Von der Schweizer
Vollgeldinitiative wurde die Debatte zwischen Sergio Rossi,
Professor für Makroökonomie und Monetäre Ökonomie, Universität
Freiburg (Schweiz), und Sergio Ermotti, CEO der UBS, in der
Sendung "I conti in tasca - Un patto di paese per il Ticino", 15
Februar 2017, auf dem Sender Teleticino im Youtube-Beitrag
UBS Ermotti
weiss nicht wie Geld entsteht!
Länge 2':51" und recht
kurzweilig
Bemerkenswert an dieser
Debatte ist, dass beide Sergios nicht im Geringsten an der
Sichtweise der jeweils anderen Seite interessiert waren, sondern
lediglich ihre eigene Position vehement vertreten wollten. Auch
dass streckenweise beide gleichzeitig redeten, belegt m. E.
diese Sichtweise.
Nachfolgend soll jetzt nicht für oder wider die
Vollgeldinitiative argumentiert, sondern lediglich die
Argumentationsbasis der beiden Herren näher beleuchtet werden.
Die Vollgeldinitiative bezieht sich auf die Aussage der
Schweizer Nationalbank:
„Der grösste Teil aller Schweizer Franken – fast 90% – ist
heute Buchgeld. Ein Grossteil davon wird durch die
Geschäftsbanken geschaffen, indem sie Kredite an die
Unternehmen und Haushalte gewähren.“
sowie auf die Aussage der Deutschen Bundesbank, welche noch
konkreter wird:
“Tatsächlich wird
bei der Kreditvergabe durch eine Bank stets zusätzliches
Buchgeld geschaffen. Die weitverbreitete Vorstellung, dass
eine Bank "auch altes, schon früher geschöpftes Buchgeld, z.B.
Spareinlagen, weiterreichen" (könne), wodurch die
volkswirtschaftliche Geldmenge nicht erhöht wird, trifft nicht
zu.“
Dass die Geschäftsbanken kein Geld ausleihen, welches vorher
jemand bei ihnen deponiert hat, sondern dass sie neues Geld
durch Kreditvergabe schaffen, lässt sich durch Buchungssätze
nachweisen. Banken erwerben jedoch auch von Nichtbanken
Vermögenswerte und nehmen auch von diesen Dienstleistungen in
Anspruch. Diese Leistungen werden ebenfalls mit selbst
geschaffenem Geld, mit „Geschäftsbanken-Sichtguthaben“,
„bezahlt“. Auch dies lässt sich durch Buchungssätze belegen.
Folgt man dieser Erklärung für die Schaffung von
Geschäftsbanken-Sichtguthaben, so müsste die Passivseite der
Bank, neben dem Eigenkapital und den Verpflichtungen gegenüber
anderen Banken, nur Sichtguthaben von Bankkunden enthalten.
Um Dies zu überprüfen habe ich mir die konsolidiere Bilanz der
Banken in Deutschland von 2014 angeschaut. Hier stehen jedoch
nicht nur diese drei Positionen sondern insgesamt:
- Sichteinlagen von Kunden 20 %
- Termineinlagen 14 %
- Spareinlagen 8 %
- Schuldverschreibungen 27 %
- Einlagen von Banken 23 %
- Kapital und Rücklagen 7 %
Auf der Aktivseite sind anzutreffen
- Barreserve 1 % (= ZB-Geld bei Banken)
- Kredite an Nichtbanken 41 %
- Kredite an Banken 26 %
- Wertpapiere und Beteiligungen 20 %
- Sonstige Aktiva 12 %
Es wurde also ganz offensichtlich nach Schaffung von
Geschäftsbanken-Sichtguthaben dieses von den Kunden in
Termineinlagen, Spareinlagen und Bankschuldverschreibungen
umgeschichtet. Hierzu musste aber die Geschäftsbank zuvor
günstige Konditionen in Form von zinstragenden Einlagearten
anbieten. Weshalb aber erhöht die Geschäftsbank ihre
Aufwendungen für solche Einlagearten, wenn doch die
Sichtguthaben der Nichtbanken kostenlos zu haben sind?
Die Geschäftsbank tut dies um zu verhindern, dass Zahlungsmittel
zu anderen Banken fließen und um ihre Kunden zu behalten.
Fließen viele Zahlungsmittel zu anderen Banken bekommt die
überweisende Bank Liquiditätsprobleme, es wird für sie immer
schwieriger, zahlungsfähig zu bleiben.
Bezieht man diese Sparaktivitäten in das „Geldschöpfungsmodell“
mit ein so stellt man fest:
Der Satz: "Die Geschäftsbanken leihen nicht Geld aus, welches
vorher jemand bei ihnen deponiert hat, sondern sie schaffen
neues Geld durch Kreditvergabe." trifft nur für den Augenblick
der Schaffung von Geschäftsbanken-Buchgeld zu, jedoch nicht mehr
für die Zeit danach.
Die Bankpraxis, welche in der konsolidierten Bankenbilanz
sichtbar wird, zeigt, dass im Bankbetrieb Spargelder sehr wohl
noch erforderlich sind. Dass diese erst nach der Kreditvergabe
angelegt werden, ist für die Bank von nebensächlicher Bedeutung.
Die Schaffung von Krediten ohne Bedarf an Spargeldern trifft
somit nur für den Anteil von 20 % Sichteinlagen zu.
Betrachtet man sich die Aktivseite und Passivseite der
konsolidierten Bilanz kann man die Äußerung von Herrn Ermotti
nachvollziehen. Dabei muss man die Vermittlerfunktion in
übertragenem Sinn verstehen. Die Banken vergeben Kredite und
benötigen aber auch Kredite von ihren Kunden, genau in dieser,
der einfachen Logik widersprechenden, Reihenfolge.
Fazit:
Die Schaffung von Geschäftsbanken-Buchgeld ohne vorherige
Spargelder trifft nur für den Moment der Entstehung zu. Aus
dieser Buchungsaktion auf die Funktion des Bankbetriebs zu
schließen erweist sich als Fehlschluss, da nachgeordnet doch
noch Spargelder von der Bank benötigt werden.
Jedoch erweist sich auch die Aussage, dass Banken Geld der
Sparer verleihen als Fehlschluss. Diese Aussage aus den Zeiten
der Goldwährung wurde in unser heutiges Schuld-Geld-System
übernommen ohne anzumerken, dass eine Refinanzierung nur für
einen Teil der erteilten Kredite erforderlich ist und diese erst
zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt.
Es bleibt noch die Frage offen, welchen Gewinn die Banken
trotzdem noch aus dem Privileg der „Geldschöpfung“ generieren
können.
Grafiken zur
konsolidierten Bilanz:
Beste Grüße
Rudi Müller