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- From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Fristentransformation: Frage
- Date: Sat, 13 May 2017 07:59:06 +0000
Hallo Rudolf,
danke für die Hinweise. Das muß ich mir erst in Ruhe anschauen - danke für das Angebot, mit Fragen auf Dich zukommen zu können.
Einstweilen Grüße
Wolfgang
Mumken schrieb:
Hallo Wolfgang,
wenn Du ggf auf mein Webangebot zurückgreifen möchtest so findest Du im Artikel "Fristenspekulation"
http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Fristenspekulation
meine Sichtweise zur Fristentransformation. Spekulation, weil mit dem Wort Transformation eigentlich ein handfester Umtauschprozess beschrieben wird wohingegen die Fristentransformation im Bankensektor teilweise eher einer reinen Spekulation gleicht.
Eng damit verbunden ist die Liquiditätsfrage bei Banken, die sich wesentlich von der Liquiditätslage bei Unternehmen unterscheidet, wie Du es unten ausführlich beschreibst. Hierzu
http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Liquidit%C3%A4t
und speziell zu den staatlichen Anforderungen
http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Kreditwesengesetz
Die im Abschnitt Liquidität aufgeführte "Bodensatztheorie" geht auf die "täglich fälligen Einlagen" ein. Entgegen Deiner Annahme kann der Auszahlungsstrom dieser Einlagen von den Banken recht gut geplant werden. Dabei wird nicht die einzelne Überweisung betrachtet sondern die in einem Zeitraum von etwa 30 Tagen zu erwartenden Zahlungsverpflichtungen im Verhältnis zu den vorhandenen Zahlungsmitteln. Das geschieht unter Einbeziehung sämtlicher relevanten Bilanzpositionen wie auch von außerbilanzliche Positione wie der festen Kreditzusage von anderen Banken. Die Liquiditätsverordnung geht davon aus, dass 90 % der täglichen Sichteinlagen im 30-Tages Intervall als fester, langfristiger Bestandteil anzusehen sind. Nur für 10 % sind liquide Mittel vorzuhalten. Nach Basel III ist dieser Wert sogar auf 5 % geschrumpft.
Weitere Erläuterungen erspare ich mir jetzt hier, da es nur zu Wiederholgen der Inhalte aus den o.g. Beiträgen käme. Bei Fragen zum Inhalt bitte nicht zögern.
Beste Grüße
Rudi Müller
moneymind schrieb:
Vielleicht noch zur Erläuterung:----------------------------------------------------------------------ag-geldordnung-und-finanzpolitik mailinglist
Jeder Kaufmann sortiert natürlich seine Verbindlichkeiten nach Fristigkeit, damit er "Liquiditätsplanung" machen kann, d.h. im Voraus weiß, wann genau in der Zukunft er welchen Betrag an Zahlungsmitteln braucht, damit er den dann jeweils fristgerecht besorgen kann, indem er nicht zahlungsmitteltaugliche Aktiva ("Umlaufvermögen": sonstige Forderungen, erwartungsgemäß kurzfristig verkaufbares Eigentum wie Fertigprodukte, Rohstoffe etc.) verkauft (geht das nicht, steht ihm immer noch die Möglichkeit offen, einen Kredit zu nehmen und den Zeitpunkt, an dem er Aktiva verkaufen muß, gegen Zinskosten hinauszuschieben).
Die Aktivseite sortiert er nach "Liquidität" ("Flüssigkeit"), d.h. erwarteten Verkaufsfristen. Was schnell verkauft werden kann, ist "liquider" als ein Grundstück, das für den Produktionsprozess gebraucht wird und daher nicht ohne weiteres schnell verkauft werden kann ("Anlagevermögen").
Die goldene Finanzierungsregel lautet nun, "finanziere langfristig gebundenes Vermögen mit langfristigem Kapital (i.e. Eigenkapital, das gar keinen FÄlligkeitstermin hat, oder langfristigen Darlehen); kurzfristig gebundenes Vermögen mit kurzfristigen Finanzierungsformen. Fristenkongruenz also. Auf der Passivseite finden sich spezifische Fristen auf der Aktivseite lediglich erwartete (aber nicht sicher vorhersagbare) Verkaufszeiten: es gibt auf der Aktivseite eine "Liquiditätshierarchie".
Banken aber haben auf ihrer Passivseite eben Sichtverbindlichkeiten, deren Fälligkeitstermin für sie nicht planbar ist, weil die Kunden darüber entscheiden, wann sie sich ihr Guthaben auszahlen lassen: Fristentransformation statt Fristenkongruenz. Deswegen haben Banken ein sehr spezielles Liquiditätsrisiko, das eben auch das Phänomen des Bank Runs überhaupt erst möglich macht. Denn Forderungen mit genau definiertem Fälligkeitstermin kann der Gläubiger erst bei Fälligkeit einklagen und vollstrecken lassen - also gerade NICHT jederzeit bzw. "auf Sicht" wie Bankguthaben ("Depositen").
Auf der Aktivseite der Bankbilanz wiederum finden sich ganz oben "liquiditätsnahe" Forderungen, die bei Bedarf schnell und ohne große Abschläge (die für die Bank Kosten für die Bargeldbesorgung bedeuten) am Markt an andere Banken oder die Zentralbank verkauft oder dort in Pension gegeben werden können, um an Zentralbankgeld zu kommen.
Um also die Liquiditätssituation einer Bank zu beurteilen, muß man sich die gesamte Aktivseite anschauen und den gegenwärtigen Zustand der Märkte für die liquiden Titel kennen.
Wo finde ich Eure Sicht auf dieses Thema ?
Danke + Gruß
Wolfgang
moneymind schrieb:
Hallo,
mir kommen viele Diskussionen hier so vor, als ob der Zeitaspekt - nämlich der der Fälligkeitstermine unterschiedlicher Forderungen (im Fall von Sichtforderungen gegen Banken: jederzeitige Fälligkeit) fast nie zum Thema wird und die Diskussionen sich so in einer Art (metaphorischen) selbsterzeugten Seifenblase befindet, die kaum je verlassen wird.
Darauf hatte schon ein Zuhörer zu Piratos' ansonsten wie ich finde sehr guten Vortrag vor 5 Jahren hingewiesen:
https://www.youtube.com/watch?v=yCfq4QtH7kQ#t=1h16m03
Als ich vor ca. 3 Jahren mal bei einer Veranstaltung mit Brodbeck und Huber war, in der es um Vollgeld ging, stand der lokale Sparkassendirektor auf und sagte: "ich weiß nicht worüber sie reden mit dieser Geldschöpfung - wir machen Fristentransformation."
Daraufhin schauten Brodbeck und Huber wie ein Auto, aber es fiel ihnen nix mehr ein. Keinerlei Äußerung von ihnen dazu.
Daher hier mal die Frage in die Runde: ist Fristentransformation und die Fristenstruktur der Passivseite jeder Bilanz hier eigentlich mal Thema gewesen, und wenn ja, wo im wiki kann man das nachlesen? Ggf. auch auf Rudolf Müllers webangebot?!?
Danke + Gruß
Wolfgang
ag-geldordnung-und-finanzpolitik[at]lists.piratenpartei.de
The list homepage: https://lists.piratenpartei.de/sympa/info/ag-geldordnung-und-finanzpolitik
- [AG-GOuFP] Fristentransformation: Frage, moneymind, 11.05.2017
- Re: [AG-GOuFP] Fristentransformation: Frage, moneymind, 11.05.2017
- Re: [AG-GOuFP] Fristentransformation: Frage, Rudolf Müller, 12.05.2017
- Re: [AG-GOuFP] Fristentransformation: Frage, moneymind, 13.05.2017
- Re: [AG-GOuFP] Fristentransformation: Frage, Rudolf Müller, 12.05.2017
- Re: [AG-GOuFP] Fristentransformation: Frage, moneymind, 11.05.2017
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