Re: [AG-Gesundheit] Finanzierung des Gesundheitssystems 2020

[Arnold Schiller <schiller AT babsi.de>]

Am Thu, 15 Apr 2010 12:04:30 +0200 schrieb derk AT reckel.de:

> Interessante Zahlen zur Finanzierung des Gesundheitssystems in 10
> Jahren:
>  
> http://www.igsf-stiftung.de/116_PM_lang.pdf

Das ist sowas von unseriös, ich frage mich manchmal, wer sich solche 
Zahlen zusammenfantasiert. Ich fange jetzt dann auch gleich mit 
Panikmache an. 

Die BRD-alt hatte ca. 60 Millionen und die DDR ca. 20 Millionen Einwohner 
und man möchte es nicht glauben, die gesamte Rentenversicherung und 
Krankenversicherung der bankrotten DDR wurde einfach mal so übernommen 
ohne dass sich von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der BRD von 
1989 auf 1990 jetzt soviel verändert hätte. Wenn jetzt jemand mit der 
Horrorzahl 69 Millionen Einwohner für das Jahr 2050 daherkommt, dann 
hiesse das nur, dass die BRD Einwohnerzahlen in der Grössenordnung der 
BRD-alt von 1989 hätte. Und weiter was? Ist die BRD deswegen 
zusammengebrochen, weil sie nur 60 Millionen Einwohner hatte?

Schon im 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jahrhunderts gab es 
Demographiezahlen, wonach 1950 Deutschland untergeht aufgrund der 
Überalterung. Keine der Prognosen ist eingetroffen. Ach ja und übrigens 
ersticken wir gerade an Pferdemist oder liegen gerade unter Palmen je 
nachdem welcher Prognose man für das erste Jahrzehnt dieses Jahrhunderts 
man glauben will. 

Schon die Prognosen über 30 Jahre von Jimmy Carter veranlasst waren grob 
falsch, wenn man nur die Schreckensszenarien daraus präsentierte. Eine 
Prognose bezüglich der Gesundheit und der wirtschaftlichen Versorgung für 
das Jahr 2050 und über Kinder machen will, die noch gar nicht geboren 
sind, sind einfach unseriös. Immerhin wird eine Aussage über die unter 20-
jährigen für das Jahr 2050 getroffen, die ja erst 2030 geboren werden. 
Die Prognose will jetzt schon wissen, wieviel Kinder in Deutschland im 
Jahr 2030 geboren werden. Selbst wenn es stimmen sollte, dass die 
Demenzkranken 2,2 Millionen im Jahr 2050 sein sollte, dann ist das so 
seriös, wie wenn ich von den Pesttoten des Mittelalters die Pesttoten des 
Jahres 2000 darstellen wollte. Und es ist ja schön, wenn man Pluszahlen 
von 75 Prozent für Herzinfarkte angeben kann, aber eine Grippewelle wie 
sie Anfang des 20.Jahrhunderts stattfand, kann diese Zahlen für das Jahr 
2050 ganz gewaltig durcheinanderwürfeln. Auch Probleme wie das abnehmen 
der Wirksamkeit von Antibiotika könnten ein grösseres Problem für das 
Gesundheitssystem sein, als die paar Herzinfarkte oder Schlaganfälle. 

Dennoch lässt sich keine seriöse Prognose erstellen, wann die Epidemie 
einer Krankheit möglicherweise kommt. Die Schweinegrippe war es auf jeden 
Fall nicht wie prognostiziert und da reden wir von Prognosen über das 
nächste Jahr. Wer also glaubt mit einer Prognose für 2050 irgendwas sagen 
zu wollen, der will nur politische Propaganda für irgendetwas machen. 

Und natürlich wird am Ende verwiesen darauf, dass die Diskussion im 
Ausland um ein sovieles besser sei. Ach ja wirklich? In den USA hat Obama 
mit Müh und Not etwas durchbekommen, was in Deutschland seit 50 Jahren 
der Normalfall ist.  Das unser System fett und krank geworden ist, mag ja 
nicht verwunderlich sein, aber so schlecht ist es letztlich nicht. Es hat 
sich nur in den letzten 40 Jahren mit Bürokratie vollgefressen, aber der 
Grundgedanke eine allgemeinen Gesundheitsversorgung für jeden hatte im 
Prinzip schon funktioniert. 

Wenn es noch gelingt systemimmanente Verfallsprozesse mit einer 
Gegenbewegung zu versorgen, die das System im Zweifelsfall resetten bevor 
es zusammenbricht, dann könnte das ein guter Zustand für zukünftige 
Generationen sein. Aber niemand weiss, was die Politiker des Jahres 2030 
beschliessen werden. Das wäre ja so, wie wenn jemand 1980 prognostiziert 
hätte, dass einer der Frankfurter Steinewerfer Aussenminister wird. 

Grüße,
Arnold