die Politik eingestehen, dass die zahlreichen tiefgreifenden Reformen der vergangenen Jahre keine finanzielle Entlastung für das System gebracht haben. Das System ist intransparent, zu komplex und immer komplizierter zu steuern. Es ist empfehlenswert, konkret die für Wettbewerb, Kosten und Versorgungsqualität optimale Anzahl und Design der gesetzlichen Krankenkassen zu definieren und zeitnah umzusetzen.
Gesamthaft gesteuerte Fusionsprozesse könnten dort für signifikante Kostensenkungen sorgen. Dabei muss genau geschaut werden, welche Kassen strategisch zusammenpassen – nichts sollte dem Zufall überlassen werden. Auch ist kritisch zu hinterfragen, ob im Arzneimittel- und medizinisch-technischen Bereich die Komplexität der Produktportfolien der Anbieter auf ein für die Kosten des Gesamtsystems und den tatsächlichen Nutzen für die medizinische Versorgung sinnvolles Maß reduziert werden sollte.
Bei den Ärzten verdienen die Kassenärztlichen Vereinigungen Aufmerksamkeit. Braucht wirklich jede KV eigene Verwaltungs- und Rechenzentren oder können schlagkräftigere Strukturen geschaffen werden? Es gibt zahlreiche Ansatzpunkte.


Die Zahlen der Studie müssten eigentlich jeden Gesundheitspolitiker aufrütteln. Sind Sie mit den Zahlen schon an die Politik herangetreten?

Wir haben dem Bundesgesundheitsminister angeboten, darüber zu sprechen. Mehrfach und auch über verschiedene Mittler haben wir versucht, Kontakt zu Daniel Bahr aufzunehmen. Schließlich kam ein Absageschreiben von einer Mitarbeiterin aus seinem Büro. Er habe keine Zeit sich mit den Ergebnissen der Studie zu beschäftigen. Für mich völlig unverständlich. Als zuständiger Bundesminister müsste er sich die Analyse doch zumindest anschauen und dazu Stellung beziehen. Wir waren sprachlos.

Vielen Dank für das Gespräch.


Am 31. Dezember 2011 14:35 schrieb Robert Stein (Bobby79) <SteinRob AT gmx.de>:
Ahoi,

Du nennst den Knackpunkt selbst: Gesetzliche Vorgaben! Die gehören dringend untersucht. Die Hürden zum Zugang zur Pflege und Medizin sind nicht nur mit überdimensionierten Kosten, sondern auch mit Zugangserschwernissen versehen. Ein vollkommen unhaltbarer Zustand meiner Meinung nach!

Dass das ganze im Rahmen dieser Verschwendung zu bürokratischen und undankbaren Arbeitsstellen führt, wie Du anführst, ich aber definitiv gut nachvollziehen kann, ist ein in diesem Kontext fast schon vernachlässigenswerter Zustand.


MfG

Robert (@Pirat_Robert für Twitter)

Am 31.12.2011 um 14:30 schrieb ZweiPi <zweipi85 AT googlemail.com>:



Am 31. Dezember 2011 14:08 schrieb Robert Stein <SteinRob AT gmx.de>:
Ahoi,

1. Findest Du es nicht menschenverachtend, wenn 2010 rund 30 Mrd. € teils schwerkranken Patienten vorenthalten worden sind, Birger? Wäre dieses Geld in die Behandlung statt in die Portemonaîts geflossen, hätte sicherlich dem ein oder anderen mehr oder überhaupt geholfen werden können.
Findest du nicht auch das wenn wir das Jugendamt abschaffen und das Geld gleich den Eltern gegeben hätten, würden ganz viel Mißbräuche in Familien verhindert werden können. Was ist das für eine Logik?
Die Verwaltung ist dazu da um Schwerkranken Menschen Geld zu bewilligen, Pflege zu Organisieren und Mißbrauch zu verhindern. Bitte informiere dich wo die Geldern in der Verwaltung angelegt werden und dann beschwere dich, nicht aber pauschal. 

Ich kenne genug Menschen aus deiner gescholtenen Verwaltung die sich jeden Tag den Arsch aufreißen um es genau diesen schwer kranken trotz gesetzlicher Vorgaben so einfach wie möglich zu machen. 

Grüße ZweiPi



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